Strategische Implikationen aktueller Trends in der Krankenhausplanung

Mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz NRW übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle für eine Trendumkehr in der Krankenhausplanung der Länder. Auf dieser Basis will NRW auf die Probleme in der stationären Versorgung (z. B. hohe Krankenhausdichte, Fachkräftemangel, viele Krankenhäuser in wirtschaftlicher Schieflage, kontraproduktiver Wettbewerb) reagieren. Ausgangspunkt

Nordrhein-Westfalen übernimmt Vorreiterrolle für eine Neuorientierung

 

Mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz NRW übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle für eine Trendumkehr in der Krankenhausplanung der Länder. Auf dieser Basis will NRW auf die Probleme in der stationären Versorgung (z. B. hohe Krankenhausdichte, Fachkräftemangel, viele Krankenhäuser in wirtschaftlicher Schieflage, kontraproduktiver Wettbewerb) reagieren. Ausgangspunkt war eine umfangreiche kleinräumige und bis auf einzelne medizinische Leistungsgruppen differenzierende Analyse des Leistungsbedarfs und -angebots in NRW. Die Analyse zeigte in großem Ausmaß sowohl regionale Über- als auch Unterversorgung. Für einzelne Leistungsgruppen zeigte sich zudem eine weitgehende Zersplitterung des Marktes mit vielen Anbietern und geringen Leistungsmengen. Im Ergebnis wurde konstatiert, dass die herkömmliche betten- und fachabteilungsbezogene Planung alleine nicht hinreichend für eine skalierbare, die regionalen Bedarfe abbildende und sich an überprüfbaren Qualitätsmerkmalen orientierende Steuerung der Versorgung ist.

In der Folge wurde eine neue Planungsmethodik entwickelt, deren Grundlage nicht mehr das Krankenhausbett, sondern medizinische Leistungsgruppen und -bereiche sind, die sich an den Fachgebieten der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren. Den 32 Leistungsbereichen sind wiederum 64 Leistungsgruppen zugeordnet. In 28 dieser Leistungsgruppen werden konkrete medizinische Leistungen anhand von Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS-Kodes) dargestellt. Alle Leistungsgruppen sind an näher ausgeführte Qualitätsindikatoren geknüpft. Typische Qualitätskriterien sind dabei Vorgaben zur Menge, Qualifikation und Verfügbarkeit des Personals, zur Geräteausstattung und zu weiteren Struktur- bzw. Prozessmerkmalen. Auch die Vorhaltung verwandter Leistungsgruppen am selben Standort bzw. in Kooperationen ist von Bedeutung.

Im Planungsprozess wird der Leistungsbedarf entsprechend der Häufigkeit einzelner Leistungen entweder auf Ebene von Landesteilen, Regierungsbezirken, Versorgungsgebieten (max. 5 Kreise) oder einzelnen Kreisen bemessen. Eine angemessene Anzahl an Versorgungsaufträgen je Leistungsgruppe wird festgesetzt. Im Rahmen eines regionalen Planungsverfahrens wird nun überprüft, welche der an einer Leistungsgruppe interessierten Kliniken die Mindestvoraussetzungen bzw. zusätzliche fakultative Auswahlkriterien erfüllen. Überschreitet das Angebot der interessierten Kliniken die Leistungsprognose der Bedarfsplanung, so trifft die Behörde eine Auswahlentscheidung. In den Feststellungsbescheiden, die die Krankenhäuser am Ende erhalten, wird festgeschrieben, welche konkreten Leistungen die Häuser erbringen dürfen und welche Qualitätsindikatoren sie dabei einhalten müssen.

Konkret bedeutet dies zum Beispiel: Für die Leistungsgruppe „Tiefe Rektumeingriffe“ bedarf es z. B. auch der Strukturanforderung der Leistungsgruppe „Komplexe Intensivmedizin“ mit entsprechender Facharztpräsenz und einer interdisziplinären Tumorkonferenz. Ferner muss zu Abteilungen mit dem Leistungsbereich „Hämatologie und Onkologie“ sowie der Leistungsgruppe „komplexe astroenterologie“ mindestens eine Kooperation bestehen. Sind diese Abteilungen vor Ort vorhanden, ist dies ein positives Auswahlkriterium.

Im Versorgungsgebiet 2 (Essen, Mühlheim, Oberhausen) könnte dies zum Beispiel zur Folge haben, dass von 13 Klinikstandorten mit zusammen 300 Eingriffen am tiefen Rektum nur die 3 bis 6 Kliniken einen Versorgungsauftrag erhalten, die sowohl eine Chance haben, eine Schwelle von mehr als 40 Eingriffen pro Jahr zu erreichen, als auch die fakultativen Auswahlkriterien erfüllen. Etwa 100 bis 150 Fälle würden regional umgesteuert. Für den regionalen Wettbewerb der 13 Klinikstandorte würde die spezielle visceralchirurgische Expertise wie auch die Konkurrenz um entsprechend subspezialisierte Fachärzte deutlich an Bedeutung verlieren. Die Qualität einer kleinräumig anzubietenden, breiten, gut koordinierten und optimal an den Patientenbedürfnissen orientierten chirurgischen Basisversorgung gewänne an Bedeutung. Eine gute Kooperation der Basisversorger mit den visceralmedizinischen Spezialversorgern böte Wettbewerbsvorteile, sowohl aus der Sicht der Patienten als auch im Hinblick auf die Weiterbildung der Mitarbeiter. Sie läge auch im Interesse der Spezialversorger, da sich die Wege der Patienten mit komplexem Versorgungsbedarf nicht automatisch, sondern aus den guten Arbeitsbeziehungen der regional beteiligten Ärzte ergeben.

Fazit

Die neue Krankenhausplanung NRW beschreitet den Weg einer Begrenzung des bisherigen Wettbewerbs zugunsten einer vernetzten Steuerung über Versorgungsstufen. Dies ist ein Weg, der in den letzten Jahren in vielen Think Tanks vorgedacht wurde und richtungsweisend für die Zeit nach der Bundestagswahl werden könnte. In Kombination mit den mengendegressiven Effekten des Fixkostendegressionsabschlags fördert er eine grundsätzliche strategische Neuorientierung der Krankenhäuser. An die Stelle eines primär betriebswirtschaftlich wachstumsorientierten Wettbewerbs könnte vermehrt eine Fokussierung auf den übergeordneten regionalen Versorgungsauftrag der Einrichtungen treten.

Kliniken unterhalb des Maximalversorger-Levels sollten daher in Regionen mit hoher Wettbewerbsintensität proaktiv eine Reduktion der Breite ihrer spezialisierten komplexen Leistungsangebote erwägen. Optimalerweise erfolgt dies im Rahmen einer regionalen Abstimmung, die medizinische Kooperation und Vernetzung befördert und in deren Ergebnis sich die Leistungsfähigkeit aller Beteiligten optimiert. Die Krankenhäuser sollten daher den Kontakt mit anderen Häusern ihrer Region suchen, um auszuloten, welche Notwendigkeiten und Möglichkeiten bestehen. Eine gegebenenfalls extern begleitete Moderation solcher Prozesse unter Einbeziehung der Gemeinden und der niedergelassenen Ärzteschaft steigert die Erfolgsaussichten für eine langfristige gelingende Patientensteuerung. Sie wäre auch eine gute Basis für den nächsten gesundheitspolitischen Schritt hin zu einer sektorübergreifenden Versorgungsplanung.

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Geschäftsführer Solidaris Unternehmensberatungs-GmbH
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Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung

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