Nach Kassen-Kritik an Impfnebenwirkungszahlen: „Wir müssen ihn sofort entfernen“

Warum wurde der Vorstand der BKK ProVita entlassen, noch bevor er sich mit dem PEI austauschen konnte? Ein Mitglied des Verwaltungsrats übt scharfe Kritik.

Diesmal geht es nicht nur um einen Piks – der Vorstand der BKK ProVita wurde fristlos entlassen. Warum?
Diesmal geht es nicht nur um einen Piks – der Vorstand der BKK ProVita wurde fristlos entlassen. Warum?Imago

Was ist los bei der Krankenkasse BKK ProVita? Nachdem sich vergangene Woche ihr Vorstand Andreas Schöfbeck mit einem spektakulären Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt hatte, hatten sich eigentlich am Dienstag Schöfbeck und PEI zum Austausch ihrer Daten treffen sollen. Doch dazu kam es nicht. Weil die Krankenkasse ihren Vorstand noch vor dem geplanten Treffen am Dienstag fristlos entlassen hat.

„Das war wie eine Hexenjagd“, berichtete der Berliner Zeitung einer, der dabei war: Verwaltungsratsmitglied Marco Altinger. Der bayerische FDP-Politiker und Unternehmer ist seit Jahren ehrenamtliches Mitglied im Verwaltungsrat der BKK ProVita und hat nach eigenen Aussagen am Dienstag zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern dagegen gestimmt, Schöfbeck mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zu entbinden. Doch 13 weitere Verwaltungsratsmitglieder seien sich einig gewesen, Schöfbeck zu entlassen. Und die Amtsenthebungsurkunde sei auch schon vorbereitet gewesen, sagt Altinger.

Am Mittwoch vergangener Woche war das Thema durch die Medien gegangen und hatte sogleich für erhitzte Gemüter gesorgt: Der Vorstand der Betriebskrankenkasse ProVita mit Sitz nahe München hatte in seinem Brief ans PEI von einem „heftigen Warnsignal bei codierten Impfnebenwirkungen nach Corona-Impfungen“ gesprochen und die Daten seiner eigenen Krankenkasse mit denen aller deutschen Betriebskrankenkassen in einer Datenanalyse erhoben sowie auf alle Deutschen hochgerechnet. Demnach müsste es rund drei Millionen Menschen mit Impfnebenwirkungen geben. Das PEI erfasse aber nur 250.000.

Eine Erklärung für diese Differenz lautet: Die BKK-Provita-Erhebung umfasst auch milde und erwartbare Impfreaktionen, etwa wenn ein Patient wegen Unwohlsein nach einer Corona-Impfung eine kurze Krankschreibung benötigt. Solche Symptome sind aber nach dem Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig beim PEI.

Doch die Statistiken des BKK-ProVita-Vorstands sind bereits von der Internetseite gelöscht, offenbar soll nichts mehr an Schöfbeck erinnern, der 21 Jahre lang die Geschicke seiner Krankenkasse als Vorstand geleitet hat. Denn der Tenor bei der Verwaltungsratssitzung am Dienstag lautete: Schöfbeck schade dem Unternehmen.

Die Sitzung, zu der bereits vergangenen Donnerstag geladen wurde, ging am Dienstag von 10 bis 13 Uhr und fand anfangs ohne Schöfbeck statt. Auch die stellvertretenden Verwaltungsratsmitglieder wurden ausgeladen. Für Marco Altinger war es eine „rein emotional stimmungsgeladene Sitzung“. Es sei gar nicht um eine sachliche Diskussion zum Thema Impfnebenwirkungen gegangen, sondern ausschließlich darum, Schöfbeck noch am selben Tag loszuwerden, vor allem mit, wie er es sagt, „unsachlichen, emotionalen“ Begründungen. Schöfbeck sei als Impfgegner dargestellt worden. Seine Aktion, so sehe es die BKK ProVita, habe vor allem Beifall bei Querdenkern und AfD-Wählern ausgelöst. Es sei auch darüber diskutiert worden, dass man ihn nun zum Märtyrer der Impfgegner mache. Doch wenn man ihn nicht entlasse, habe man „die Massen“ gegen sich.

Der FDP-Politiker wirkt schockiert und will nun aus dem Verwaltungsrat austreten. Schon nach der Einladung am Donnerstag habe der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende Manfred Ries zu ihm über Schöfbeck gesagt: „Wir müssen ihn sofort entfernen.“ Schöfbeck sei dann am Dienstag nach einer Stunde in die Sitzung geladen worden und habe sich etwa 15 Minuten lang verteidigen dürfen. Er habe sachlich davon berichtet, dass die BKK übers Wochenende etwa 150 neue Mitglieder gewonnen habe, so viele Menschen wie nie hätten sich die Präsentationen der Kasse angeschaut. Und kein Einziger sei ausgetreten. Er habe auch eine Einigung im Guten vorgeschlagen. Doch all das habe „niemanden mehr interessiert“. Schöfbeck sei danach aus der Teamssitzung einfach weggeschaltet worden.

Die BKK ProVita selbst gibt an, zu den Vorgängen aus „Gründen des Persönlichkeitsschutzes“ nichts sagen zu wollen. Der geschasste Vorstand ist schon seit Dienstag unter seinen Firmenkontakten nicht mehr zu erreichen. Entgegenkommen wird diese fristlose Entlassung womöglich dem Vorsitzenden des ärztlichen Virchowbundes, Dirk Heinrich: Er hatte in einem Statement von „peinlichem Unwissen oder hinterlistiger Täuschungsabsicht“ der „Schwurbel-BKK“ gesprochen.