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»Eine Klinik, eine Belegschaft«

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Sie sind laut - und wollen sogar noch lauter werden: Die Beschäftigten am Uniklinikum Gießen streiken erneut. Foto: Wißner © Wißner

Gießen. Seit 6 Uhr am Dienstagmorgen sind die Beschäftigten am Gießener und am Marburger Uniklinikum (UKGM) von der Gewerkschaft Verdi erneut zum Streik aufgerufen, der am heutigen Mittwoch mit Beginn der Spätschicht um 20 Uhr endet. Ziel der mittlerweile dritten, sich über zwei Tage erstreckenden Arbeitsniederlegung ist ein Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung.

Bei einer Kundgebung vor dem Haupteingang des Gießener Uniklinikums fragte Gewerkschaftssekretär Stefan Röhrhoff angesichts einer »desolaten Personalsituation« auf den Stationen: »Wieso bekommen wir keinen Tarifvertrag? Mir fehlen da langsam die Worte.« Bereits dreimal sei dem Arbeitgeber die Chance gegeben worden, einen Tarifabschluss zu machen; doch ein solcher sei mit dem Vorwurf verweigert worden, man werde mit Streiks überzogen. So lange es keine Vereinbarung mit dem Land Hessen gebe, sei eine Beschäftigungssicherung für alle keine Option.

»Schon längst betrifft der Personalmangel nicht mehr nur die Pflege, sondern das komplette Krankenhaus. Und wir sagen ausdrücklich ›für alle Beschäftigten‹ und nicht nur ›für wenige‹, denn alle, die hier arbeiten, sind wichtig«, so Röhrhoff, der mit Nachdruck die Übernahme der Azubis sowie einen Ausschluss aller Kündigungen anmahnte.

Abschließend rief er zur starken Teilnahme am heutigen Mittwoch bei der gemeinsamen Kundgebung in Marburg auf, »um deutlich zu machen, was wir wollen«. Auch der Gießener Betriebsratsvorsitzende Marcel Iwanyk appellierte, »laut zu werden«: »Wir brauchen einen Tarifvertrag, damit das alles hier gesichert ist. Wir werden es künftig nur noch lauter sagen, bis wir wieder einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung haben.« Dabei prangerte er an, dass sich ein »Abschieben in Tochtergesellschaften« nicht gehöre und dieses Gebaren den »Stinkefinger« verdiene.

Von einer »Vorgehensweise mit System« sprach ebenfalls der Betriebsratsvorsitzende der Asklepios-Klinik Lich, Jürgen Bremer. Bei Asklepios gelte das Motto: »Bei den Kliniken soll nur noch das Kerngeschäft betrieben werden. Pflege möglichst ohne Tarifvertrag und die Ärzte sollen im Haus bleiben, alles andere soll ausgegliedert werden.« In Lich seien so das Labor und das Röntgen ausgegliedert worden, was dazu geführt habe, dass sich etliche Mitarbeiter aus der Röntgenabteilung neue Beschäftigungen gesucht haben. Das falle auf einem leergefegten Arbeitsmarkt nicht schwer - »und so mussten wir die Nachtdienste mit Leiharbeitskräften abdecken«. Leistungen hätten abgespeckt werden müssen, weil diese mit dem Personal nicht mehr zu bewältigen seien. Die Argumente, bei einem Verkauf werde alles besser, weil Synergieeffekte genutzt werden könnten, seien leere Worte. »Davon habe ich in Jahrzehnten, in denen uns das bereits erzählt wird, nichts gemerkt. Eine Klinik, eine Belegschaft.«

DGB-Kreisvorsitzender Klaus Zecher verwies auf RHI Magnesita in Mainzlar (wir berichteten), wo es nach anderthalb Jahren Streik gelungen sei, die Arbeitsplätze zu erhalten - auch deshalb, weil alle Beschäftigten gemeinsam dafür gekämpft hätten. »Und dies sollten wir auch hier im Klinikum umsetzen. Solidarisches Handeln kann sehr wohl die Arbeitsplätze erhalten und Arbeitsbedingungen ändern.« Es gehe nicht mehr darum, Kranke besser zu versorgen, »sondern Profite auf Kosten Eurer Arbeitsbedingungen zu machen - und da stehen wir entschieden dagegen«.

Wie schlecht es um die Verhältnisse am Uniklinikum hinsichtlich der Ausbildung bestellt sei, darauf machten Michelle Makiola und Franziska Portjanow aufmerksam. Die beiden Auszubildenden betonten, dass es angesichts der Ende des Jahres auslaufenden Übernahme der Azubis und auch des Wegfalls eines umfassenden Kündigungsschutzes sowie eines Ausgliederungsverbots darum gehen müsse, Auszubildende zu schützen. »Wir sind entrüstet. Wir, das sind 450 junge Menschen, die einen Beruf erlernen, der sozial und wichtig ist.« Doch dies werde nicht wertgeschätzt, sondern der Eindruck vermittelt, billige Arbeitskräfte zu haben. Dabei würden Azubis ihre Ausbildung abbrechen, weil die Belastung zu hoch sei.

»Unsere Forderung: Wir wollen mehr Förderung der Azubis und eine Übernahmegarantie. Unsere Schulen müssen im 21. Jahrhundert ankommen. Wir haben kein Wlan und kein Unterrichtsmaterial. Es gibt noch nicht einmal ausreichend Tische und Stühle - und das am Uniklinikum«, so Portjanow.

Bereits im Vorfeld des Streiks hatte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Gunther K. Weiß, betont, dass es in Anbetracht der jetzigen Situation - mitten in den Verhandlungen mit dem Land Hessen und immer noch ohne konkrete Ergebnisse - keine Grundlage für einen Beschäftigungstarifvertrag gebe.

Elisabeth Kula, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag, die heute am Streik in Marburg teilnehmen wird, hat in einer Pressemitteilung nochmals darauf hingewiesen, dass »die von der einstigen CDU-Regierung unter Roland Koch betriebene Privatisierung des UKGM ein schwerer Fehler war. Mit den fatalen Konsequenzen der einst betriebenen, absurden Privatisierungspolitik sind wir seit vielen Jahren konfrontiert. Es ist bedauerlich, dass nun die Beschäftigten durch die Privatisierung und den mangelnden Willen von Schwarz-Grün, diesen Fehler zu korrigieren, zum Spielball von Rhön und Asklepios gemacht werden«.

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