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"Wir bewegen uns in einer Planwirtschaft"

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Varisano-Geschäftsführer Martin Menger im Gespräch mit Barbara Schmidt.
Varisano-Geschäftsführer Martin Menger im Gespräch mit Barbara Schmidt. © Maik Reuß

Varisano-Kliniken rechnen mit Defizit von 8 bis 10 Millionen Euro - Manager beklagt Bürokratismus

Hofheim/Höchst. Die Entwicklung war absehbar und für 2021 sogar eher schlimmer erwartet worden: Landrat Michael Cyriax (CDU) hatte bei der Präsentation des Kreishaushalts für 2022 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 7,5 Millionen Euro für Verluste der Kliniken veranschlagt. Auf Nachfrage dieser Zeitung, wie hoch am Ende das Kliniken-Minus in der Bilanz für 2021 ausgefallen ist, wollte Martin Menger, Sprecher der Geschäftsführung im Konzern Varisano mit den beiden Kliniken des Main-Taunus-Kreises in Hofheim und Bad Soden und dem Krankenhaus Höchst als Schwergewichten, allerdings keine exakten Zahlen nennen.

Als "Bandbreite" für das Defizit gibt Menger "acht bis zehn Millionen" Euro für das vergangene Geschäftsjahr an. Das Minus verteile sich "ungefähr gleich auf beide Häuser", also das vom Gesellschafter Stadt Frankfurt getragene Klinikum Höchst und die Main-Taunus-Kliniken. Der MTK wird also vier bis fünf statt der erwarteten 7,5 Millionen Euro zur Deckung der Lücke an Varisano überweisen müssen.

"Das enttäuscht auch einen Geschäftsführer"

Die Entwicklung ärgert den erfahrenen Krankenhausmanager sichtlich. Immerhin sei der Konzern "ganz gut unterwegs in Richtung schwarze Null" gewesen - was ja auch 2016 Zielvorgabe seiner Gründer war. Zwar habe man seither durch intelligente Veränderungsschritte für Minderausgaben im mittleren einstelligen Millionenbereich sorgen können, blickt Menger zurück, "doch das wird zurzeit alles mehr als aufgefressen und das enttäuscht auch einen Geschäftsführer", sagt der 63-Jährige. Auf 35 Berufsjahre blickt Menger mittlerweile zurück und ist sicher, insgesamt sei die Lage für die Kliniken in Deutschland "noch nie so schwierig" gewesen wie aktuell. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat daher schon dringend wirtschaftliche Hilfe angemahnt und vor Klinik-Pleiten gewarnt.

Überall macht sich die Inflation bemerkbar

Für die Behandlung von Covid-Patienten und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Klinik-Betrieb erhielten die Krankenhäuser nach anfänglich großzügigen Ausgleichsregelungen in 2020 im Jahr darauf deutlich weniger Geld vom Bund. Hinzu kamen höhere Personalkosten aufgrund tariflicher Veränderungen - denen aber eben keine höheren Erlöse gegenüberstanden. Auch bei Varisano konnten die Patientenzahlen von 2019 bislang noch nicht wieder erreicht werden, wie Menger ohne Nennung konkreter Werte einräumt. Für das laufende Jahr verzeichne der Konzern "leicht steigende Zahlen", so der Geschäftsführer. Doch die positive Entwicklung werde nicht ausreichen, um aufzufangen, was zugleich auf der Kostenseite passiere.

Von der Essensversorgung bis zur Anschaffung von medizinischem Gerät, überall macht sich die Inflation bemerkbar. Und auch die Kliniken haben die steigenden Preise für Energie zu schultern, in jedem Krankenhaus ein ohnehin großer Kostenfaktor. Halte die aktuelle Entwicklung an, rechne er mit zwei bis drei Millionen Euro Mehrkosten allein für Energie, macht Menger deutlich.

Hinzu kommt ein leer gefegter Markt für Pflegekräfte, der immer häufiger zum Einsatz von geleastem Personal führt. Eine Entwicklung, die der Manager kritisch sieht, weil sie die Krankenhausbetreiber deutlich mehr Geld kosten, ohne dass es dafür einen Ausgleich von den Kostenträgern gäbe. Die Firmen lockten junges Fachpersonal mit höheren Anfangsgehältern, und die Firma, die die Pflegekräfte zur Verfügung stelle, wolle ja mitverdienen. Leih-Kräfte bedeuten zudem einen zusätzlichen Aufwand auch für die Verwaltungen. Der "überbordende Bürokratismus" zählt nach Einschätzung des erfahrenen Krankenhausexperten Menger ohnedies zu den Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen. Für ihn steht mittlerweile fest: "In der Gesundheitswirtschaft und in der Krankenhaus-Landschaft bewegen wir uns in einer Planwirtschaft mit hochdefizitären Ansätzen." Spielräume, wie sie früher noch existiert hätten, gebe es im Grunde nicht mehr. "Sie können nicht mehr richtig gestalten", beklagt Menger.

Die aktuelle Entwicklung werde einige Krankenhäuser vor Existenzprobleme stellen, glaubt auch Menger. Für Varisano sieht er diese Gefahr nicht. "Wir sind so liquide und stark aufgestellt, dass alle Standorte am Netz bleiben und betrieben werden", ist Menger sicher. Was seine eigene Zukunft betrifft, hält sich der Niedersachse übrigens noch bedeckt. Sein Fünf-Jahres-Vertrag, den der Aufsichtsrat dem Vernehmen nach gern verlängern möchte, läuft im kommenden Frühjahr aus. Ob er bleibt? Dazu, sagt Menger, sei man derzeit im Gespräch.

EXTRA: Kliniken und Pflegedienstdirektor trennen sich

Der Gesundheitskonzern Varisano und der Pflegedienstdirektor der Kliniken im Main-Taunus-Kreis, Karsten Preissler, gehen in Zukunft getrennte Wege. Das bestätigte Geschäftsführungs-Sprecher Martin Menger auf Anfrage dieser Zeitung. Das Arbeitsverhältnis sei in beiderseitigem Einvernehmen aufgehoben worden. Zu den Gründen gibt es keine Angaben. Der 50 Jahre alte Preissler war seit 1994 bei den Main-Taunus-Kliniken beschäftigt, wo er zunächst in der Fachkrankenpflege für Intensivmedizin und Anästhesie tätig war. Seit Januar 2016 war Preissler Pflegedienstdirektor.

Die Führungsriege von Varisano verlassen hat zudem Manuel Zelle. Der 39-Jährige, der sich als Diplom-Kaufmann früh aufs Gesundheitswesen spezialisiert hat, war er als Konzernbereichsleiter Finanzen und Controlling sowie als Geschäftsführer für die Medizinischen Versorgungszentren im Klinikverbund tätig. Zelle ist seit dem 1. Juni neben Ralph von Follenius weiterer Geschäftsführer der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist, die das gleichnamige Klinikum und das Nordwest-Krankenhaus in Frankfurt betreibt. Für beide Positionen seien Nachbesetzungen in Arbeit, so der Geschäftsführer. babs

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