Ob neben bekannten Risikofaktoren wie der Größe des Eingriffs und der Komorbidität des Patienten auch die Operationszeit als Maß für das Risiko eines gefäßchirurgischen Eingriffs gelten kann, ist bisher kaum überprüft worden. So fanden wir in einer systematischen PubMed-Recherche im Jahr 2018 unter den Stichwörtern „postoperative complications (Title/Abstract) AND vascular surgery“ sowie „surgical quality (Title/Abstract) AND operation time“ insgesamt nur 28 Arbeiten, die in den letzten 10 Jahren gezielt zur Operationszeit als Risikofaktor für postoperative Komplikationen bei gefäßchirurgischen Eingriffen Stellung nahmen.

Perioperative Sterblichkeit

Neun Studien [3, 9, 10, 13, 17, 19, 20, 23, 24] ließen keine eindeutige Aussage über die Beziehung der Operationszeit zur perioperativen Letalität zu. Sowohl Brahmbhatt et al. [9] als auch Hasanadka et al. [20] sahen in einer verlängerten Operationszeit keinen Risikofaktor für das postoperative Versterben innerhalb von 30 Tagen. In den übrigen 7 Untersuchungen konnte zwar ein Zusammenhang gezeigt werden, jedoch war dieser in 3 Publikationen nur sehr schwach [13, 19, 24]. Lediglich Chung et al. [10], Kazaure et al. [23] sowie Aziz et al. [3] haben einen stärkeren Zusammenhang zwischen einer verlängerten Operationsdauer und einer erhöhten Mortalitätsrate ermitteln können. Sie bezogen sich dabei auf die endovaskuläre Versorgung thorakaler Aortenaneurysmen (TEVAR, Odds Ratio 1,67, 95 % KI (Konfidenzintervall) 1,28–2,18), verschiedene gefäßchirurgische Operationen (Odds Ratio 1,7, 95 % KI 1,5–2,0) und Karotiseingriffe (CEA (Carotisendarteriektomie), Odds Ratio 1,72, 95 % KI 1,12–2,62). Anzumerken ist, dass Gupta et al. in beiden Arbeiten [17, 19] statt der Operationszeit die Narkosedauer überprüften, in [17] wurde darüber hinaus speziell die Sterblichkeit nach Krankenhausentlassung untersucht.

Morbidität

In 4 Studien [9, 17, 19, 21] wurde untersucht, ob eine verlängerte Operationsdauer eine Beziehung zur perioperativen Morbiditätsrate bei gefäßchirurgischen Patienten aufweist. In allen 4 Analysen ging eine lange Operationszeit mit einem erhöhten Risiko für postoperative Komplikationen einher. Gupta et al. [19] brachten erneut die Narkosedauer mit einer erhöhten Morbiditätsrate in Verbindung, in ihrer zweiten Untersuchung [17] bestand ein positiver Zusammenhang zwischen der Operationszeit und einer erhöhten Morbiditätsrate, allerdings erst nach Entlassung aus dem Krankenhaus. In den Studien war der Zusammenhang schwach und die Odds Ratios lagen zwischen 1,002 und 1,01.

LaMuraglia et al. [25] stellten einen signifikanten – trotzdem nur schwach ausgeprägten – Zusammenhang zwischen Operationszeit und schweren postoperativen Komplikationen nach infrainguinalen Bypasseingriffen fest, bei einer Odds Ratio von 1,002 (95 % KI 1,00–1,003, p = 0,001). In dieser Arbeit wurden Majorkomplikationen als das Auftreten von Wunddehiszenz, Beatmung > 48 h, ungeplante Intubation, Wund(höhlen)infektionen (z. B. Abszesse), tiefe Wundinfektionen, Pneumonie, akutes Nierenversagen, Sepsis, andere kardiale Vorkommnisse, Lungenembolie, andere respiratorische Vorkommnisse, Schlaganfall, Koma > 24 h, andere Vorkommnisse des ZNS, transfusionspflichtige Blutungen und Herzstillstand definiert. Sowohl die untersuchten Eingriffe als auch die analysierten Komplikationen waren zu verschieden, um eindeutige Aussagen für bestimmte Komplikationen machen zu können.

Wundinfektionsrate

Die Operationszeit war in 4 Publikationen ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer Wundinfektion [2, 16, 21, 28]. Da sich der überwiegende Teil der Untersuchungen auf Revaskularisierungseingriffe an der unteren Extremität bezog, sind die Ergebnisse einigermaßen vergleichbar. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine verlängerte Operationsdauer einen Einfluss auf die Wundinfektionsrate nach Revaskularisierungseingriffen nimmt. Sowohl Wiseman et al. [28] als auch Greenblatt et al. [16] haben eine große Patientenzahl (n =49.817 bzw. n = 12.330) untersucht – beide sind zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen (Risikoerhöhung bei OP-Zeit > 4 h: Odds Ratio 1,4, 95 % KI 1,3–1,5, p < 0,0001 bzw. Odds Ratio 1,42, 95 % KI 1,24–1,63, p < 0,05).

Schlaganfälle und Nervenschäden nach Karotiseingriffen

Fünf Publikationen zur Karotisendarteriektomie (CEA) untersuchten, welche Risikofaktoren das Auftreten eines Schlaganfalls innerhalb der ersten 30 postoperativen Tage beeinflussen [3, 6, 14, 22, 27], unter anderem die Operationszeit. Die Untersuchungsergebnisse waren sehr unterschiedlich. So haben Garcia et al. [14] ein sehr großes Patientenkollektiv untersucht (n = 53.593) und dabei einen deutlich stärkeren Einfluss der Operationszeit auf die Komplikationsrate gesehen als Kang et al. [22] (Odds Ratio 1,71, 95 % KI 1,40–3,83 vs. Odds Ratio 1,02, 95 % KI 1,00–1,03). Im Gegensatz dazu bestand in den Untersuchungen von Rubinstein et al. [27] und Aziz et al. [3] überhaupt kein Zusammenhang zwischen einer verlängerten Operationszeit und einer erhöhten postoperativen Schlaganfallrate. Bennett et al. [6] fanden in der univariaten Auswertung einen Zusammenhang zwischen einer verlängerten Eingriffsdauer und einer erhöhten postoperativen Schlaganfall‑/Mortalitätsrate nur bei asymptomatischen Karotisstenosen, nicht aber nach Operation symptomatischer Stenosen. Es lässt sich demnach keine abschließende Aussage über die Beziehung der Operationszeit zur postoperativen Rate an Schlaganfällen nach Karotisendarteriektomie treffen.

Eine weitere Arbeit bezog sich auf Hirnnervenverletzungen nach Karotiseingriffen [7]. Anhand einer NSQIP(National Surgical Quality Improvement Program)-Abfrage wurden die Daten von 3762 Patienten untersucht, die sich einer CEA unterzogen hatten. Ziel war es zu klären, welche Risikofaktoren einen Einfluss auf das Auftreten postoperativer Hirnnervenschädigungen nehmen. In dieser Untersuchung konnten Bennett et al. [7] zeigen, dass eine verlängerte Eingriffsdauer einen Risikofaktor für das Auftreten postoperativer Hirnnervenschädigungen darstellte. Das Risiko für eine Hirnnervenschädigung erhöhte sich ab einer Operationsdauer von über 90 min mit jeder weiteren halben Stunde OP-Zeit um relativ 15 % (adjustierte Odds Ratio 1,15, 95 % KI 1,06–1,25, p = 0,001).

In einer Analyse von Bennett et al. [5] war ein negativer Zusammenhang zwischen Operationszeit und größeren postoperativen Komplikationen nach Karotis-Stenting nicht nachzuweisen (p = 0,68). Als primäres Outcome waren größere unerwünschte klinische Ereignisse innerhalb 30 Tagen postoperativ untersucht worden. Definiert wurde dieses Outcome als postoperatives Versterben oder Auftreten von Myokardinfarkt, Arrhythmie, ipsilateralem Schlaganfall oder ipsilateraler transitorischer ischämischer Attacke (TIA). Im Gegensatz zum Karotis-Stenting sahen Bennett et al. [6] nach CEA einen deutlichen negativen Einfluss der Operationszeit auf die Majorkomplikationsrate ab einer Eingriffsdauer > 150 min (adjustierte Odds Ratio 2,88, 95 % KI 1,83–4,54, p < 0,001).

Reoperationsrate

Drei Veröffentlichungen nahmen zur postoperativen Reoperationsrate Stellung. Aziz et al. [3] beobachteten bei Karotiseingriffen mit einer Operationszeit von > 140 min (> 75. Perzentile) eine Risikoerhöhung um 27 % für postoperative Reeingriffe. Auch Kazaure et al. [23], die insgesamt 11 verschiedene gefäßchirurgische Eingriffe untersuchten (OAR (Open Aneurysm Repair) n = 1915, Karotischirurgie n = 10.290, abdomineller Bypass n = 1112, offene Verfahren bei pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) n = 7383, Dialysezugang n = 1177, Embolektomie n = 1136, Amputation der unteren Extremität n = 2412, EVAR (Endovascular Aneurysm Repair) n = 4310, TEVAR n = 372, endovaskuläre iliakale Operation n = 112, endovaskuläre Versorgung von pAVK n = 4887), konnten zeigen, dass Eingriffe mit einer Dauer > 75. Perzentile mit einer erhöhten Reoperationsrate einhergingen (p < 0,001). In der dritten Arbeit ist die Inzidenz von Reoperationen nach Dekompressionseingriffen bei Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) als gemeinsamer Endpunkt „Krankenhauswiederaufnahme/Reoperation/beides“ untersucht worden [26]. Der Einfluss der Operationsdauer war schwach, eine kritische Grenze der OP-Zeit wurde nicht angegeben.

Pulmonale Komplikationen

Aziz et al. [3] und David et al. [12] machten Angaben zur Beziehung der Operationszeit zur postoperativen Rate an pulmonalen Komplikationen. Während sich David et al. [12] auf die offen-chirurgische Versorgung abdomineller Aortenaneurysmen sowie suprainguinale Bypassoperationen bezogen, fokussierten Aziz et al. [3] speziell auf Karotisendarteriektomien. In beiden Untersuchungen wurde gezeigt, dass verlängerte Eingriffe das Risiko für pulmonale Komplikationen, wie beispielsweise eine verlängerte Beatmungsdauer oder postoperative Pneumonien, deutlich erhöhten.

Krankenhauswiederaufnahme

Die Krankenhauswiederaufnahmerate wurde in insgesamt 7 Publikationen in 11 separaten Analysen untersucht [1, 4, 8, 11, 15, 18, 26]. In allen Arbeiten konnte in mindestens einer Regressionsanalyse ein Zusammenhang zwischen der Operationszeit und der Krankenhauswiederaufnahmerate gezeigt werden. In der Untersuchung von Gupta et al. [18] beschränkte sich der Zusammenhang auf infrainguinale Bypassoperationen und endovaskuläre AAA(Abdominelle Aorten-Aneurysmen)-Versorgungen in der univariaten Analyse. Nach multivariater Auswertung bestand lediglich für Bypassoperationen ein signifikanter Zusammenhang (Odds Ratio 1,93, 95 % KI 1,40–2,67). Hinsichtlich der anderen untersuchten Eingriffe war die Operationszeit nicht signifikant mit einer erhöhten Wiederaufnahmerate assoziiert (CEA p = 0,37; offene AAA-Versorgung, OAR p = 0,94).

Für Revaskularisierungseingriffe an der unteren Extremität (offen und endovaskulär) konnten Bodewes et al. [8], Ali et al. [1], Aziz et al. [4] und Davenport et al. [11] die Operationszeit als wichtigen Einflussfaktor auf die Wiederaufnahmerate ins Krankenhaus herausstellen. Bei Bodewes et al. [8] galt dies aber nur für Patienten mit Claudicatio, bei Patienten mit kritischer Extremitätenischämie korrelierte eine verlängerte Operationsdauer lediglich in der univariaten Auswertung positiv mit einer erhöhten Krankenhauswiederaufnahmerate.

Folgerung

Berichte zu einer Beziehung zwischen Operationszeit und Komplikationsrate nach gefäßchirurgischen Eingriffen sind selten und in ihren Aussagen widersprüchlich. Offenbleiben muss die Frage, ob die Operationszeit die Komplikationsrate beeinflusst oder ob sie lediglich einen Parameter für die Komplexität der Läsion darstellt. Ein entscheidender Kritikpunkt an den berichteten Ergebnissen besteht darin, dass in den vorliegenden Publikationen so gut wie nie zum Lokalbefund und den Komorbiditäten des Patienten Stellung genommen wurde. Die Autoren überprüften lediglich, ob eine Beziehung zwischen Komplikationen und Operationszeit bestand, was häufig, aber eben keineswegs immer, bestätigt werden konnte. Ob dies bedeutete, dass die Operationszeit zu beeinflussen war, ist nicht untersucht worden. Theoretisch kann ein unerfahrener Chirurg für einen definierten Eingriff länger als der erfahrene benötigen, was zu mehr Komplikationen führen könnte. Andererseits hängt aber die Dauer des Eingriffs vom Lokalbefund und möglicherweise von den Komorbiditäten des Patienten ab. In diesen Fällen wäre die Operationszeit nicht willkürlich zu verkürzen und damit als Qualitätsindikator nicht nutzbar.

Was fehlt und nicht beschrieben wurde, ist zunächst die Erarbeitung von Standardoperationszeiten für bestimmte Eingriffe. Dabei sollte zwischen komplikationsfreien und komplikativen Eingriffen unterschieden werden. Bei den komplikationslos verlaufenen Operationen könnten dann lange Operationszeiten eventuell auch als ein Maß für die Schwere des Lokalbefundes gelten und damit sogar später einmal bei zu definierenden Eingriffen im DRG(Diagnosis Related Groups)-System Berücksichtigung finden, wie dies – um ein einfaches Beispiel zu wählen – bei dem chirurgischen Wunddebridement geläufig ist. (Dort wird seit Langem schon zwischen OPS-Code „5-896.0** Kleinflächig“ und OPS-Code „5-896.1** Großflächig“ unterschieden).

Der Operationsbereich ist der teuerste Platz eines Krankenhauses. Allein schon aus diesem Grund muss von allen im Operationssaal Tätigen sorgsam darauf geachtet werden, mit der Ressource „OP-Kapazität“ penibel umzugehen. Standardoperationszeiten helfen bei der Planung des Operationsprogramms, aber auch bei der ökonomischen Begründung überdurchschnittlich langer Operationszeiten und der entsprechenden Operationssaalauslastung.

Wir haben demnach damit begonnen, für bestimmte gefäßchirurgische Eingriffe in einer Multizenterstudie die Operationszeiten zu erfassen. Unterschieden werden soll zwischen den Operationszeiten bei komplikationslosen und komplikativen Eingriffen in einer konsekutiven Serie, ohne Ausschlusskriterien. Die Frage wird sein, wie sich die beteiligenden Kliniken in ihren durchschnittlichen Operationszeiten unterscheiden und welche Beziehung jeweils zwischen Operationszeit, Krankenhauswiederaufnahmerate und Krankenhausverweildauer besteht.

Wir würden uns freuen, wenn sich auch in diesem Leserkreis Kliniken finden würden, die an diesem Projekt mitarbeiten wollen. Sie werden gebeten, sich direkt an uns zu wenden.