Urteilsanalyse
Vergütung bei unwirtschaftlicher Gestaltung erforderlicher Krankenhausbehandlung
Urteilsanalyse
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Wenn die durchgeführte vollstationäre Behandlung medizinisch nicht erforderlich war, weil von Beginn an eine teilstationäre Behandlung ausgereicht hätte, kann diese nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens nach einem Urteil des BSG vergütungsfähig sein. Entscheidend ist, dass beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des Behandlungsziels gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig waren. 

8. Aug 2022

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser, PPP Rechtsanwälte, Bergisch Gladbach
 
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 08/2022 vom 05.08.2022

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Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Der von der beklagten Krankenkasse eingeschaltete MDK sah eine ambulante Behandlung als ausreichend und deshalb die streitige stationäre Behandlung als nicht notwendig an (sog. primäre Fehlbelegung). Die Krankenkasse verrechnete daraufhin den gesamten Rechnungsbetrag mit anderen unstreitigen Forderungen des klagenden Krankenhauses. Im Klageverfahren erkannten der von der Krankenkasse erneut beauftragte MDK und der vom SG beauftragte gerichtliche Sachverständige die Erforderlichkeit (lediglich) einer teilstationären Krankenhausbehandlung an. 

Das SG hat die Krankenkasse daraufhin zur Zahlung eines Teilbetrages verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dem Krankenhaus habe nach dem Grundsatz des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ein Vergütungsanspruch in der Höhe zugestanden, wie sie für die erforderliche teilstationäre Vergütung angefallen wäre.

Auf die Berufung der Krankenkasse hat das LSG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die vollstationäre Behandlung des Versicherten sei nicht erforderlich gewesen, weil eine teilstationäre Behandlung ausgereicht hätte. Ein Anspruch auf Vergütung als teilstationäre Behandlung im Sinne eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens bestehe nicht. Die teilstationäre Behandlung stelle kein Minus gegenüber einer vollstationären Behandlung dar, sondern folge einem grundsätzlich anderen Behandlungskonzept und finde in der Regel in gesonderten, räumlich getrennten Abteilungen des Krankenhauses statt. Es könne auch nicht beurteilt werden, wie sich eine fiktive teilstationäre Behandlung hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Dauer tatsächlich entwickelt hätte.

Entscheidung

Das BSG hielt die zulässige Revision des klagenden Krankenhauses im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung für begründet.

In Betracht komme ein Anspruch für die erforderlich gewesene teilstationäre Krankenhausbehandlung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens. Bei unwirtschaftlicher Gestaltung erforderlicher Krankenhausbehandlung sei es nicht stets geboten, zu einem völligen Vergütungsausschluss zu gelangen, wie es bei ihrer Art nach unwirtschaftlichen Leistungsgegenständen grundsätzlich der Fall sei. Das BSG habe in seiner bisherigen Rechtsprechung in verschiedenen Fallkonstellationen einen Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens für den Fall angenommen, dass das Krankenhaus von zwei gleichermaßen zweckmäßigen und notwendigen Behandlungsalternativen die unwirtschaftliche gewählt hat.

Gleiches müsse auch gelten, wenn das Krankenhaus anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durchführe. Auch hier sei es gerechtfertigt, dass das Krankenhaus für die wegen des Nachrangverhältnisses nicht erforderliche vollstationäre Behandlung diejenige Vergütung beanspruchen könne, die es für die erforderliche und ausreichende teilstationäre Behandlung hätte abrechnen können.

Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei vollstationärer und teilstationärer Behandlung nicht um gleichermaßen notwendige Behandlungsmöglichkeiten handele. Entscheidend sei, dass beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des Behandlungsziels gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig sind.

Weitere Voraussetzung für eine Abrechnung auf der Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens sei, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen wäre, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der KK abzurechnen.

Praxishinweis

Das Urteil ergänzt die bisherige Rechtsprechung des BSG zum wirtschaftlichen Alternativverhalten in nachvollziehbarer Weise.


BSG, Urteil vom 26.04.2022 - B 1 KR 5/21 R (LSG Hamburg), BeckRS 2022, 14391