Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat den Präsidenten der Ärztekammer des Saarlandes wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt. Er soll Informationen zu schweren Erkrankungen eines Pathologen nicht an die Approbationsbehörde weitergegeben und so "billigend in Kauf genommen haben, dass Patienten auf Grund unterlassener oder nicht indizierter Behandlungen zu Tode kommen würden", teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit.

Der Beschuldigte sei zwischen 2013 und 2018 regelmäßig mit den Erkrankungen des Pathologen befasst gewesen und habe 2015 selbst festgestellt, dass der Mann berufsunfähig sei. Der Pathologe sei bis 2019 in großem Umfang mit Biopsien im Rahmen der Krebsdiagnostik befasst gewesen - wobei es bei sechs Patienten zu insgesamt sieben Fehldiagnosen gekommen sei, teilte die Anklagebehörde mit.

Es sei davon auszugehen, dass die Approbationsbehörde bei Kenntnis des Sachverhalts dem Pathologen die Approbation entzogen hätte und es nicht zu Fehlbehandlungen gekommen wäre.

Der Pathologe soll bis November 2018 unzutreffend Krebsdiagnosen teilweise verneint und teilweise bejaht haben. Es sei wegen Fehldiagnosen zu nicht notwendigen Eingriffen wie Darm- und Gesichtsoperationen oder Chemotherapien gekommen. In einem Fall soll eine Brustoperation durchgeführt worden sein, die bei zutreffender Diagnose vermeidbar gewesen sein soll. Ein Patient war nach einer solchen Operation an einer Sepsis gestorben.

Die Vorwürfe seien "weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht nachvollziehbar", teilte die Ärztekammer am Mittwoch mit. Es sei "höchst umstritten", ob eine Informationspflicht bestanden habe. Man habe den Kammerpräsidenten einstimmig gebeten, im Amt zu bleiben. Die Kammer gehe davon aus, dass das Landgericht sorgfältig prüfe, ob die Anklage überhaupt zulässig sei, hieß es in einer Mitteilung.

Der Pathologe muss sich ab dem 21. März vor dem Landgericht Saarbrücken unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Der Vorwurf: Er soll er in seinem Institut in St. Ingbert bis November 2018 "wissentlich zahlreiche gravierende Fehldiagnosen gestellt" haben, "die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen" bei Patienten geführt hätten.

Bereits im Juni 2020 war der Mann aus dem Saarpfalz-Kreis wegen Betruges in 17 Fällen sowie wegen Bestechung im Gesundheitswesen in 97 Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte Fachärzten Geld gezahlt, damit sie Gewebeproben in seinem Institut untersuchen ließen.

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