L 11 KR 476/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 50 KR 2264/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 476/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 62/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt im Berufungsrechtszug die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.017,11 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig sind stationäre Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 5.017,11 €.

Am 8. November 2018 ging beim Sozialgericht (SG) Duisburg – auf dem Postwege - ein als „Klage“ bezeichnetes Schreiben der Klägerin gegen die Beklagte ein, mit welchem die Rückzahlung von Behandlungskosten in Sachen S (geb. 00.00.1951, im Folgenden: der Versicherte) für den stationären Aufenthalt vom 18. August 2014 bis 1. Oktober 2014 in Höhe von 5.017,11 € geltend gemacht wurde, die zuvor ergebnislos seitens der Klägerin von der Krankenhaus R GmbH eingefordert worden war (Schreiben vom 24. Oktober 2018).

In der Klageschrift ist als „Leistungserbringer IK“ angegeben: „01, Krankenhaus R“. Das Schreiben enthält keinen Briefkopf, kein Datum, keinen Verfassernamen und auch keine Unterschrift. Zudem sind im Text einzelne Passagen grau hinterlegt. Als Empfänger des Schriftsatzes ist „Sozialgericht Duisburg, Fax 2033005314“ vermerkt.

Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2019 hat die Beklagte die Passivlegitimation gerügt. Die Klage richte sich auf die Rückforderung von Behandlungskosten im Krankenhaus R. Trägerin sei die Krankenhaus R GmbH. Die Klägerin habe die A GmbH verklagt, mithin die falsche GmbH.

Mit Schriftsatz vom 25. März 2019 haben sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestellt und die Auffassung vertreten, dass ein Fall der zulässigen Rubrumsänderung vorliege. Mit der ursprünglichen Klageschrift sei die A GmbH verklagt worden. Diese sei nicht passivlegitimiert und damit eine unzutreffend bezeichnete Beklagte. Im Wege der Auslegung der ursprünglichen Klageschrift ergebe sich aber unmissverständlich, dass nicht die A GmbH habe verklagt werden sollen, sondern das Krankenhaus R GmbH. Die Klägerin habe im ursprünglichen Klagerubrum die „Leistungserbringer IK“ wie folgt angegeben: „01, Krankenhaus R“. Bekanntlich werde jedem Krankenhaus eine IK-Nummer zugeordnet. Die IK-Nummer 01 sei der Krankenhaus R GmbH und damit der richtigen Beklagten zugeordnet. Zudem habe die Klägerin auch die Ergänzung „Z Krankenhaus“ aufgenommen. In der Klagebegründung sei zudem die Rede vom „Krankenhaus der Beklagten“. Die A GmbH habe aber keine eigenen Krankenhäuser. Ersichtlich habe die Klägerin damit den Rechtsträger des Krankenhauses verklagen wollen, in dem der Versicherte S zwischen dem 18. August 2014 und 1. Oktober 2014 behandelt worden sei. Dies sei das Krankenhaus R. Diese Ansicht werde durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 30. Januar 1997 (I B 69/96) bestätigt. Hilfsweise handele es sich um eine sachdienliche Klageänderung. Die maßgeblichen Rechtsfragen blieben identisch. Der Rückforderungsstreit könne in einem Prozess endgültig beigelegt werden. Im Falle des Beklagtenwechsels wirke die Klageänderung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück. Im Übrigen würde selbst eine Unbegründetheit einer geänderten Klage die Annahme der Sachdienlichkeit nicht hindern. Vor dem Hintergrund der aus Sicht der Klägerin verfassungswidrigen Einfügung der Vorschrift des § 325 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei bei der Auslegung der Klageschrift zu berücksichtigen, dass alle betroffenen Krankenkassen innerhalb von wenigen Tagen gezwungen gewesen seien, tausende offene Ansprüche einzuklagen. Daher dürfe es nur allzu verständlich sein, wenn in Einzelfällen bei der Benennung des richtigen Beklagten Flüchtigkeitsfehler unterlaufen seien. Die Rückforderung der Krankenhausbehandlungskosten sei auch begründet, da von der Gesamtverweildauer von 44 Tagen lediglich 37 medizinisch indiziert gewesen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

das Rubrum von Amts wegen dahingehend zu ändern, dass als Beklagte die Krankenhaus R GmbH, T-Straße 30, R, vertreten durch die Geschäftsführung geführt wird,

hilfsweise sinngemäß,

die Klage im Wege der Klageänderung auf die Krankenhaus R GmbH, T-Straße 30, R, vertreten durch die Geschäftsführung umzustellen;

und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.017,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Einer „Rubrumsänderung“ werde nicht zugestimmt, denn eine solche würde zu einem Beteiligtenwechsel führen. Die Klägerin habe auch nicht die Krankenhaus R GmbH unzutreffend bezeichnet, sondern klar und eindeutig die A GmbH als Beklagte benannt, in der irrigen Auffassung, diese sei Trägerin des Krankenhauses R. Die Krankenhaus R GmbH trete als Krankenhausträgerin im Rechtsverkehr in Erscheinung, was der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten hinreichend bekannt sei, da Hunderte von Klageverfahren gegen die Krankenhaus R GmbH geführt würden. Zudem seien weder die A GmbH noch die Krankenhaus R GmbH mit einer Klageänderung einverstanden. Eine solche sei auch nicht sachdienlich, da ein neuer Prozess, der vermieden werden solle, ohnehin ausgeschlossen sei, da die geltend gemachte Forderung bei einem neuen Klageverfahren gegen die richtige Beklagte verjährt sei. Bei einem Parteienwechsel bestehe keine Rückwirkung. Im Übrigen sei vorliegend keine wirksame Klageerhebung erfolgt, da die Formatierung des Schriftstücks dafür spreche, dass dieses lediglich ein noch nicht zu Ende bearbeiteter Entwurf einer Klage sei, aber noch keine Klage willentlich in den Rechtsverkehr habe gelangen sollen. Insofern werde auf die ergangenen Entscheidungen des SG Duisburg vom 2. Juli 2019 (S 17 KR 2268/18) und 18. Juli 2019 (S 9 KR 2266/18) verwiesen.

Mit Schriftsätzen vom 24. Februar 2020 und 3. März 2020 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das den Beteiligten am 29. Juni 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juli 2020 Berufung eingelegt: Die Ansicht des SG, es habe sich lediglich um einen Klageentwurf gehandelt, überzeuge nicht. Im allein maßgeblichen Zeitpunkt – der gerichtlichen Entscheidung – sei von einer ordnungsgemäßen Klage auszugehen. Zudem habe das SG die Klage selbst in der Eingangsverfügung als solche anerkannt. Auch aus den grau unterlegten Textpassagen lasse sich nicht anderes schließen. Schließlich handele es sich um einen vollständigen und sinngebenden Text. Eine Unterschrift sei bereits nach § 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zwingend notwendig. Das Gesetz schreibe auch weder einen Briefkopf noch eine Gerichtsanschrift für die wirksame Erhebung vor. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin innerhalb von nur zwei Tage habe handeln müssen, hätte sich dem SG der Eindruck einer förmlichen Klageerhebung aufdrängen müssen. Es entspreche auch nicht der Lebenswirklichkeit, dass innerhalb weniger Tage 88 Klagen lediglich versehentlich an das SG versandt würden. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren bisherigen Vortrag.

Die Klägerin weist darauf hin, dass der erstinstanzlich noch gestellte hilfsweise Antrag auf Klageänderung nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Sie beantragt,

das Rubrum von Amts wegen zu ändern und Krankenhaus R GmbH, vertreten durch die Geschäftsführung als Beklagte zu führen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.017,11 € zzgl. Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 1. Februar 2022). Davon haben die Beteiligten Gebrauch gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gestellt worden. Soweit die Bevollmächtigten der Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend gewesen sind, sondern von ihren Kanzleisitzen aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, ist dies gemäß § 110a SGG aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 1. Februar 2022 zulässig gewesen.

II. Die am 23. Juli 2020 schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 29.Juni 2020 zugestellte Urteil des SG Duisburg vom 19. Juni 2020 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63 SGG).

III. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die erhobene Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist zunächst die richtige Klageart (BSG, Urteile vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R – jeweils juris). Es handelt sich um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).

Die Klage ist ordnungsgemäß erhoben worden. Gemäß § 90 SGG ist die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Die Klageerhebung ist dabei Prozessvoraussetzung, und eine nicht wirksam erhobene Klage ist unzulässig (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 90 Rn. 9). Eine Nachholung ist möglich, hat aber zur Folge, dass eine Heilung erst ex nunc eintritt (Schmidt a.a.O.). Ob eine Klage erhoben werden soll, ist dabei durch Auslegung zu ermitteln, wobei es maßgeblich darauf ankommt, dass das Ziel der Überprüfung durch ein Gericht verständlich gemacht wird. Nicht ausreichend ist dabei die bloße Ankündigung einer Klage (Schmidt, a.a.O., Rn.4a, m.w.N.; BSG, Urteil vom 3. Juli 1962 – 7 RKg 15/59, Rn. 16). Aus dem bei Gericht eingereichten Dokument muss der Wille, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen, erkennbar sein (vgl. Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2014, § 90 Rn. 6).

Bei Auslegung der vorliegenden Klageschrift vom objektiven Empfängerhorizont aus ist nicht erkennbar, dass es an dem Willen der Klägerin gefehlt haben könnte, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Zwar war das Dokument bei Eingang nicht unterzeichnet. Jedoch ist eine Unterschrift grundsätzlich nicht erforderlich (§ 92 Abs. 1 Satz 3 SGG „soll […] unterzeichnet sein“.), solange sich aus dem Schriftstück ergibt, wer die Klage erhoben hat und solange keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Klage ohne Willen des Klägers in den Verkehr gelangt ist (Schmidt a.a.O. Rn. 5a; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 17. Oktober 1968 – II C 112.65 –, BVerwGE 30, 274; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen [OVG NRW], Beschluss vom 16. August 2007 – 18 E 787/07NVwZ 2008, 344). Es ist auch noch nachträglich möglich, zu verdeutlichen, wer die Klage eingereicht hat, so dass die fristwahrende Wirkung der Klage erhalten bleibt (Schmidt a.a.O. Rn. 5a).

Die Klägerin sowie eine Beklagte sind im Rubrum des Schriftstücks erkennbar. Zwar könnte die Formatierung dafür sprechen, dass das am 8. November 2018 eingegangene Schriftstück lediglich ein noch nicht zu Ende bearbeiteter Entwurf einer Klage sein sollte. Die graue Hinterlegung einzelner Textpassagen und der fehlende Briefkopf könnten insofern von einer noch nicht abgeschlossenen, serienbrief- und formularmäßigen Bearbeitung zeugen und den Eindruck erwecken, dass die Textverarbeitung noch nicht abgeschlossen gewesen sein könnte. Allerdings ist das Schriftstück bei dem zuständigen Gericht eingegangen. Ob dies nunmehr – wie zunächst scheinbar beabsichtigt gewesen ist – per Telefax oder auf anderem Weg geschieht, ist unerheblich. Aus der alleinigen Angabe der Faxnummer des SG Duisburg statt des zusätzlichen Adressfeldes – wie es im Übrigen auch bei Faxsendungen üblich ist – zu schließen, dass eine Klageeinreichung ausschließlich per Fax gewollt gewesen sei, wäre Spekulation. Gleiches gilt für das Fehlen der in Bezug genommenen Verwaltungsakte. Diese war für die Klageerhebung nicht notwendig. Zudem sind bei einer Klageerhebung kurz vor Fristablauf plausible Gründe denkbar, weshalb sich die Klägerin kurzfristig vor der Klageübermittlung gegen eine Übersendung der Verwaltungsakte entschlossen hat. Ein stichhaltiger Rückschluss auf den Willen der Klägerin lässt sich daraus nicht ziehen. Die Klägerin hat auch zu keiner Zeit vorgetragen, dass der Eingang der Klage nicht beabsichtigt gewesen sei. Die fehlende Unterschrift unter der Klageschrift ist zudem unschädlich. Es ist hinreichend erkennbar, wer Klage erhoben hat.

2. Die Leistungsklage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung überzahlter Krankenhausvergütung zu. Die Klage richtet gegen die falsche Beklagte [dazu unter a)]. Eine Einbeziehung der „Krankenhaus R GmbH“ in das Verfahren scheidet aus [dazu unter b)].

a) Die derzeitige Beklagte ist – unstreitig - nicht passivlegitimiert (Klage in diesem Fall unzulässig: BFH, Beschluss vom 13. Mai 2014 – XI B 129-132/13, XI B 129/13, XI B 130/13, XI B 131/13, XI B 132/13 – juris, Rn. 13 m.w.N; Guttenberger in: jurisPK-SGG, 2017, § 99 Rn. 57; Klage unbegründet: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2021 – L9 KR 370/19 – juris). Die dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrunde liegende stationäre Behandlung des Versicherten erfolgte nicht durch die Beklagte, sondern im Hause der Krankenhaus R GmbH.

b) Eine Rubrumsberichtigung auf Beklagtenseite in „Krankenhaus R GmbH“ kommt nicht in Betracht [dazu unter aa)]. Ein Beteiligtenwechsel im Sinne einer subjektiven Klageänderung i.S.v. § 99 SGG wird durch die Klägerin im Berufungsverfahren nicht (mehr) geltend gemacht [dazu unter bb)].

aa) Eine Berichtigung der Bezeichnung der Beklagten in „Krankenhaus R GmbH“ im Rahmen einer von Amts wegen durchzuführenden Rubrumsberichtigung scheidet aus.

(1) Die Fallgruppe der Rubrumsberichtigung nach Urteilserlass kommt nicht in Betracht (vgl. dazu Keller a.a.O., § 138 Rn. 3b; BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – I ZB 83/06 – juris).

(2) Von der Berichtigung nach § 138 SGG zu unterscheiden ist die Berichtigung der Beteiligtenbezeichnung vor Urteilserlass durch einen Beteiligten, insbesondere des Passivrubrums durch den Kläger (BSG, Urteil vom 10. März 2011 – B 3 P 3/10 R – juris; Keller a.a.O.). Darunter fallen z.B. unrichtige Angaben bzgl. des Beteiligten (BSG, Urteil vom 10. März 2011 – a.a.O. einer Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde statt der juristischen Person des öffentlichen Rechts; BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 6 KA 27/06 R – juris zum Mitgliederwechsel in GbR; BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 44/11 R – juris neue BAG aus zwei der verbliebenen Mitglieder der früheren Gemeinschaft bei weiterer Tätigkeitsausübung in denselben Praxisräumen) oder Funktionsnachfolge/Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. Schmidt a.a.O., § 99 Rn. 6a mit diversen Nachweisen). Ein solcher Fall liegt hier gleichfalls nicht vor, denn die Klägerin begehrt bereits keine Berichtigung der Bezeichnung der Beklagten, sondern ihre Auswechslung durch eine andere juristische Person. Mithin läge keine irrtümliche Falschbezeichnung, sondern ein Irrtum über die Trägerschaft vor. Bleibt aber der Beteiligte nicht derselbe, liegt keine Berichtigung vor, sondern ein gewillkürter Beteiligtenwechsel (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2021 – a.a.O., Rn. 15).

Wer Beklagter i.S. des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG eines Rechtsstreits ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift gewählten Beteiligtenbezeichnung, die als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Maßgebend ist, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus der Sicht der Empfänger beizulegen ist. Deshalb ist bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als Beteiligter anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Beteiligtenbezeichnung betroffen werden soll. Für die Ermittlung der Beteiligten durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen den in Wahrheit gemeinten Beteiligten nicht an dessen fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welcher Beteiligte tatsächlich gemeint ist (BAG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 AZR 573/05, Rn 24; BAG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 AZR 692/02). Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Beteiligter; diese wird Beteiligte, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGH, Urteil vom 10. März 2011 – VII ZR 54/10BauR 2011, 1041; BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – VII ZR 128/12 – juris m.w.N.; BAG, Urteil vom 21. September 2006 – a.a.O.). Entscheidend ist hierbei, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners als Empfänger hat (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 – IX ZB 136/06; BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – a.a.O., m.w.N.). Eine Änderung des Rubrums einer Klageschrift ist insofern möglich, sofern für Gericht und Gegner von Anfang an klar erkennbar ist, wer durch die unrichtige Parteibezeichnung als Beteiligter angesprochen werden sollte (BFH, Beschluss vom 13. Mai 2014 – a.a.O. – juris, Rn. 16 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darf eine Klageerhebung nicht an fehlerhaften oder unvollständigen Bezeichnungen der Beteiligten scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen können (BVerfG, Beschluss vom 9. August 1991 – 1 BvR 630/91NJW 1991, 3140).

Bei einer an sich korrekten Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person kommt mithin ein objektives Verständnis, eine andere Person sei gemeint, nur in Betracht, wenn aus dem übrigen Inhalt der Erklärung unzweifelhaft deutlich wird, dass eine andere und welche Beteiligte tatsächlich gemeint ist (BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – a.a.O.; ähnlich in der Argumentation: BFH, Beschluss vom 13. Mai 2014 – a.a.O. – juris, Rn. 14f. m.w.N.). Diese Erwägungen sind auch auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragbar.

Bei der beklagten GmbH und der Krankenhaus R GmbH handelt es sich zunächst unzweifelhaft um zwei unterschiedliche juristische Personen. Eindeutig hat die Klägerin damit im Rubrum eine bestimmte GmbH als Beklagte bezeichnet. Anhaltspunkte für eine passive Prozessführungsbefugnis der Beklagten ergeben sich nicht und wurden auch nicht vorgetragen. Soweit die Klägerin nunmehr vorträgt, dass sich im Wege der Auslegung zweifellos ergebe, dass diese Bezeichnung falsch gewählt worden sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

Zunächst verleiten die Firmierungen beider GmbHs nicht zu Verwechslungen (vgl. römisch bezifferte Finanzämter einer Großstadt: BFH, Beschluss vom 13. Mai 2014 – a.a.O. – juris, Rn. 19). Zwar ist die Anschrift dieselbe; die Firmierung selbst ist indes nicht verwechselbar. Große Ähnlichkeit weist demgegenüber die Firmierung der tatsächlichen Trägergesellschaft zum behandelnden Krankenhaus auf. Wählt die Klägerin gerade eine andere juristische Person als Beklagte aus, spricht dies vom objektiven Empfängerhorizont gegen eine Verwechslung und für eine bewusste – wenn auch falsche – Entscheidung, die die Klägerin als Herrin des Verfahrens getroffen hat.

Die IK-Nr. bezeichnet lediglich den Leistungserbringer, mithin nach Vortrag der Klägerin das behandelnde Krankenhaus. Die IK-Nr. basiert für Krankenhäuser auf § 293 Abs. 6 SGB V. Dadurch werden der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verpflichtet, ein Verzeichnis für zugelassene Krankenhäuser und ihre Ambulanzen zu führen. Das Verzeichnis nach Abs. 6 soll unter anderem Kennzeichen zum Standort und das Institutionskennzeichen der Krankenhäuser enthalten. Die Krankenhäuser verwenden die im Verzeichnis enthaltenen Kennzeichen u.a. zu Abrechnungszwecken, für Datenübermittlungen an die Datenstelle nach § 21 Abs. 1 KHG, die Kostenträger nutzen die Kennzeichen ihrerseits zur Abrechnung. Aus diesem Inhalt und dem Zweck lässt sich ersehen, dass sich aus der Angabe der IK-Nr. in der Klageschrift zwar zuverlässig das Krankenhaus als Leistungserbringer, aber nicht zweifelsfrei auch sein Rechtsträger entnehmen lässt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2021 – a.a.O., Rn. 19). Insofern führt auch die neben der IK-Nr. befindliche Benennung des behandelnden Krankenhauses nicht weiter.

Auch wenn ferner die Bestimmung der Hauptbeteiligten nicht ihrer Disposition unterliegt, zeigt die Reaktion der Beklagten, die sich unverzüglich gegen die Klageerhebung verteidigt hat, jedoch, dass sie von ihrer Beteiligtenstellung ausging. Darüber hinaus spricht auch der Vortrag, dass die jetzige Beklagte die Holdinggesellschaft der Krankenhaus R GmbH ist, dafür, dass der Klägerin bewusst gewesen ist, es mit zwei verschiedenen juristischen Personen zu tun zu haben.

Darüber hinaus hilft auch die mit Schriftsatz vom 25. März 2019 vorgelegte Verwaltungsakte nicht weiter. Der Senat kann offenlassen, ob die erst später vorgelegten Unterlagen überhaupt zur Auslegung berücksichtigt werden können (in diesem Sinne möglicherweise BSG, Urteil vom 9. August 2006 – B 12 KR 22/05 R – juris, Rn. 22), denn es folgt aus ihnen kein anderes Ergebnis. Zwar hat sich die Klägerin dort außergerichtlich vor Klageerhebung an die richtige Trägergesellschaft des behandelnden Krankenhauses gewandt („Krankenhaus R GmbH“, Schreiben vom 24. Oktober 2018). Indem sie sodann in der Klageschrift eine andere GmbH benannt hat, hat sie für das Gericht (oder Dritte) objektiv jedoch nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass damit ein und dieselbe juristische Person (die Krankenhaus R GmbH) gemeint sein sollte (zur mangelnden Aussagekraft auch bei Korrespondenz vor Klageerhebung: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2021 – a.a.O., Rn. 16).

Unerheblich sind auch die Gründe, die zu dem Fehler geführt haben. Fristendruck, wenn auch nicht in dieser Form, lässt sich nie ausschließen. Der Rechtsunsicherheit wäre allerdings Tür und Tor geöffnet, wenn solcher ab einem bestimmten – welchem? – Ausmaß, nicht im konkreten Verfahren objektivierbare Fehlentscheidungen rechtfertigen könnte.

bb) Über den erstinstanzlich (hilfsweise) beantragten Beteiligtenwechsel auf Beklagtenseite, der eine subjektive Klageänderung i.S.v. § 99 SGG darstellt (vgl. Guttenberger in: jurisPK-SGG, 2017, § 99 Rn. 38, 40, 43; BSG, Urteil vom 2. September 2004 – B 7 AL 78/03 R – juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 27/12 RBSGE 115, 40, Rn. 15; Schmidt a.a.O., § 99 Rn. 6), ist nicht zu befinden. Die Beklagte hat im Verhandlungstermin vor dem Senat am 16. Februar 2022 diesen (Hilfs-)Antrag nicht mehr aufrechterhalten.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

V. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

VI. Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden (wirtschaftlichen) Bedeutung.

 

Rechtskraft
Aus
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