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Analyse

Was beim E-Rezept schiefläuft

Das E-Rezept wird einfach nicht fertig. Das große Digitalprojekt des deutschen Gesundheitswesens hat enorme Startschwierigkeiten – auch weil die Beteiligten sich nicht einig sind.

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Die „E-Rezept“-App der Gematik ist auch aktuell einsatzbereit – die E-Rezept-Apps der Krankenkassen nicht. (Foto: picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam)

Es sind drei Wörter, die Zukunft versprechen und Zuversicht verbreiten: „Das E-Rezept kommt.“ Zu lesen sind sie auf der Website der Gematik. Am 1. Januar 2022 sollte das E-Rezept bundesweit eingeführt werden. Doch daraus wurde nichts. Die Einführung ist auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben worden. Was ist geblieben von der Zukunft und der Zuversicht?

Kein Ende in Sicht

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„Wir haben momentan kein Enddatum“, sagt Hannes Neumann. Er ist Produktmanager bei der Gematik – einer Gesellschaft, die mit der Entwicklung des E-Rezepts mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Sie trägt in Deutschland die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur. Ein bürokratisches Wortungetüm. Im Klartext heißt das: Die Gematik wird für die Digitalisierung im Gesundheitswesen gebraucht. Gegründet wurde sie als GmbH von den Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens. 51 Prozent der Unternehmensanteile hält das Bundesministerium für Gesundheit. Ein Auftrag der Gematik ist unter anderem, das E-Rezept in Gang zu bringen – ein Auftrag, der seit einigen Monaten für Ärger und Spott sorgt.

Aktuell läuft die Testphase. Schon wieder – oder immer noch. Anfang Juli 2021 startete die erste Runde in der Modellregion Berlin-Brandenburg. Anfang Dezember 2021 wurde sie bundesweit ausgeweitet – und läuft aktuell weiter. Bis das E-Rezept eingeführt werden kann, hat sich die Gematik die stramme Zahl von 30.000 abgerechneten E-Rezepten auferlegt. Für die aktuelle Testphase veröffentlichte die Gesellschaft im Februar den ersten Zwischenstand. Das ernüchternde Ergebnis: Etwas mehr als 1.000 E-Rezepte seien seit Jahresanfang 2022 bis Anfang Februar  abgerechnet worden. 1.000 E-Rezepte in sechs Wochen also. Bleibt es bei diesem Tempo, wird vor 2025 gar nichts eingeführt.

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150 Arztpraxen sind dabei – von über 100.000

Bei der Gematik sind die aktuellen Zahlen offenbar kein Anlass zu Verdruss: „Tatsächlich ist die Zahl eingelöster E-Rezepte seit Jahresbeginn klar gestiegen“, sagt Hannes Neumann. Etwa 150 Arztpraxen in Deutschland, die das E-Rezept nutzen, sind der Gematik namentlich bekannt. Zur Einordnung: Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gab es 2017 deutschlandweit insgesamt 101.932 Arztpraxen.

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Die Ärzt:innen in Deutschland wollen beim Thema E-Rezept natürlich auch mitreden. Zum Beispiel Petra Reis-Berkowicz. Die Vorsitzende der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) brachte vergangenen Oktober einen Petition im Bundestag ein, in der sie unter anderem eine zwölfmonatige Testphase forderte. Generell plädiert sie für eine Einbindung der Anwender:innen. „Wir sind nie gefragt worden, ob das so in unsere Arbeitsabläufe zu implementieren ist“, so Reis-Berkowicz Mitte Februar 2022 im Petitionsausschuss.

Arztpraxen werden über Software-Hersteller angebunden

Für die technische Einbindung der Ärzt:innen ist allerdings nicht die Gematik zuständig, sondern die Software-Anbieter. Sie stellen den Praxen die Software für die Rezepte zur Verfügung. Aber nicht nur Ärzte und Ärztinnen braucht es für den Test. Wer sein E-Rezept einlösen will, braucht auch eine Apotheke, die es auslesen kann. 18.461 Apotheken gibt es laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände derzeit in Deutschland – 20 Prozent würden laut Gematik an der Testphase teilnehmen.

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Wer wissen will, ob die Apotheke um die Ecke bereits E-Rezept-fähig ist, muss dafür die „E-Rezept“-App der Gematik nutzen. Sie bietet unter dem Punkt „Apotheken“ eine Übersicht. Außerdem gibt es in der App einen Demo-Modus, mit dem Verbraucher:innen die E-Rezept-Verwendung von der Ausstellung in der Arztpraxis bis zum Einlösen durchspielen können.

Pilotprojekt der Kassen funktioniert – und wird eingestellt

Wer allerdings im App-Store nach „E-Rezept“ sucht, findet schnell andere Angebote. Zum Beispiel das „Barmer E-Rezept“ für Barmer-Versicherte. Aber nicht zu früh gefreut: Wer diese App runterlädt, stößt auf die Information „Das neue E-Rezept kommt“. Ein Hinweis darunter verrät, dass die Neuerung Ende Januar erscheinen soll – das steht dort auch noch Mitte Februar 2022.

Die „Barmer E-Rezept“-App gehört zu einem weiteren Pilotprojekt in Deutschland. Auf Initiative der Techniker Krankenkassen schlossen sich unter dem Claim „Das eRezept für Deutschland“ die TK, Barmer, DAK-Gesundheit, die Hanseatische Krankenkasse, die AOK Bayern, IKK Classic und BIG direkt gesund mehrere Kassen zusammen. 2019 startete das Pilotprojekt für ein eigenes E-Rezept – ohne die Gematik, deren Teilhaber die genannten Kassen über ihren Spitzenverband allesamt sind. Aber auch um das „eRezept“ ist es derzeit nicht gut bestellt, alle Apps liegen brach.

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Auf t3n-Anfrage sagt eine Sprecherin der Techniker Krankenkasse, die Apps sollten zum Anfang des Jahres eigentlich die Anwendung der Gematik übernehmen. „In den Wochen zuvor wurden die teilnehmenden Apotheken, Ärztinnen und Ärzte darüber informiert, die privatärztlichen Verrechnungsstellen-Partner haben die Möglichkeit zur Rezeptausstellung entsprechend abgeschaltet“, so die Sprecherin weiter.

Ärger um App-Auswahl

Glaubt man der TK, ist das E-Rezept der Krankenkassen der „erfolgreichste E-Rezept-Pilot“. Ein erfolgreicher Pilot, der jetzt ruht – zugunsten des Gematik-Projekts, das weiterhin nicht offiziell starten kann. Intern werde jedoch nach „neuen Möglichkeiten“ gesucht, so die TK-Sprecherin.

Generell stehen die am „eRezept“-Projekt beteiligten Kassen mit der Gematik in Austausch. Das bestätigen beide Seiten. Sie würden sich über Ergebnisse der Testphasen informieren. Inwieweit dieser Informationsaustausch zu einer schnelleren Abwicklung der Testphase beiträgt, ist von außen betrachtet derzeit noch nicht ersichtlich. Aktuell ist nur die App der Gematik für die Nutzung des E-Rezepts vorgesehen. Bei der TK stößt das auf wenig Gegenliebe: „Dies halten wir mit Blick auf Kundenorientierung und Angebote von Mehrwertdiensten, wie Hinweisen zur Arzneimittelsicherheit, für nicht ausreichend.“ Die gesetzlichen Krankenkassen wünschen sich eine Einbindung ihrer bestehenden Apps.

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Gematik besteht auf eigene App-Lösung

Aktuell funktioniert allerdings nur die Gematik-App. Was aus den Pilotprojekten der Kassen wird, ist unklar. Gematik-Projektmanager Hannes Neumann bezeichnet die Piloten zwar als „wichtig“, verweist allerdings auf das „Mandat“, das bei der Gematik liege. Und damit gibt es für die Umsetzung auch nur die „E-Rezept“-App der Gematik.

Das App-Kuddelmuddel ist aber vermutlich noch eine Weile zweitrangig, denn ohne funktionierendes E-Rezept geht ohnehin gar nichts. Die offizielle Einführung ist nach wie vor weit entfernt. Erstmal müssten die 30.000 E-Rezepte erreicht werden, dann kann die Einführung des E-Rezepts kommen. Einen Zeitpunkt will Hannes Neumann nicht verraten. Für die laufende Testphase hat er einen Wunsch: „Die Fehler sollten wir jetzt suchen, bevor sie uns dann auf breiter Fläche ereilen. Zudem sollten alle jetzt lernen und Erfahrung sammeln“. Wenn das E-Rezept kommt, soll es also fehlerfrei sein – gut Ding will ja bekanntlich Weile haben.

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