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Klinikum Erding: Teurer Stimmungsaufheller

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Hier grummelt’s: Trotz Millionen-Defizits nehmen Klinikum und Landkreis nun neues Geld in die Hand, um die Turbulenzen in der Pflege wieder zu befrieden. Landrat: Jeder ist gleich bedeutend 6,3 Millionen Euro Defizit in 2021 Güssow neuer Vize-Direktor
Hier grummelt’s: Trotz Millionen-Defizits nehmen Klinikum und Landkreis nun neues Geld in die Hand, um die Turbulenzen in der Pflege wieder zu befrieden. © Hans Seeholzer

Erding - Um die aufgebrachten Pflegekräfte im Klinikum Erding zu besänftigen und neue Kräfte zu finden, nehmen Krankenhaus und Landkreis Geld in die Hand. Ein Fünf-Punkte-Plan soll für mehr Mitarbeiterzufriedenheit sorgen. Im Management gab es Abmahnungen.

Als es um die Rettung des Euro ging, sprach der damalige EZB-Präsident Mario Draghi die drei historischen Worte: „Whatever it takes.“ Koste es, was es wolle – diese Devise gilt nun auch am Klinikum Erding. Um die aufgebrachten Pfleger zu besänftigen, sie ans Haus zu binden und neue Kräfte zu finden, nehmen Krankenhaus und Landkreis Geld in die Hand. Wie viel es sein wird, was auf das seit Jahren bestehende Millionen-Defizit draufgeschlagen werden muss, ist derzeit nicht absehbar.

Landrat: Jeder ist gleich bedeutend

Der Krankenhausausschuss hat am Montag, wie berichtet, mehrere Eimer Löschwasser gefüllt, um das Feuer im Klinikum einzudämmen. Und es sind deutliche Worte gefallen. Nach Informationen unserer Zeitung wurden sogar Abmahnungen gegen Führungskräfte ausgesprochen. Landrat Martin Bayerstorfer dementierte das im Gespräch mit unserer Zeitung nicht. Er stellte klar: „Im Klinikum ist jeder Mitarbeiter gleich bedeutend, die Krankenschwester ist genauso wichtig wie der Chefarzt.“ Und das hätten an der Bajuwarenstraße endlich alle zu begreifen.

Unseren Recherchen zufolge waren Pflegende bei ihrer Direktion mit ihren Beschwerden über Überlastung nicht nur abgeblitzt. Es sollen auch Sätze gefallen sein wie: „Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja gehen.“ Nun scheint für einige Verantwortliche das Eis dünn zu werden.

Der Ausschuss gab am Montag in nicht-öffentlicher Sitzung einem Fünf-Punkte-Rettungsplan Grünes Licht. Bayerstorfer kündigte im Gespräch mit unserer Zeitung vorerst bis Jahresende eine Notfallprämie von netto 150 Euro an. „Jeder, der wegen Krankheit einen zusätzlichen Dienst übernimmt, bekommt den Zuschlag.“ Das solle nicht nur Dankeschön, sondern auch Anreiz sein.

Zudem schlägt der Ausschuss dem Kreistag vor, die Erding-Zulage für das Klinik-Personal zu verdoppeln. „Damit erhalten Beschäftigte künftig 270 Euro pro Monat sowie 50 Euro pro Kind zusätzlich zu ihrem Tariflohn“, konkretisiert den Plan Landratsamtssprecherin Claudia Fiebrandt-Kirmeyer.

Drittens kündigte der Landrat an, „alles zu prüfen und zu unternehmen, damit wir am Klinikum eine Kinderbetreuung anbieten können, um insbesondere die von Schichtbetrieb betroffenen Mitarbeiter bestmöglich in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen zu können“, ergänzt seine Sprecherin. Bayerstorfer betont jedoch, er wolle keine Konkurrenz zu den kommunalen Kitas aufbauen.

Punkt vier ist die Einführung eines sogenannten alternativen Entgeltanreizsystem, das mit dem Personalrat ausgearbeitet werden solle. Ziel ist laut Fiebrandt-Kirmeyer, „die persönlichen Leistungen der einzelnen Mitarbeiter noch besser würdigen zu können“. Erste Überlegungen dazu sollen in einer der nächsten Sitzungen dem Gremium vorgestellt werden.

Nicht zuletzt wird eine Agentur beauftragt, die gezielt Personal für den Pflege- und Funktionsbereich am Erdinger Klinikum anwerben soll.

Wie viel dieses Paket Klinikum beziehungsweise Landkreis kosten wird, wurde nicht bekannt. Es wird ein Millionen-Betrag sein, denn im vergangenen Jahr summierte sich allein die Erding-Zulage laut Jahresrechnung auf über 1,4 Millionen Euro.

Im Krankenhausausschuss ging es auch um die Leistungsentwicklung in den ersten fünf Monaten. Von Januar bis Mai wurden 5972 Patienten stationär versorgt. Laut Klinikdirektor Dr. Dirk Last sind das 19,9 Prozent mehr als vor einem Jahr, aber 19,3 Prozent unter Plan. Nachdem die Corona-Intensivstation fast leer ist, hat laut Last auch die Fallschwere abgenommen, was sich negativ auf die Vergütung auswirke.

6,3 Millionen Euro Defizit in 2021

Der Direktor berichtete, dass im Klinikum Erding im ersten Quartal 2022 mehr Covid-Patienten versorgt worden seien als im gesamten Jahr davor. In einer anderen Veranstaltung am Montag hatte sich Bayerstorfer ob der nunmehr 195 Pandemie-Toten erschüttert gezeigt. Allein heuer seien es schon 42, mehr als im gesamten ersten Corona-Jahr 2020. Das Klinikum befindet sich nach Angaben Lasts „noch unter dem Plan“, was auch der Personalnot geschuldet sei. „Wir tun uns sehr schwer, Stellen zu besetzen.“ Das gelte auch für neu geschaffene.

Mit Blick auf die Jahresrechnung scheint das kommunale Krankenhaus mit einem blauen Auge durch das Jahr 2021 gekommen zu sein. Last berichtete zwar von einem Defizit von 6,3 Millionen Euro. Das operative Ergebnis weise allerdings nach Abzug der Erding-Zulage, nicht geförderter Abschreibungen, nicht bezuschusster Instandhaltungsbauarbeiten sowie aufgrund von Sondereffekten gebildeten Rückstellungen ein Defizit von „nur“ 2,5 Millionen Euro aus.

Güssow neuer Vize-Direktor

Zu den Rückstellungen erklärte er, es gebe noch Abstimmungsbedarf mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen bei der Schmerztherapie und der Notfallversorgung. Last geht jedoch davon aus, dass hier noch Einigungen erzielt werden könnten und Rückzahlungsansprüche dann entfielen. Last gab zu, dass die Ausgleichszahlungen des Bundes in der Corona-Pandemie für das Freihalten von Betten die Bilanz maßgeblich mit gerettet hätten.

In turbulenten Zeiten ein verantwortungsvolles Amt tritt Dr. Jan Güssow an. Seit 1. Juli ist der kaufmännische Leiter auch stellvertretender Klinikdirektor. » BAYERN

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