Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 27/21 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - MDK-Prüfverfahren - Auffälligkeitsprüfung - sachlich-rechnerische Prüfung - Behandlungsfall in 2016

Verhandlungstermin 22.06.2022 12:45 Uhr

Terminvorschau

Klinikum V. GmbH ./. VIACTIV BBK
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK) 2016 stationär wegen eines Schlaganfalls und berechnete hierfür 22 689,99 Euro nach Fallpauschale (DRG) B11Z unter Kodierung ua des OPS-Kodes 8-83b.80 (Therapeutische Katheterisierung und Kanüleneinlage in Gefäße unter Verwendung eines Mikrodrahtretriever-Systems zur Thrombektomie oder Fremdkörperentfernung) und Abrechnung des Zusatzentgelts (ZE) 133.01 (Perkutan-transluminale Fremdkörperentfernung und Thrombektomie an intrakraniellen Gefäßen unter Verwendung eines Mikrodrahtretriever-Systems). Die KK zahlte diesen Betrag zunächst, leitete anschließend jedoch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein zu den Fragen: “1. Ist/ sind die Prozeduren korrekt? 2. Sind die abgerechneten Zusatzentgelte korrekt?“. Der MDK bat das Krankenhaus um Übersendung “sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen, mindestens jedoch um Übersendung der folgenden Unterlagen“: “Arztbrief(e)/Entlassungsbericht(e), Fieberkurven komplett, Dokumente zum OPS/ZE: siehe unten, Sonstiges: Dokumentation zu Physiotherapie und Ergotherapie OPS9-200.*, ZE130.*, OPS8-83b.80, ZE133.01, Pflegebericht, Operations-, PTCA-, PTA-Bericht(e), Vollständige Pflegedokumentation/Dokumentation zum PKMS“ (Schreiben vom 16.6.2016). Der MDK beanstandete, dass der OPS-Kode 8-83b.80 aus dem Dokumentationsbogen nicht eindeutig hervorgehe und damit auch das ZE133.01 nicht abzurechnen sei. Die KK verrechnete den sich daraus ergebenden Differenzbetrag von 1637,98 Euro mit unstreitigen Vergütungsforderungen des Krankenhauses. Im Klageverfahren hat das SG die Patientenakte beigezogen, auf deren Grundlage der MDK das Vorliegen der Voraussetzungen des OPS-Kodes 8-83b.80 anhand des Interventionsprotokolls und der Chargenaufkleber bestätigte. Das SG hat die KK zur Zahlung von 1637,98 Euro nebst Zinsen verurteilt und die (für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung erhobene) Widerklage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der KK zurückgewiesen: Die Voraussetzungen für die Kodierung des OPS-Kodes 8-83b.80 und die Abrechnung des ZE133.01 seien erfüllt, was nunmehr zwischen den Beteiligten auch unstreitig sei. Der Abrechnung stehe auch nicht die Ausschlussregelung in § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 entgegen, da der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV 2014 nicht eröffnet sei. Diese gelte für Behandlungsfälle bis zum 31.12.2016 nur für Auffälligkeitsprüfungen. Hier habe es sich jedoch eindeutig um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt.

Die KK rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der PrüfvV 2014.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Gelsenkirchen - S 49 KR 606/17, 10.10.2019
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 KR 949/19, 30.04.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 22/22.

Terminbericht

Die Revision der beklagten KK hatte im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg. Der Aufrechnung der KK steht kein Aufrechnungsverbot entgegen, so dass eine Entscheidung über die für diesen Fall hilfsweise erhobene Widerklage weder im Revisionsverfahren noch im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu ergehen hat.

Die PrüfvV 2014 galt im Jahr 2016 auch für sachlich-rechnerische Prüfungen. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionsregelung. Ihrer Art nach konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen vorgelegt hat, dürfen auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden. Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, steht auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht fest.

Das LSG muss im wiedereröffneten Berufungsverfahren unter Anwendung des § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 erneut über den Vergütungsanspruch des Krankenhauses entscheiden. Es muss zunächst Feststellungen zu Beginn und Ende der Frist nach § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 treffen. Für den Fall, dass die ihrer Art nach konkret bezeichneten Unterlagen, die der MDK beim Krankenhaus angefordert hatte, aus vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen erst nach Ablauf der Frist dem MDK zugegangen sind, darf es diese Unterlagen nicht berücksichtigen. Welche Unterlagen durch den MDK ihrer Art nach jeweils konkret bezeichnet wurden, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen. Das LSG wird auch festzustellen haben, ob das Interventionsprotokoll ein OP-Bericht im Sinne der vom MDK ihrer Art nach konkret angeforderten Unterlagen ist. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere der medizinische Sprachgebrauch.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 22/22.

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