Im Jahr 2012 wurde die erste deutsche interdisziplinäre S3-Leitlinie zur chronischen Pankreatitis publiziert [8]. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e. V. (DGCH), der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren (DGE-BV), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), der Deutschen Gesellschaft für Pathologie/Bundesverband deutscher Pathologen e. V. (DGP/BDP), der Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin (DIVI), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG) und der Schweizerischen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (SGVC) sowie von Patientenvertretungen wurde die Leitlinie aktuell überarbeitet und erweitert. Es wurde eine umfassende S3-Leitlinie zur akuten und chronischen Pankreatitis erstellt und konsentiert (AWMF Register Nr. 021-003).

In diesem Beitrag sollen wichtige klinische Aspekte zur akuten Pankreatitis aus dieser Leitlinie in kompakter Form dargestellt und Empfehlungen begründet werden.

Definition, Ätiologie und Diagnostik der akuten Pankreatitis

Die akute Pankreatitis (AP) ist eine primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die durch eine unphysiologische Enzymaktivierung gekennzeichnet ist. Diese führt zu einer Entzündungsreaktion mit Ödem, Gefäßschädigung und Zelluntergang. Die Diagnose einer AP kann in der Regel gestellt werden, wenn mindestens 2 der folgenden 3 Kriterien vorliegen: Typische Abdominalschmerzen (akut beginnende, anhaltende Oberbauchschmerzen, oft mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken), Erhöhung der Serumlipase auf mindestens das 3fache der oberen Norm und charakteristische bildmorphologische Befunde. In Deutschland liegt die Inzidenz zwischen 13 und 43/100.000 Einwohnern/Jahr [11, 17].

Die Ätiopathogenese einer AP ist für das therapeutische Vorgehen wegweisend und kann z. B. bei Neoplasien oder der biliären Pankreatitis entscheidende Konsequenzen haben. Die häufigsten gesicherten Risikofaktoren sind Gallensteinleiden und Alkoholmissbrauch, die jeweils für 30–50 % der Fälle verantwortlich sind [10, 12]. Auch Tabakrauchen, Hypertriglyzeridämie und Diabetes mellitus Typ II sind mit einer Risikoerhöhung für eine AP vergesellschaftet. Zudem können zahlreiche Medikamente, wie z. B. Enalapril, Statine, Mesalazin, Metronidazol, Tetracycline, Sulfonamide, Valproat oder Checkpointinhibitoren eine AP auslösen. Weitere klinisch etablierte Ursachen sind eine Hyperkalzämie (z. B. bei Hyperparathyreoidismus), das (stumpfe) Bauchtrauma und Pankreastumoren. Die autoimmune Pankreatitis stellt eine eigenständige Form dar und wird durch bildmorphologische Pankreasbefunde und histologische Merkmale charakterisiert. Weitere seltene Auslöser sind Infektionen. Hierzu zählen Viren wie Mumps, hepatotrope Viren, Coxsackie, CMV (Zytomegalievirus), HIV (humanes Immundefizienzvirus), HSV (Herpes-simplex-Virus) , VZV (Varizella-Zoster-Virus) und bakterielle Erreger wie Mycoplasma pneumoniae, Leptospiren, Mycobacterium tuberculosis, Campylobacter und Yersinien sowie Parasiten wie Ascaris lumbricoides. Bei etwa 15 % der Patienten lässt sich keine Ursache finden (idiopathische Pankreatitis).

Schweregradeinschätzung einer akuten Pankreatitis

Ein erhöhter Schweregrad der AP wird durch das transiente (< 48 h) oder persistierende (> 48 h) Organversagen sowie lokale oder systemische Komplikationen determiniert. In der klinischen Praxis hat sich zur Einteilung die revidierte Atlanta-Klassifikation (mild, moderat, schwer) bewährt [2]. Risikofaktoren (Alter, Komorbidität, Übergewicht) als auch klinische (SIRS[systemisches inflammatorisches Response-Syndrom]-)Kriterien und laborchemische Parameter (u. a. Hämatokrit, Serumharnstoff, C‑reaktives Protein, Leukozyten) können für prognostische Scoringsysteme herangezogen werden und sollten täglich überprüft werden. Unmittelbare Konsequenz ist die Wahl des stationären Settings (Normalstation, Intermediate Care oder Intensivstation) als auch des richtigen Krankenhauses, um Komplikationen im Krankheitsverlauf begegnen zu können. Patienten sollten bei Vorliegen prognostisch ungünstiger Marker (u. a. BUN [Blut-Harnstoff-Stickstoff] ≥ 25 mg/dl, Vigilanzminderung, SIRS-Kriterien, Alter > 55 Jahre, Pleuraerguss, BISAP[Bedside index of severity in acute pancreatitis]-Score ≥ 3, Acute Physiology And Chronic Health Evaluation[APACHE]-II-Score ≥ 8, Ranson-Score ≥ 3, Hämatokrit-Erhöhung [≥ 44 % beim Mann, ≥ 40 bei der Frau], Anstieg des Sequential Organ Failure Assessment[SOFA]-Scores um ≥ 2 Punkte) auf eine Intensivstation verlegt werden. Für Patienten, bei denen ein schwerer Verlauf der Pankreatitis absehbar oder anzunehmen ist, ist die Behandlung in einem Zentrum anzustreben, da dies mit einem besseren Outcome verbunden ist [19, 20]. Ein für AP spezialisiertes Zentrum sollte kontinuierlich über eine Intensivstation, eine diagnostische und interventionelle Radiologie, eine diagnostische und interventionelle Endoskopie und eine Chirurgie jeweils mit ständiger Verfügbarkeit und Expertise in der Behandlung der AP verfügen.

Bildgebung bei akuter Pankreatitis

Der bildgebenden Diagnostik kommt bei der AP eine große Bedeutung zu. In der Frühphase der Erkrankung können bildgebende Verfahren helfen, die Diagnose zu sichern bzw. wichtige Differenzialdiagnosen auszuschließen und Komplikationen wie Pleuraergüsse oder eine Cholestase zu erkennen. Jedoch wird gerade in der Frühphase der Erkrankung insbesondere die kontrastmittelverstärkte Computertomographie (CT) zu häufig angewandt. Bei typischen Beschwerden und signifikant 2‑ bis 3fach erhöhter Lipase im Serum ist eine Bildgebung zur Diagnosesicherung nicht notwendig. Sind Beschwerden und Laborkonstellation nicht eindeutig, ist die Sonographie die Bildgebung der Wahl. Wenn die Ultraschalluntersuchung nicht zu einem eindeutigen Befund führt, sollte die kontrastmittelverstärkte CT durchgeführt werden.

Besteht der klinische Verdacht auf Nekrosen oder andere Komplikationen, ist eine Bildgebung indiziert. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das volle Ausmaß von Nekrosen in der Frühphase der Erkrankung auch mit der CT nicht sicher diagnostiziert werden kann [4, 5, 16]. Im weiteren Verlauf kann bildgebend das Vorliegen von Nekrosen bestätigt und deren Ausmaß bestimmt sowie eine mögliche therapeutische Intervention geplant werden.

Nach AP unklaren Auslösers sollte im Intervall eine Endosonographie oder Magnetresonanztomographie (MRT) mit MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie) zum Ausschluss einer Choledocholithiasis oder Raumforderung erfolgen.

Volumen‑, Schmerz- und intensivmedizinische Therapie bei akuter Pankreatitis

Für die Prognose des Patienten spielt insbesondere die frühzeitige und adäquate Flüssigkeitstherapie eine Rolle [1, 3, 13, 14, 23, 24]. Solange keine zielgerichtete Volumentherapie durchgeführt werden kann, sollten initial 200–250 ml/h balancierter Vollelektrolytlösung zugeführt werden. Unter Annahme eines bereits initial bestehenden Flüssigkeitsdefizites kann eine initiale Bolusgabe sinnvoll sein. Die zielgerichtete Volumentherapie bei schwerer AP orientiert sich u. a. an BUN (bzw. Serumharnstoff), Hämatokrit und Parametern des erweiterten hämodynamischen Monitorings. Die Persistenz oder Rückbildung von Organversagen sowie der SIRS-Kriterien sollten zur Beurteilung des Ansprechens auf die initiale Volumentherapie herangezogen werden und zu einer kontinuierlichen Anpassung dieser führen.

Die Schmerztherapie sollte bei starken Schmerzen mit Opioiden (vorzugsweise mit Buprenorphin und Pethidin) durchgeführt werden. Dabei sollte besonders auf Darmparalyse und Atemdepression geachtet werden.

Steigender intraabdomineller Druck, intraabdomineller Hypertonus und intraabdominelles Kompartmentsyndrom sind schwerwiegende Komplikation der AP mit hohem Risiko des Organversagens und assoziierter Letalität.

Antibiotika, Probiotika und Ernährung bei akuter Pankreatitis

Obwohl die AP als primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse definiert ist, sind infektiöse Komplikationen im Krankheitsverlauf häufig und für die Prognose bedeutend. Eine prophylaktische Antibiotikatherapie sollte bei mildem Verlauf nicht erfolgen. Wird bei schwerem Verlauf mit nachgewiesener Bakteriämie, septischem Krankheitsbild oder Verdacht auf infizierte (peri)pankreatische Nekrose (Klinik, Labor und Bildgebung) eine antiinfektiöse Therapie begonnen, so kann bis zum Vorliegen eines Antibiogramms ein Carbapenem gewählt werden. Bei gleichzeitigem Nachweis einer invasiven Pilzinfektion soll eine antimykotische Therapie erfolgen. Eine selektive Darmdekontamination sowie Gabe von Probiotika können nicht generell empfohlen werden.

Eine enterale Ernährung kann zur Prävention infektiöser Komplikationen beitragen. Dies geschieht wahrscheinlich durch die Verhinderung einer schweren Katabolie und förderlichen Einfluss auf die Integrität der Darmmukosa. Bei der milden Pankreatitis soll dem Patienten innerhalb des ersten Tages nach Krankenhausaufnahme eine orale Kost angeboten werden. Eine enterale Ernährung bei schwerem Verlauf sollte so früh wie möglich mit hochmolekularer Sondenkost begonnen werden.

Akute biliäre Pankreatitis und Therapie biliärer Komplikationen

Die Diagnose einer biliären Pankreatitis ist wahrscheinlich, wenn eine Kombination aus Anamnese (bekanntes Gallensteinleiden, Familienanamnese, kolikartige Schmerzen), Laborparametern (erhöhte Transaminasen und Cholestaseparameter) und Bildgebung (Ultraschall, endoskopischer Ultraschalluntersuchung [EUS], MRT/MRCP, CT) vorliegt. Bei Gallengangerweiterung und erhöhten Cholestase- und Entzündungsparametern steigt die diagnostische Genauigkeit [9, 21]. Die klinische Abgrenzung zur begleitenden akuten Cholangitis ist schwierig und kann häufig nicht allein durch das Vorliegen der Charcot-Trias aus rechtsseitigem Oberbauchschmerz, Bilirubinerhöhung und Fieber ≥ 38,5 °C gestellt werden. Die primäre Bildgebung zur Darstellung der Gallenwege ist der transabdominelle Ultraschall, dieser kann bei Verdacht auf eine biliäre AP direkt in der Notaufnahme durchgeführt werden [15]. Bei anhaltendem Verdacht auf eine biliäre AP trotz fehlenden Nachweises einer Gallengangerweiterung im transabdominellen Ultraschall soll eine EUS oder MRCP durchgeführt werden, die rein diagnostische endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) ist obsolet. Die therapeutische ERCP mit Sphinkterotomie sollte bei biliärer AP nur bei Cholangitis, Nachweis einer Choledocholithiasis und/oder Gallengangobstruktion durchgeführt werden. Diese Untersuchung sollte bei AP und Cholangitis frühzeitig nach Krankheitsbeginn durchgeführt werden [22]. Der optimale Zeitpunkt der ERCP bei AP ohne Cholangitis ist derzeit anhand von Studien nicht abschließend geklärt.

Nach biliärer AP sollte eine Cholezystektomie durchgeführt werden. Bei mildem Verlauf sollte diese im Rahmen des initialen Krankenhausaufenthaltes durchgeführt werden. Bei schwerer (nekrotisierender) Pankreatitis bleibt der Zeitpunkt eine Einzelfallentscheidung und definiert sich durch die Verlaufsform.

Indikation, Zeitpunkt und Therapieverfahren bei infizierter Nekrose

Die multimodale, möglichst atraumatische Therapie der infizierten Pankreasnekrose erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen und sollte Zentren mit entsprechender Erfahrung in der interventionellen Endoskopie, Radiologie, Pankreaschirurgie und Intensivmedizin vorbehalten sein. Eine Intervention sollte bei klinischer Notwendigkeit (z. B. schwerem/septischem Verlauf) und fehlendem Ansprechen auf eine konservative Therapie erfolgen. Der endoskopische Zugangsweg (transgastrisch oder transduodenal) ist primär anzustreben und gleich effektiv wie ein perkutaner Zugangsweg, impliziert jedoch eine geringere Fistelrate und senkt die Krankenhausverweildauer [6, 7, 18]. Bei erschwertem endoskopischem Zugang sollte primär eine perkutane Drainage eingelegt werden, die je nach klinischem Verlauf mit einem flexibel endoskopischen oder einem starren, minimal-invasiv chirurgischen Verfahren kombiniert werden kann. Parallel zur Intervention sollte eine antibiotische Therapie erfolgen. Die Art der Intervention (alleinige Drainage, Spülung, Nekrosektomie) ist vom Erscheinungsbild des superinfizierten Verhalts abhängig. Ein offen chirurgisches Verfahren (Laparotomie) soll primär nur in Ausnahmefällen erfolgen. Zur endoskopisch gesteuerten Drainage einer infizierten (peri)pankreatischen Nekrose sollten Plastikstents oder sog. Lumen-Apposing-Metall-Stents (LAMS) eingesetzt werden.

Verlaufskontrolle nach akuter Pankreatitis

Folgenden Patienten sollte nach erster Episode einer AP eine strukturierte Nachsorge empfohlen werden: „nicht-milder“ Schweregrad unabhängig von der Ätiologie, alkoholinduzierte Pankreatitis, unklare Ätiologie und Alter über 40 Jahre, fehlende Beschwerdefreiheit nach Entlassung. Bei beschwerdefreien Patienten nach erster Episode einer nicht-milden AP sollten unabhängig von der Ätiologie 1‑mal jährlich eine klinische Untersuchung und Untersuchung auf exokrine und endokrine Insuffizienz mittels Stuhlelastase und HbA1c/Nüchternglukose durchgeführt werden. Patienten mit erster Episode einer AP, deren Ätiologie nicht bekannt ist und die über 40 Jahre alt sind, sollten spätestens 3 Monate nach Abheilung der Pankreatitis eine kontrastmittelgestützte Schnittbildgebung oder eine Endosonographie erhalten, um ein Pankreaskarzinom auszuschließen.