StartseiteRegionalNeubrandenburgSPD-Abgeordnetem ist diese Beschwerde „durchgerutscht”

Neubrandenburger Frühchenstation

SPD-Abgeordnetem ist diese Beschwerde „durchgerutscht”

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Erik von Malottki (SPD) sitzt im Petitionsausschuss und für die Region Neubrandenburg im Bundestag. Doch eine wichtige Entscheidung hat er gar nicht mitbekommen, erklärt er.
Veröffentlicht:26.07.2022, 06:01

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Einigermaßen zerknirscht und überrascht zeigte sich Erik von Malottki – Bundestagsabgeordneter der SPD und auch Vertreter für die Stadt Neubrandenburg in Berlin –, als ihn der Nordkurier auf die Entscheidung des Petitionsausschusses ansprach. Dieser hat eine von knapp 5000 Menschen unterschriebene Petition zum Erhalt des Level-1-Perinatalzentrum, also der Frühchenstation am Klinikum Neubrandenburg, gerade abgelehnt.

Abstufung einer Klinikstation droht

Der Einrichtung droht in Neubrandenburg die Schließung, da hier pro Jahr weniger als25 Neugeborene mit einem Gewicht von unter 1250 Gramm zur Welt kommen. Die Klinikmitarbeiter erhofften sich von der Petition ein Umdenken in der Bundeshauptstadt, um die medizinische Versorgung im dünn besiedelten Raum nicht weiter einzuschränken.

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Und von Malottki? Der hatte sich vor und nach der vergangenen Bundestagswahl, bei der er den Wahlkreis um Neubrandenburg gewann, für den Erhalt stark gemacht, sitzt selbst im Petitionsausschuss. Wie konnte es dann zu so einer Entscheidung kommen?

„Tut mir leid, dass ich nicht dafür kämpfen konnte”

„Ich wusste von dieser Petition nichts“, räumt der Bundestagsabgeordnete ein. Bis zu ihm sei sie gar nicht vorgedrungen, es tue ihm leid, dass „ich nicht dafür kämpfen konnte“. Dass er als Ausschussmitglied die Petition gar nicht erst zu sehen bekam, liegt an der Systematik, wie im Bundestag mit den Petitionen umgegangen wird. Exakt 12.606 Bürgeranliegen erreichten den Ausschuss und seine 31 Mitglieder. Doch nicht jede einzelne wird auch behandelt. Zuvor kümmern sich zwei Ausschussmitglieder als „Berichterstatter“ um die Anliegen – einer von der Regierungskoalition, einer von der Opposition, aufgeteilt nach Themenbereichen.

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Im Falle des Perinatalzentrums kamen die beiden von der FDP und von der CDU – und diese beiden Mitglieder waren sich offenbar einig, dass es für Neubrandenburg keine Ausnahmeregelung braucht, da die durch Studien angeführte Qualitätssicherung bei Mindestmengen schwerer wiegt. Und im Umkehrschluss das Risiko einer Fehlbehandlung zu groß wäre.

Vertreterin der Linksfraktion passte offenbar besser auf

„Sind sich die beiden Berichterstatter einig, egal ob sie der Forderung zustimmen oder sie ablehnen, wird die Petition nur noch in Aufstellungen behandelt“, gibt Erik von Malottki Einblick in die Ausschussarbeit. Heißt: Die Petitionen werden im Block abgestimmt, in diesem Fall schloss der Ausschuss 27 Petitionen auf einmal ab. Dabei rutschte das Neubrandenburger Anliegen mit durch.

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Eine Ausrede, die der Linksfraktion nicht reicht. Wohl, weil sie selbst genauer hingeschaut und nach Angaben der Greifswalder Bundestagsabgeordneten Ina Latendorf gegen den Abschluss der Petition gestimmt hat. „Wir sind der Auffassung, dass die medizinische Versorgung auch in den ländlichen Regionen gewährleistet sein muss und hier eine Ausnahmeregelung hätte gefunden werden müssen“, betont die Politikerin aus MV, die ebenfalls im Petitionsausschuss sitzt. Alle anderen Fraktionen hätten sich hier einheitlich gegen die Petition positioniert, gibt Latendorf ihre Sichtweise wieder.

Bitte um Info per Mail bei Petitionen aus MV

Eine Einzelberatung statt einer Auflistung in einem Sammelbeschluss hätte es für die Petition übrigens nur gegeben, wenn sich die beiden Berichterstatter uneins gewesen wären. Dann wird eine Petition einzeln im Ausschuss beraten. Das schafften von den mehr als 12 600 Petitionen 2021 gerade mal 368 Stück.

„Wenn ich gewusst hätte, dass so eine Petition behandelt wird, hätte ich mich auch aktiv als Berichterstatter melden können“, betont von Malottki. Mittlerweile habe er dafür gesorgt, dass er bei allen Petitionen aus der Mecklenburgischen Seenplatte und Mecklenburg-Vorpommern mit einbezogen wird, bittet dennoch künftige Petenten, ihn per Mail zu informieren, damit er sich aktiv einsetzen könne.

Malottki sieht noch eine Chance des Eingreifens

Ist für das Frühchenzentrum aber nun alles zu spät? „Nicht unbedingt, ich habe schon einen Plan“, sagt der SPD-Politiker. Darüber habe er sich mittlerweile auch schon mit Klaus Gryzbeck, dem Einreicher der Petition, ausgetauscht. Denn dem Ausschuss sei ein Fehler unterlaufen.

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Neben der Petition erhalten die Berichterstatter immer noch eine Einschätzung des zuständigen Ministeriums zu dem Anliegen. Doch im Falle der Frühchenstation sei auf eine Stellungnahme des „alten“, noch durch CDU-Minister Jens Spahn geführten Gesundheitsministerium zurückgegriffen worden.

„Dazwischen waren aber eine Wahl und eine Neubesetzung, so etwas muss berücksichtigt werde“, sagt von Malottki. Deswegen müsse die Petition neu behandelt werden.