Gesundheitswesen 2023; 85(05): 462-470
DOI: 10.1055/a-1749-5591
Originalarbeit

Die Umsetzung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Kollektivversorgung und in die privatärztliche ambulante Versorgung

Reimbursement for New Examination and Treatment Methods of Outpatients: Comparison of Statutory Health and Private Medical Insurance
Anke Walendzik
1   Gesundheitspolitik, EsFoMed – Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Germany
,
Carina Abels
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universitat Duisburg-Essen – Campus Essen, Essen, Germany
,
Jürgen Wasem
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universitat Duisburg-Essen – Campus Essen, Essen, Germany
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel der Studie Hauptziel der Studie ist der Vergleich der frühesten Erstattungszeitpunkte neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in der ambulanten GKV-Versorgung und der PKV-Versorgung.

Methodik Im Rahmen der Erstattung im GKV System wurde auf die Beschlüsse und weitergehende Dokumentation des G-BA und des Bewertungsausschusses zurückgegriffen. Für die Erstattung im PKV System wurden Beschlüsse der einschlägigen Organe, wie bspw. des Zentralen Konsultationsausschusses für Gebührenordnungsfragen, aber auch Ausarbeitungen der Ärztekammer Nordrhein und des GOÄ-Arbeitskreise des PKV-Verbands herangezogen. Aufgreifkriterium waren einschlägige Beschlüsse des G-BA der Jahre 2010 bis 2019.

Ergebnisse Es wurden 17 Einzelbeschlüsse, zwei aus mehreren Einzelbeschlüssen bestehenden Beschlussreihen sowie Regelungen zur Erstattung von Companion Diagnostics einbezogen. Es ergaben sich unterschiedliche Zeitabstände zwischen Verfahrensbeginn und Eingang der neuen Methode in die GKV-Versorgung (14 bis 216 Monate). Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass bei einem Großteil der betrachteten Methoden die Erstattung in der PKV früher möglich war als in der GKV. Es zeigte sich weiterhin bei fünf Methoden eine potenzielle einzelvertragsbedingte Einschränkung der Erstattung in der PKV, aber in zwei Fällen auch die Erstattung durch die PKV bei für die im Verfahrensergebnis des G-BA ausgeschlossenen Leistungen.

Schlussfolgerung Die untersuchten NUB wurden in der Regel früher, teilweise erheblich früher in der PKV erstattet. Die frühere Erstattung durch die PKV impliziert jedoch auch ein Risiko, auch Leistungen zu erstatten, die vom G-BA im weiteren Verlauf als ohne medizinischen Nutzen bewertet werden. Legt man die Bewertung des G-BA als Maßstab zugrunde, könnte hiermit eine Verringerung der Kosteneffektivität der Versorgung und im Einzelfalle ein Patientenschaden durch Über- oder Fehlversorgung entstehen. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen frühem Zugang zu NUB (gerade bei sehr langer Dauer des G-BA Verfahrens) und (Kosten-) Effektivität und Sicherung der Versorgungsqualität.

Abstract

Aim of the study The aim of the study was to compare the timeliness of reimbursement for new examination and treatment methods in outpatient care in the social (SHI) and private insurance system (PHI) in Germany.

Methodology For the reimbursement in the SHI system, the decisions and further documentation of the Joint Federal Committee and the evaluation committee could be used. For the reimbursement in the PHI system, for example, the resolutions of the Central Consultation Committee for Fee Schedule Questions and those of the Fee Schedule Committee, but also evaluations of the North Rhine Medical Association and a working group of the German Association of PHI were used. Included were medical methods finally assessed for use in outpatient medical care by the Joint Federal Committee between 2010 and 2019.

Results A total of 17 individual resolutions, two series of resolutions consisting of several individual resolutions, and regulations concerning companion diagnostics were included. The time intervals between the start of the procedure and the introduction of the new method into the SHI system varied widely (14 to 216 months). At the same time, the study showed that for the majority of the methods, reimbursement in PHI was possible earlier than in SHI. Furthermore, five methods showed a potential limitation of reimbursement in PHI dependent on individual insurance contracts, but in two cases also reimbursement by PHI for services later assessed as without benefit by SHI.

Conclusion Medical procedures based on the included new methods in most cases were reimbursed in the PHI earlier than in the SHI system. However, this also implies a risk of reimbursing services that are subsequently assessed by the Joint Federal Committee as having no medical benefit. If the joint federal committee assessment is used as a benchmark, this could lead to a reduction in the cost-effectiveness of care and, in individual cases, to patient harm due to overuse or misuse of care. Thus, there is a conflict between early access to new examination and treatment methods (especially in the case of very long Joint Federal Committee procedures) and (cost) effectiveness and assurance of the quality of care.



Publication History

Article published online:
07 March 2022

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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