L 10 KR 128/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
10.
1. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 128/17
Datum
2. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 343/13
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.
Beauftragt die Krankenkasse den MDK mit der Prüfung, ob während des gesamten Behandlungszeitraums in der Person des Versicherten Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorgelegen hat (Prüfung des Vorliegens einer sog. sekundären Fehlbelegung), so liegt eine Auffälligkeitsprüfung/Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R, BSGE 116, 165 ff.) vor.

2.
Bei der Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit sind regelmäßig die im Behandlungszeitpunkt in Geltung befindlichen Leitlinien einschlägiger medizinischer Fachgesellschaften, die von dem Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) publiziert worden sind, heranzuziehen.

3.
Zur (verneinten) weiteren Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eines alkoholabhängigen Versicherten bei zahlreichen vorangegangenen stationären qualifizierten Entzugsbehandlungen und nach Rückfallgeschehen während der streitbefangenen qualifizierten Entzugsbehandlung.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Kiel vom 8. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.266,00 EUR
festgesetzt.

Tatbestand

 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung weiterer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Dabei ist zwischen den Beteiligten die Dauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im konkreten Behandlungsfall umstritten.

 

Die Klägerin betreibt ein im Krankhausplan des Landes Schleswig-Holstein aufgenommenes Krankenhaus in N________. In der dortigen psychiatrischen Klinik wurde der bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversicherte Patient J__ S.  (geb.      1967; im Folgenden: Versicherter) im Zeitraum vom 26. Mai bis zum 14. Juni 2011 stationär behandelt. Bereits im Februar 2002, im Rahmen von fünf gesonderten Aufenthalten im Jahr 2008, im Zeitraum vom 21. Dezember 2008 bis zum 6. Januar 2009 und nochmals im September 2009 war der Versicherte im Zusammenhang mit der bei diesem bestehenden Alkoholabhängigkeit jeweils mehrtägig in der psychiatrischen Klinik des klägerischen Krankenhauses stationär behandelt worden. Dies war zudem zuletzt – zum Zwecke der Durchführung einer sog. qualifizierten Entgiftung – unmittelbar vor dem hier streitbefangenen Krankenhausaufenthalt der Fall, nämlich vom 4. bis zum 24. Mai 2011.

 

Zwei Tage nach seiner Entlassung am 24. Mai 2011 erschien der Versicherte in Begleitung von Freunden erneut im Krankenhaus der Klägerin und bat – ohne entsprechende ärztliche Einweisung – um stationäre Aufnahme. Dabei wies er eine Atemalkoholkonzentration von 1,59 Promille sowie eine deutlich erhöhte Herzschlagfrequenz (112 Schläge pro Minute) auf, wirkte niedergestimmt sowie affektlabil und äußerte, er wolle nunmehr seine Vergangenheit aufarbeiten (wobei insoweit ein mehrjähriger latenter Konflikt mit seinem Vater gemeint war). Nach den Angaben einer den Versicherten begleitenden Freundin war der Versicherte am Morgen des 26. Mai 2011 verzweifelt, habe geweint und erneut begonnen, zu trinken. Ausweislich des in der Klinik der Klägerin angefertigten Pflegeberichts vom 27. Mai 2011 hatte der Versicherte tags zuvor daran gedacht, sich das Leben zu nehmen, indem er sich von einem Bus überfahren lassen wollte (dann hätte „die Quälerei ein Ende“, er habe sich in der Vergangenheit, die für ihn von zahlreichen, teils mehrjährigen Haftstrafen geprägt war, nur selbst geschadet, nicht aber seinem Vater, den er – als Mitarbeiter der J1__ N_______ – mit seinen, des Versicherten, strafrechtlichen Verurteilungen eigentlich habe treffen wollen).

 

Der Versicherte wurde am 26. Mai 2011 erneut wunschgemäß stationär in die psychiatrische Klinik des Krankenhauses der Klägerin aufgenommen. Lediglich am 26. und 27. Mai 2011 wurden Blutdruck und Puls des Versicherten gemessen, bereits am 29. Mai 2011 wurde er in den sog. offenen Bereich der psychiatrischen Klinik verlegt (der Versicherte durfte das Krankenhaus mithin nach eigenem Gutdünken für Spaziergänge, für Besorgungen in der Stadt etc verlassen, freilich unter der Maßgabe, anschließend wieder in die Klink zurückzukehren). Am 30. Mai 2011 wurde bei dem Versicherten eine Blutuntersuchung („kleines Blutbild“ und Creatinkinase-Bestimmung) durchgeführt. Eine Medikation des Versicherten erfolgte zunächst nicht. Den Behandlungsunterlagen ist zu entnehmen, dass der Versicherte an der sog. Suchtgruppe teilnahm, nicht hingegen, ob er auch Ergotherapiemaßnahmen oder Bewegungs- und Entspannungstherapien in Anspruch nahm. Am 1. Juni 2011 verließ der Versicherte das klägerische Krankenhaus und kehrte erst am 2. Juni 2011 gegen 21.30 Uhr dorthin zurück. Nach eigenen Angaben verbrachte er die Zwischenzeit in H_______-S1__. G___ mit einigen ehemaligen „Knastkollegen“; anlässlich des Treffens habe er erneut Alkohol konsumiert. Ein Atemalkoholtest im Krankenhaus nach Rückkehr am Abend des 2. Juni 2011 zeigte freilich eine Atemalkoholkonzentration von 0,0 Promille. Am 3. und 9. Juni 2011 nahm der Versicherte Gespräche mit Diplom-Psychologinnen wahr. Ab dem

3. Juni 2011 wurde dem Versicherten 25 mg Atosil täglich verordnet und gegeben, ab dem 7. Juni 2011 wegen Knieschmerzen noch 2 x 75 mg Diclofenac und 40 mg Pantoprazol täglich. Am 14. Juni 2011 wurde der Versicherte entlassen. In dem – bereits vom 10. Juni 2011 datierenden – Entlassungsbericht des Krankenhauses ist unter der Rubrik „körperlicher Untersuchungsbefund“ ausgeführt, dass sich der Versicherte in „krankem Allgemeinzustand“ befunden habe – was sich ersichtlich auf den Aufnahmezeitpunkt am 26. Mai 2011 bezieht, da dort auch der erhöhte Herzschlagrhythmus von 112 Schlägen in der Minute vermerkt ist. Mit Abschlussrechnung vom 24. Juni 2011 stellte die Klägerin der Beklagten die Behandlung des Versicherten mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 4.322,72 EUR in Rechnung.

 

Die Beklagte hatte der Klägerin unter dem 17. Juni 2011 eine Kostenzusage betreffend den Zeitraum vom 26. Mai bis zum 4. Juni 2011 und eine weitere hinsichtlich des Zeitraumes vom 5. bis zum 16. Juni 2011 übersandt. Nach Angabe der Beklagten waren die Kostenzusagen mit folgendem Begleittext versehen: „Kosten-zusage und etwaige Zahlung erfolgen unter dem Vorbehalt einer rechtlichen und medizinischen Überprüfung“. Am 12. Juli 2011 beglich die Beklagte die Schlussrechnung vom 24. Juni 2011 in voller Höhe.

 

Mit Schreiben vom 1. August 2011 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass sie ihre den Zeitraum vom 5. bis zum 16. Juni 2011 betreffende Kostenzusage zurückziehe; die den Zeitraum bis zum 4. Juni 2011 abdeckende Kostenzusage bleibe hingegen bestehen. Man bitte um Übersendung einer medizinischen Begründung für den einen über den 4. Juni 2011 hinausreichenden Zeitraum betreffenden Kostenübernahmeantrag. Diese Begründung werde man sodann dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) zuleiten, der daraufhin gutachtlich zur Notwendigkeit, der Art und der Dauer der Behandlung Stellung nehmen werde. Am 10. August 2011 erteilte die Beklagte dem MDK einen entsprechenden Prüfauftrag nach § 275 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und wandte sich mit Telefax-Schreiben vom selben Tage erneut an die Klägerin. Mit diesem Schreiben erklärte die Beklagte – gleichlautend zu dem vorangegangenen Schreiben vom 1. August 2011 – u.a.: „Der Medizinische Dienst wird die Notwendigkeit, Art und Dauer der Behandlung prüfen und ein Gutachten erstellen“.

 

Mit Schreiben vom 15. August 2011 zeigte der MDK gegenüber der Klägerin den Prüfauftrag an und gab mit dieser Mitteilung bekannt, dass eine Übersendung von Patientenunterlagen nicht erforderlich sei, da eine Begehung des Krankenhauses beabsichtigt sei. Die Prüfanzeige ging am 19. August 2011 bei der Beklagten ein. Am 24. Februar 2012 fand sodann die Begehung des Krankenhauses der Klägerin durch den für den MDK tätigen Dr. T____ K____ statt, in deren Verlauf ihm die im Krankenhausinformationssystem enthaltene digitale Behandlungsakte mit sämtlichen darin enthaltenen Daten zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurde. In seinem schriftlichen Gutachten vom selben Tage (Druckdatum: 6. März 2012) gelangte der MDK-Gutachter zu der Einschätzung, dass eine Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung bei dem Versicherten lediglich bis zum 4. Juni 2011 nachvollzogen werden könne, nicht aber für weitere Zeiträume. Denn der körperliche Entzug sei bei dem Versicherten mild und ohne Notwendigkeit einer medikamentösen Unterstützung verlaufen. Zudem sei der Versicherte aufgrund seiner zahlreichen vorangegangenen stationären Entgiftungsbehandlungen in der Klinik der Klägerin umfassend über seine Alkoholabhängigkeit und die insoweit notwendigen Therapiemaßnahmen informiert gewesen. Schließlich könne dem Verlaufsbericht des Krankenhauses entnommen werden, dass der Versicherte nach dem 4. Juni 2011 psychisch und körperlich stabil genug gewesen sei, um seine Alkoholabhängigkeit in ambulanter neurologischer Betreuung unter „Kontakt zum Suchthilfesystem“ behandeln zu lassen.

 

Für die Klägerin widersprach die dortige Oberärztin R____ mit Schreiben vom

26. März 2012 gegenüber dem MDK den Feststellungen des Dr. K____. Der Versicherte habe sich während der stationären Behandlung seit dem 26. Mai 2011 anfänglich als affektiv sehr instabil gezeigt und sei aufgrund der Auseinandersetzung mit seiner Biografie zeitweilig erheblich depressiv verstimmt gewesen. Die Auseinandersetzung mit seinem Lebensweg habe in den ersten zehn Tagen der Behandlung ganz im Vordergrund gestanden. Erst nach dem Rückfall und der daraufhin durchgeführten Rückfallanalyse sei eine „zunehmende Motivation“ des Versicherten für eine Alkoholabstinenz und eine neuerliche Entwöhnungstherapie entstanden. Ein Abbruch der Behandlung nach dem Rückfall hätte „diese Motivationstherapie“ unmöglich gemacht. Dabei datierte die OÄ’in R___ das Rückfallgeschehen auf den 2. Juni 2011 und geht von einer Rückkehr in das Krankenhaus am Abend des 3. Juni 2011 aus, was indes unzutreffend ist: In dem Pflegebericht in der KH-Behandlungsakte ist vermerkt, dass sich der Versicherte in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2011 nicht auf der Station befand, zudem hat die Dipl.‑Psychologin P_____ ausweislich der Behandlungsakte bereits am 3. Juni 2011 von 9.30 Uhr bis 10.15 Uhr mit dem Versicherten ein Gespräch über dessen Ausflug nach H______ geführt, was nicht möglich hätte sein können, wenn der Versicherte erst am Abend des 3. Juni 2011 aus H_____ in die Klinik der Klägerin zurückgekehrt wäre.

 

Die Beklagte nahm gleichwohl unter Stützung auf die Feststellungen des Dr. K____ im MDK-Gutachten eine sekundäre Fehlbelegung für die Dauer von zehn Tagen – vom 5. bis zum 14. Juni 2011 – an und rechnete deshalb am 20. Juli 2012 mit einem Erstattungsanspruch in Höhe der für den genannten Zeitraum gezahlten Krankenhausvergütung, die sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – auf 2.266,60 EUR belief, gegen nicht umstrittene Vergütungsansprüche der Klägerin für andere (unbekannte) Behandlungsfälle auf.

 

Am 6. Dezember 2013 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des Aufrechnungsbetrages vor dem Sozialgericht Kiel erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, dass sie einen Anspruch auf Zahlung auch des am 20. Juli 2012 aufgerechneten Vergütungsbetrages innehabe, weil bei dem Versicherten während der gesamten Dauer seines stationären Krankenausaufenthaltes vom 26. Mai bis zum 14. Juni 2011 eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe. Die anderslautende Einschätzung des MDK sei falsch. Gegen einen milden Verlauf der Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung spreche, dass der Versicherte in krankem Allgemeinzustand aufgenommen worden sei. Zudem habe im Krankenhaus sehr wohl auch eine Medikation des Versicherten stattgefunden. Auch dass der Versicherte im Rahmen der vorangegangenen Entzugsbehandlungen über seine Abhängigkeitserkrankung und zur Verfügung stehende Therapieoptionen informiert worden sei, spreche nicht gegen die medizinische Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung im streitbefangenen Zeitraum. Denn neben dieser Information benötige es auf Seiten des Alkoholabhängigen auch einer eigenen Motivation zur Durchführung einer Therapie. Diesen Faktor habe der MDK unberücksichtigt gelassen. Gegen eine von dem MDK angenommene, vermeintlich ab dem 5. Juni 2011 gegebene ausreichende und körperliche Stabilität des Versicherten für eine ambulante Weiterbehandlung seiner Suchterkrankung spreche schließlich ganz deutlich der Rückfall des Versicherten mit erneutem Alkoholkonsum in H______. Nach anschließender Rückkehr in das Krankenhaus habe der Versicherte mit seiner Therapie noch einmal ganz neu beginnen müssen. Im Übrigen sei es der Beklagten auch verwehrt, sich auf die medizinische Einschätzung des MDK zu berufen, weil die Beklagte diesem erst nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs 1a SGB V den auf den hier relevanten Behandlungsfall bezogenen Prüfauftrag erteilt habe. Die Beklagte sei deshalb mit medizinischen Einwendungen gegen die Dauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten ausgeschlossen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass sie, die Klägerin, dem MDK im Rahmen der Begehung am 24. Februar 2012 Einsicht in sämtliche den Versicherten betreffenden Patientenakten gewährt habe. Denn eine Herausgabe der Behandlungsdaten unter Verzicht der Rüge der Fristversäumnis durch die Beklagte sei in dieser Einsichtnahmegewährung in den Räumlichkeiten des Krankenhauses nicht zu sehen.

 

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – 2.266,60 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21. Juli 2012 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

                     die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten nur so weit reiche, wie eine Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung gegeben gewesen sei. Dies sei indes nur bis zum 4. Juni 2011 der Fall gewesen, seit jenem Tag habe eine sekundäre Fehlbelegung vorgelegen. Da sie, die Beklagte, die bis zum 4. Juni 2011 einschließlich durchgeführte Krankenhausbehandlung aber vergütet habe, bestehe der darüber hinausgehende, von der Klägerin klagweise geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht. Zur Aufrechnung der zunächst – für die Behandlung vom 5. bis zum 14. Juni 2011 –  überzahlten Krankenhausvergütung sei sie, die Beklagte, aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz verpflichtet gewesen. Dass im über den 4. Juni 2011 hinausgehenden Zeitraum keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten mehr bestand, ergebe sich aus dem Gutachten des MDK vom 24. Februar 2012, das sie zum Gegenstand ihres Vortrags mache. Allein der Umstand, dass sie der Klägerin die Prüfung durch den MDK möglicherweise nicht rechtzeitig angezeigt habe, könne nicht zur Unzulässigkeit der Prüfung der Dauer der Behandlungsnotwendigkeit durch den MDK führen. Jedenfalls sei es der Klägerin verwehrt, sich nunmehr auf eine nicht fristgerechte Einleitung des Prüfverfahrens zu berufen, nachdem diese sich vorgerichtlich trotz etwaiger Fristversäumung auf eine inhaltliche Prüfung durch den MDK eingelassen habe. Dies stellte ein widersprüchliches Verhalten dar, das gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Sie, die Beklagte, habe darauf vertrauen dürfen, dass sich die Klägerin nicht auf eine etwa verspätete Prüfmitteilung berufen werde, nachdem diese dem MDK sämtliche Behandlungsunterlagen im Rahmen der Begehung am 24. Februar 2012 vorgelegt habe.

 

Das Sozialgericht hat zu der bei dem Versicherten im streitgegenständlichen Zeitraum gegebenen Erkrankung, zu den im Zuge der streitbefangenen stationären Krankenhausbehandlung bestanden habenden Behandlungszielen, zu den medizinisch angezeigten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele und zur Erforderlichkeit der stationären Behandlung des Versicherten in dem Krankenhaus der Klägerin während des noch streitigen Zeitraums ein schriftliches Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. J2_____ M____ eingeholt. Zur Erstellung des Gutachtens hat das Sozialgericht der Sachverständigen neben der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten auch die Behandlungsakte der Klägerin überlassen. Die – ausgedruckte – Behandlungsakte hat die Klägerin nach Erteilung eines rechtlichen Hinweises des Sozialgerichts vom 10. Juli 2015 ausdrücklich nur für den Fall zur Gerichtsakte übersandt, dass das Sozialgericht von einer Verwertbarkeit der Patientenakte im gerichtlichen Verfahren ausgehen sollte. Dabei hat die Klägerin erklärt, dass sie der Auffassung sei, zur Verweigerung der Vorlage der Patientenakte aus Gründen des Sozialdatenschutzes berechtigt zu sein, weil sie die Akte im Prüfverfahren auch nicht an den MDK herausgegeben habe. Die Akte sei dem MDK-Prüfer dort vielmehr lediglich in elektronischer Form vorgelegt worden. Daraus folge nach ihrer, der Klägerin, Ansicht eine Unverwertbarkeit der Behandlungsakte im Gerichtsverfahren. Lediglich für den Fall, dass das Sozialgericht dies anders beurteile, übersende man die Patientenakte. Die Beklagte hat diese Auffassung der Klägerin als „konstruiert“ bezeichnet und die Ansicht vertreten, dass die Behandlungsakte ohne weiteres gerichtlich verwertbar sei, weil sie auch dem Gutachter des MDK im Prüfverfahren zur Verfügung gestellt worden sei.

 

Die Sachverständige Dr. M_____ hat in ihrem Gutachten vom 13. März 2016 zusammengefasst ausgeführt, dass bei dem Versicherten eine schwere Alkoholabhängigkeit bestand. Zur stationären Aufnahme des Versicherten am 26. Mai 2011 habe eine ambulante Behandlungsalternative nicht bestanden, weil aufgrund der seinerzeit festgestellten Affektlabilität und Suizidalität eine engmaschige Überwachung erforderlich gewesen sei. Aufgrund der Verlegung in den offenen Therapiebereich der psychiatrischen Station am 29. Mai 2011 könne davon ausgegangen werden, dass die suizidale Krise seinerzeit wieder überwunden gewesen sei. Nach Durchführung von gebotener Diagnostik bzw Differentialdiagnostik (deren Durchführung sich aus der Behandlungsdokumentation freilich nicht entnehmen lasse), sei es indiziert gewesen, den Versicherten auf eine Durchführung einer ambulanten Suchtbehandlung vorzubereiten, in die er zum 3. Juni 2011 hätte entlassen werden können.

 

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2017, in deren Rahmen die Sachverständige von dem Gericht und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin umfänglich zu ihren gutachterlichen Feststellungen befragt worden ist, hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom selben Tage abgewiesen. Es hat sein Urteil maßgeblich mit einem Verweis auf die als überzeugend angesehenen Feststellungen der Sachverständigen Dr. M_____ begründet, nach welchen die Notwendigkeit eines über den 4. Juni 2011 hinaus andauernden Krankenhausaufenthaltes nicht bestanden habe. Zwar sei der Versicherte in krankem Zustand – und zudem in einem alkoholbedingten Rauschzustand – bei gleichzeitiger suizidaler Krise in das klägerische Krankenhaus aufgenommen worden; es sei jedoch nicht erkennbar, dass dieser krisenhafte Zustand, der die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der besonderen Mittel eines Krankenhauses begründe, im Zeitraum nach dem 4. Juni 2011 noch vorgelegen habe. Unabhängig davon, dass eine neben der Alkoholabhängigkeit etwa bestehende psychiatrische Komorbidität bei dem Versicherten nicht diagnostiziert worden sei und auch eine gezielte Behandlung des als „krank“ aufgenommenen Versicherten auf anderen medizinischen Fachgebieten nicht stattgefunden habe, begründe der Rückfall des Versicherten Anfang Juni 2011 keine über den 4. Juni 2011 hinausreichende stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Denn abgesehen davon, dass die Atemalkoholmessung bei dem Versicherten am 3. Juni 2011 einen Wert von 0,0 Promille ergeben habe, sei ein Rückfall in den Alkoholkonsum nicht stets und ohne weiteres geeignet, eine (weitere) Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu begründen. Dazu hätte es näherer Feststellungen zu einer besonderen Schwere des Rückfalls, einer Entzugssymptomatik oder einer erneuten suizidalen Krise bedurft; solche Feststellungen seien jedoch nicht getroffen worden. Im Übrigen sei die Behandlungsdokumentation der Klägerin in Gestalt der Patientenakte im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auch uneingeschränkt verwertbar gewesen, weil die Klägerin selbst dem MDK-Gutachter Dr. K____ am 24. Februar 2012 uneingeschränkte Einsicht in diese Dokumentation gewährt habe. Schließlich könne die Klägerin ihren Zahlungsanspruch auch nicht auf die den Zeitraum ab dem 5. Juni 2011 betreffende Kostenzusage der Beklagten stützen, weil diese ausdrücklich unter den Vorbehalt einer rechtlichen und medizinischen Prüfung gestellt worden sei.

 

Gegen dieses, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. Juli 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. August 2017 vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhobene Berufung der Klägerin.

 

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin zuvorderst geltend, dass das Urteil des Sozialgerichts auf einem Verfahrensmangel beruhe, weil es die einem Beweisverwertungsverbot unterliegende Behandlungsakte der gerichtlich bestellten Sachverständigen im Rahmen des Gutachtenauftrages zur Verfügung gestellt und auch sein Urteil auf die Behandlungsakte gestützt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Krankenkasse und der MDK – und nachfolgend auch ein Sozialgericht – bei Durchführung einer verfristeten Abrechnungsprüfung auf die Daten beschränkt, die das Krankenhaus dem MDK trotz verspäteten Prüfbeginns freiwillig herausgegeben habe. Dazu könne die Behandlungsakte in ausgedruckter Form vorliegend jedoch nicht gezählt werden, weil dem MDK-Prüfer keine papierene, ausgedruckte Patientenakte zur Verfügung gestellt worden sei, sondern diesem lediglich Einsicht in die digitalisierte Patientenakte – freilich mit sämtlichen Daten, wie die Klägerin selbst einräumt – gewährt worden sei. Die Übersendung der Behandlungsakte in Papierform sei von der Beklagten – und nachgehend von dem Sozialgericht – erstmals im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens begehrt worden; insoweit sei sie, die Klägerin, zur Verweigerung der Übersendung der Papierakte berechtigt gewesen. Lediglich aufgrund des falschen rechtlichen Hinweises des Sozialgerichts vom 10. Juli 2015 habe sie seinerzeit die Behandlungsakte in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt.

 

Darüber hinaus bringt die Klägerin auch vor, dass das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ihr der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zustehe. Dieser ergebe sich nämlich – entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil – bereits aus der den ersten Zeitraum ab dem

26. Mai 2011 betreffenden Kostenzusage der Beklagten. Denn anders als vom Sozialgericht dargestellt, weise diese Kostenzusage eine Erklärung dahin, dass sie unter dem Vorbehalt einer rechtlichen und medizinischen Überprüfung abgegeben werde, gerade nicht auf. Hinzu komme, dass die in Schleswig-Holstein im streitigen Zeitraum gegolten habende Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 Abs 3 SGB V eine Befristungsmöglichkeit für Kostenübernahmeerklärungen gar nicht kenne. Die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten sei deshalb im Rechtssinne ohne jede Bedingung abgegeben worden.

 

Des weiteren führt die Klägerin aus, dass bei dem Versicherten – entgegen der Annahme der Sachverständigen Dr. M_____ und des Sozialgerichts – bis zum tatsächlichen Entlassungstag eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe. Das Gutachten der erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen weise eine Reihe von Fehlern und Schwächen auf, die im Rahmen der Befragung der Sachverständigen vor dem Sozialgericht nicht ausgeräumt worden seien. So habe die Sachverständige insbesondere fälschlich festgestellt, dass bei dem Versicherten bei seiner Aufnahme am 26. Mai 2011 ein Rausch im Sinne der ICD-10 F10.0 vorgelegen habe. Zum einen bleibe insoweit unklar, wo die Sachverständige die von ihr insoweit für maßgeblich gehaltenen Symptome – Distanzlosigkeit und Affektlabilität – hernehme, zum anderen ergebe sich aus dem Entlassungsbericht, dass der Versicherte bei Aufnahme gerade nicht distanzlos und affektlabil gewesen sei, sondern vielmehr wach, voll orientiert und ruhig. Auch gehe die Sachverständige in der Annahme fehl, dass die suizidale Krise des Versicherten bereits wenige Tage nach seiner Aufnahme abgeklungen gewesen sei. Aus dem Pflegebericht sei ersichtlich, dass sich der Versicherte noch am 31. Mai 2011 mit dem Gedanken trug, sich vor einen Bus zu werfen. Auch sei der Anwurf der Sachverständigen, dass im Krankenhaus eine Abklärung der Suizidalität und eine diesbezügliche Medikation nicht erfolgt seien, falsch. So sei für den 27. Mai 2011 ausdrücklich angeordnet worden, dass der Versicherte nur auf dem Krankenhausgelände Ausgang haben dürfe, am 7. Juni 2011 sei in der Verlaufsdokumentation eine von dem Versicherten etwa ausgehende Eigen- oder Fremdgefährdung thematisiert worden. Zudem habe die Sachverständige bei der Prüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten den Rückfall am 1. Juni 2011 vollkommen unberücksichtigt gelassen, wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2017 eingeräumt habe. Dabei datiert allerdings auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Rückfall – offenbar in Übernahme der fälschlichen Datierung durch die Oberärztin Rohde der Klägerin im vorgerichtlichen Schreiben vom 26. März 2012 – auf den „2./3. Juni 2011“.

 

Schließlich moniert die Klägerin, dass sich das Sozialgericht im Zusammenhang mit der für die Begründung seines Urteils vom 8. Mai 2017 wesentlichen Behauptung, dass weder aufgrund der bei dem Versicherten bestehenden Alkoholabhängigkeit, noch aufgrund einer bei diesem gegebenen psychiatrischen Erkrankung eine weitere Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit aus dem am 1. Juni 2011 erlittenen Rückfall in den Alkoholkonsum folge, eine medizinische Sachkompetenz angemaßt habe, über die es nicht verfüge. Über eine entsprechende Fachkompetenz habe allenfalls die Dr. M____ verfügt, die jedoch den Rückfall des Versicherten in ihre Überprüfung einer über den 4. Juni 2011 hinaus andauernden stationären Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit zugestandenermaßen gar nicht einbezogen habe. Deshalb sei das Sozialgericht gehindert gewesen, aus vermeintlicher eigener Sachkompetenz die Anforderungen einer Entzugssymptomatik und/oder einer erneuten suizidalen Krise für eine Fortdauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit aufzustellen.   

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 2.266,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21. Juli 2012 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                     die Berufung zurückzuweisen.

 

Nach Ansicht der Beklagten ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht habe seinen Entscheidungsgründen einen umfassend und fehlerfrei festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt und sei mit sachlich wie rechtlich zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage abzuweisen gewesen sei. Die Sachverständige Dr. M____ habe zudem nachvollziehbar, widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit dem MDK ausgeführt, dass im über den 4. Juni 2011 hinausgehenden Zeitraum eine Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung für den Versicherten nicht länger gegeben gewesen sei.

 

Der Senat hat zu den bei dem Versicherten im Zeitraum seiner stationären Behandlung im klägerischen Krankenhaus vom 26. Mai bis zum 14. Juni 2011 vorgelegen habenden Erkrankungen, zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten sowie den dadurch zu erreichenden Behandlungszielen und zur objektiv aus der ex-ante-Sicht zu bestimmenden Dauer einer etwaigen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. K1____ H1____. In seinem Gutachten vom 10. Mai 2021 gelangt der Sachverständige zu der Einschätzung, dass die behandelnden Krankenhausärzte nach dem ihnen seinerzeit verfügbaren Wissensstand über den 4. Juni 2011 hinaus nicht länger von einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten, bei dem eine chronische Alkoholabhängigkeit und vermutlich auch eine emotional instabile Persönlichkeit gegeben sei, hätten ausgehen dürfen. Die Suizidalität sei bereits wenige Tage nach der Aufnahme aus der nur sporadisch und lückenhaft geführten ärztlichen Dokumentation des Behandlungsverlaufs nicht mehr erkennbar gewesen. Auch die Vielzahl der in der Vergangenheit durchgeführten stationären Entgiftungs- und Entwöhnungstherapien bzw. die aus diesen Behandlungen resultierenden Kenntnisse des Versicherten über die Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten lasse ein Überleiten des Versicherten in eine ambulante Therapieform ab dem 4. Juni 2011 als angezeigt erscheinen. Daran ändere auch der Rückfall von Anfang Juni 2011 nichts. Eine grundsätzliche Einsicht in die Notwendigkeit der Alkoholentwöhnung und eine grundsätzliche Motivation zur Durchführung einer solchen Maßnahme habe bereits bei Aufnahme des Versicherten am 26. Mai 2011 bestanden. Wenn diese Motivation nach dem Rückfall in den Alkoholkonsum verstärkt vorgelegen habe, so sei die Aufrechterhaltung dieser verstärkten Motivation nicht von der stationären Durchführung der Behandlung abhängig gewesen, sondern hätte auch im Rahmen einer ambulanten psychiatrischen Behandlung weitergewirkt.

 

Die Klägerin hat Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen Dr. H1____ erhoben. Insbesondere habe er bei seiner Bewertung der Dauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten außer Acht gelassen, dass die weitere – über den 4. Juni 2011 hinaus andauernde – Herausnahme des Versicherten aus dessen häuslichem Umfeld deshalb erforderlich gewesen sei, weil erst wenige Tage zuvor eine Dekompensation der chronifizierten Alkoholsucht stattgehabt habe; ein Zurückkehren in das pathogene häusliche Umfeld wäre vor diesem Hintergrund kontraproduktiv gewesen. Auch der Sachverständige selbst habe ausdrücklich auf die am Aufnahmetag artikulierte Einsicht des Versicherten darin, sein soziales Umfeld wechseln zu müssen, hingewiesen; das entsprechende Bemühen des Versicherten wäre durch dessen Entlassung bereits am

4. Juni 2011 konterkariert worden. Vielmehr sei es gerade im unmittelbaren Anschluss an den Rückfall des Versicherten erforderlich gewesen, seine Motivation zur Alkoholentwöhnung in einer zeitlich dichten Therapiefrequenz zu fördern. Eine gleich wirksame Förderung der Motivation habe in einem ambulanten Rahmen nicht gelingen können. Insoweit sei die Aufrechterhaltung der Behandlungsmotivation – entgegen der Aussage des Sachverständigen – sehr wohl von einer Fortsetzung der stationären Therapie abhängig gewesen. Auch habe der Rückfall des Versicherten bzw dessen Ausflug nach H______ die Aufarbeitung desselben in dem Krankenhaus erforderlich gemacht. Das Gutachten vom 10. Mai 2021 kranke schließlich grundsätzlich daran, dass den dort aufgestellten Behauptungen des Sachverständigen keinerlei medizinische Begründungen zur Seite gestellt seien, die die Feststellungen des Sachverständigen nachvollziehbar machten.

 

In der Berufungsverhandlung am 25. Januar 2022 hat der Sachverständige Dr. H1______ sein Gutachten im einzelnen erläutert und ist von dem Senat und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin näher befragt worden. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung wird auf die diesbezügliche Sitzungsniederschrift verwiesen.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von der Klägerin vorgelegten Patientenakte und der von der Beklagten eingereichten Verwaltungsakte, die Gegenstand der Berufungsverhandlung geworden sind, Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

I.

Die unproblematisch zulässige – insbesondere form- und fristgerecht im Sinne des § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte – Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die auf Zahlung weiterer Krankenhausvergütung gerichtete Klage abgewiesen. Der klagweise verfolgte Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

 

Streitgegenständlich ist als Hauptforderung ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankenhausvergütung für einen oder mehrere nicht näher bekannte(n) Behandlungsfall/-fälle in Höhe von 2.266,60 EUR. Dabei ist vorliegend allein umstritten, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, gegen diesen (nicht umstrittenen) Vergütungsanspruch mit einem Anspruch auf Erstattung von für die Behandlung des Versicherten im Zeitraum vom 5. bis zum 14. Juni 2011 zunächst gezahlter Krankenhausvergütung – in entsprechender Höhe – am 20. Juli 2012 aufzurechnen. In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass sich in einem solchen Fall die gerichtliche Prüfung auf das Bestehen des von der Krankenkasse im Wege der Aufrechnung realisierten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs beschränken kann und eine nähere Prüfung des eingeklagten Vergütungsanspruchs nicht erforderlich ist (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 57/12 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 8; Urteil vom 25. Oktober 2016, B 1 KR 9/16 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 8). Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der Senat aus prozessökonomischen Gründen auf die Prüfung, ob der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte öffentlich-rechtliche Anspruch auf Erstattung von überzahlter Krankenhausvergütung für die Behandlung des Versicherten im Zeitraum vom 5. bis zum 14. Juni 2011 bestanden hat.

 

Ein solcher öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ist im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt und leitet sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung her. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind und verschafft in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Recht auf Herausgabe des Erlangten (BSG, Urteil vom 3. April 2014, B 2 U 21/12 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 22). Die Vergütungszahlung der Beklagten für die Behandlung des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum vom 5. bis zum 14. Juni 2011 wäre dann ohne Rechtsgrund erfolgt, wenn der Klägerin insoweit ein Vergütungsanspruch (den die Beklagte zunächst am 12. Juli 2011 befriedigt hatte) gar nicht zustand. Letztlich ist daher materiell das Bestehen eines Vergütungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten im vorgenannten Zeitraum zu prüfen.

 

Den Zahlungsanspruch für den oder die zwischen den Beteiligten nicht umstrittene(n) Behandlungsfall/-fälle macht die Klägerin zu Recht im Wege der echten Leistungsklage geltend, weil sich Krankenhaus und Krankenkasse in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen; es bedarf zur Geltendmachung gegenseitiger Ansprüche mithin weder eines mit dem Erlass eines Verwaltungsakts abschließenden Verwaltungsverfahrens, noch eines Vorverfahrens (vgl exemplarisch BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172 ff; Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 24/08 R, Breith 2010, 201 ff; Urteil vom 17. September 2013, B 1 KR 51/12 R, NZS 2014, 62 ff). Die rechtliche Prüfung bezieht nach der vorstehend skizzierten Rechtsprechung des BSG zur Geltendmachung von Krankenhausvergütungsansprüchen nach Aufrechnung durch die Krankenkasse mit einem (vermeintlichen) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und vorangegangener Befriedigung des Anspruchs freilich auf das Bestehen/Nicht-bestehen eines Vergütungsanspruchs für den ursprünglichen Behandlungsfall – hier des Vergütungsanspruchs der Klägerin für die vollstationäre Behandlung des Versicherten im Zeitraum zwischen dem 5. und dem 14. Juni 2011.

 

Rechtsgrundlage dieses Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22. Oktober 2010 (BGBl I, S. 2309) in Verbindung mit §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 9 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in der Fassung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17. März 2009 (BGBl I, S. 534) und mit § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Fassung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17. März 2009 (BGBl I, S. 534) sowie mit der zwischen den Beteiligten gegolten habenden Vereinbarung zu Krankenhausentgelten und

-pflegesätzen für das Jahr 2011, die von Seiten der Klägerin am 6. Juli 2011 unterzeichnet wurde (EntGV 2011; in Geltung vom 1. September 2011 bis zum

31. Oktober 2012).

 

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 25/13 R; BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 26/13 R, beide zitiert nach juris). Voraussetzung für einen Zahlungsanspruch des Krankenhauses ist, dass beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der GKV und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen müssen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 27/13 R, BSGE 117, 82 ff). Als besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt anzusehen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlungen, einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses (BSG, aaO). Das gleiche gilt, wenn medizinische Rehabilitation ausreichend ist (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005, B 3 KR 9/03 R, zitiert nach juris).

 

1.)

Es unterliegt nach Ansicht des Senats keinem ernsthaften Zweifel, dass die rechtliche Prüfung, ob bei dem Versicherten im hier streitigen Zeitraum (noch) eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in diesem Sinne vorgelegen hat, auch unter – gemäß §§ 106 Abs 3 Nr 2, 118 Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff Zivilprozessordnung (ZPO) im Wege des Urkundenbeweises erfolgender – Auswertung der Behandlungs- bzw Patientenakte der Klägerin zu erfolgen hat, ganz so wie das Sozialgericht in rechtlich gebotener Weise verfahren ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin unterfällt die Krankenakte hier keinem Beweisverwertungsverbot, weshalb ihre Einbeziehung in die Urteilsfindung durch das Sozialgericht auch keinen Verfahrensmangel im Sinne der §§ 144 Abs 2 Nr 3, 159 Abs 1 Nr 2 SGG darstellt.

 

Zwar ist die in § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V normierte Sechs-Wochen-Frist hier offenkundig versäumt worden. Die Beklagte hat den MDK nicht innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der hier interessierenden Abrechnung der Klägerin vom

24. Juni 2011 im Sinne des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V mit der Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung beauftragt, woraus denklogisch folgt, dass der MDK die entsprechende Beauftragung der Klägerin auch nicht innerhalb der Frist des

§ 275 Abs 1c Satz 2 SGB V anzeigen konnte. Das BSG differenziert im Rahmen des § 275 Abs 1 Nr. 1 SGB V zwischen (bloßen) sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfungen und Auffälligkeitsprüfungen. Allein für letztere folgt aus einer Versäumung der Einleitungs- und Anzeigefrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V – im Grundsatz – ein Beweisverwertungsverbot für solche (über die nach § 301 Abs 1 und 2 SGB V zwingend zu meldenden Daten hinausgehenden) Behandlungsdaten, in die das Krankenhaus dem MDK unter Berufung auf die Versäumung der vorgenannten Sechs-Wochen-Frist keine Einsicht gewährt, das sich sowohl im Rahmen des Prüfverfahrens nach § 275 SGB V auswirkt, als auch in einem nachfolgenden Sozialgerichtsprozess (BSG, Urteil vom 1. Juli 2014, B 1 KR 29/13 R, BSGE 116, 165 ff). Bei einer Prüfung des Vorliegens von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit an sich und – daran anknüpfend – der Dauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im konkreten Einzelfall, wie sie vorliegend von der Beklagten in Auftrag gegeben wurde, handelt es sich normativ um eine Prüfung dahin, ob das Krankenhaus den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs 1 SGB V beachtet hat und mithin um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG (BSG, aaO, vgl auch das entsprechende juris-Doku-ment, dort Rn 22; BSG, Urteil vom 16. Juli 2020, B 1 KR 15/19 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 23).

 

Gleichwohl unterliegt die Behandlungsakte hier keinem Beweisverwertungsverbot. Das BSG hat mit Urteil vom 14. Oktober 2014 (B 1 KR 34/13 R, SozR 4-2500

§ 301 Nr 5) ausdrücklich entschieden, dass Behandlungsunterlagen, die das Krankenhaus dem MDK vorprozessual freiwillig übergibt, auch dann keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wenn die Prüfanzeige dem Krankenhaus erst nach Ablauf der sechswöchigen Anzeigefrist zugeht. Das BSG hat in dem vorzitierten Urteil explizit ausgeführt (Rn 17 des entsprechenden juris-Dokuments):

 

„Aus § 275 Abs 1c S 2 SGB V ergibt sich jedenfalls dann kein Beweisverwertungsverbot (vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 28 mwN), wenn das Krankenhaus die als Grundlage des Gutachtens dienende Krankenakte freiwillig an den MDK herausgibt, obwohl es sich auf § 275 Abs 1c S 2 SGB V berufen könnte. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 21), konkretisiert und sichert § 275 Abs 1c S 2 SGB V abschließend den sich aus § 275 Abs 1c S 1 SGB V ergebenden Beschleunigungsgrundsatz durch die Einführung einer Frist (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 10; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 30 und 33 ff; zur Nichtigkeit weitergehender vertraglicher Regelungen vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 35 ff). Die Regelung führt eine Frist von sechs Wochen nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der KK ein, innerhalb derer die KK die Prüfung einzuleiten und der MDK dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat. In der Rechtsprechung der in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür zuständigen Senate des BSG ist geklärt, dass diese Frist nur Bedeutung erlangt, wenn dem MDK weitere Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sind, die über eine Anzeige nach § 301 SGB V und die Vorlage eines Kurzberichtes hinausgehen. Der ungenutzte Ablauf der Frist führt lediglich dazu, dass KK und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der KK im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat (vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 39 mwN; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 28 mwN). Dies hindert das Krankenhaus nach Fristablauf nicht daran, dem MDK angeforderte Sozialdaten aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Es ist bloß berechtigt, entsprechende Anforderungen zu verweigern und ggf abzuwehren. Ebenso bleibt das Recht der KK unberührt, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 33 und 35 - 36). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest.“

 

Vorliegend hat die Klägerin dem MDK anlässlich der Begehung des Krankenhauses am 24. Februar 2012 aus freien Stücken Einsicht in die vollständige Behandlungsakte gewährt, ohne dies unter Verweis auf die Versäumung der Frist des

§ 275 Abs 1c Satz 2 SGB V zu verweigern. Dies hat sie im vorliegenden Rechtsstreit selbst mehrfach ausdrücklich eingeräumt. Damit steht nach vorstehend zitierter höchstrichterlicher Rechtsprechung unzweifelhaft fest, dass die Behandlungsakte auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses als Beweismittel verwertbar war – und durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in ordnungsgemäßer Wahrnehmung ihrer aus § 103 Satz 1 SGG folgenden Amtsermittlungspflicht auch verwertet werden musste. Das dagegen von der Klägerin vorgebrachte Argument, sie sei im sozialgerichtlichen Verfahren deshalb nicht zur Vorlage der Behandlungsakte (in ausgedruckter Form) verpflichtet, weil dem MDK-Prüfer am 24. Februar 2012 lediglich Einsicht in die Behandlungsakte in digitaler Form – also am PC – gewährt worden sei, ist nicht überzeugend. Selbstverständlich kommt es im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Beweisverwertungsverbots im oben dargelegten Sinne allein auf den materiellen Inhalt der dem MDK vom Krankenhaus zur Verfügung gestellten Daten an – der hier zwischen der digital von Dr. K_____ eingesehenen und der in Papierform dem Sozialgericht übersandten Behandlungsakte erklärtermaßen identisch ist –, und nicht auf den „Aggregatzustand“ der Daten. Es ist nicht ansatzweise ein sachlicher Grund dafür erkennbar, weshalb dem Gericht Daten vorenthalten bleiben müssten, nur weil sie auf Papier gedruckt wurden, wohingegen sie – der Auffassung der Klägerin folgend – dem Gericht aber in digitaler Form zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen wären. Im Übrigen stellt auch für das BSG die Einsichtnahme in Behandlungsdaten eine Übergabe bzw Herausgabe dieser Daten im Sinne seiner Rechtsprechung dar, wie ein Blick in den Tatbestand des vorstehend zitierten Urteils vom 14. Oktober 2014 belegt; auch dort ist davon die Rede, dass dem MDK vorgerichtlich – lediglich – Einsicht in die Krankenakte gewährt wurde (vgl Rn 4 des entsprechenden juris-Dokuments).

 

2.)

Eine medizinische Erforderlichkeit für die stationäre Behandlung des Versicherten im über den 4. Juni 2011 hinausgehenden Zeitraum war nicht (mehr) gegeben. Bei der sich bis zum 14. Juni 2011 erstreckt habenden, hier streitbefangenen stationären Behandlung des Versicherten handelt es sich um eine qualifizierte Entzugsbehandlung im Sinne der Ziff 3.3 der im Behandlungszeitraum Geltung beanspruchenden und 2003 veröffentlichten S 2-Leitlinie „Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen“ der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (im folgenden: AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit). In sozialgerichtlichen Verfahren sind die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) als zulässige Erkennt-nisquellen zu medizinischen Sachverhalten anerkannt (vgl dazu BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, zitiert nach juris, s. dort Rn 26). Nach Ziff 3.3.2 der AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit umfasst die qualifizierte Entzugsbehandlung (für die synonym auch der Begriff der Entgiftungs- und Motivationsbehandlung verwendet wurde) neben der Behandlung eines akuten Alkoholentzugssyndroms eine häufig mehrere Wochen andauernde Behandlung zur Wiederherstellung neuropsychologischer und kognitiver Fähigkeiten nebst emotionaler Stabilität und die Therapie etwaiger komorbider körperlicher Erkrankungen, wobei häufig auftretenden psychosozialen Krisensituationen Rechnung zu tragen ist (vgl zur aktuellen Definition der qualifizierten Entzugsbehandlung: Tabelle 2 auf Seite 73 der S 3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ der Deutschen Gesellschaften für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde sowie für Suchtforschung und Suchttherapie eV in der aktualisierten Version aus 2020). Dass es sich bei der fraglichen Behandlung des Versicherten um eine qualifizierte Entzugsbehandlung handelt, entnimmt der Senat sowohl dem Schreiben der Oberärztin Rohde der Klägerin vom 26. März 2012, in dem diese die Behandlung als „qualifizierte Entgiftung“ bezeichnet, als auch den Darlegungen der Sachverständigen Dr. M____ in ihrem Gutachten vom 13. März 2016, die dort unter lit D des Abschnitts „Zusammenfassung der Befunde aus der Behandlungsakte und sich daraus ergebende Fragen“ (enthalten in Teil I „Aktenlage“) denselben Terminus verwendet.

 

Zwar stellt die stationäre Durchführung einer qualifizierten Entzugsbehandlung nach den Ausführungen zu den Ziff 3.3.2 und 3.3.3 der 2003 veröffentlichten AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit wohl die Regel dar – wobei bereits unter Ziff 3.3.1 der S 2-Leitlinie ausdrücklich auch Behandlungen in einer Tagesklinik und ambulante Behandlungen als mögliche „Settings“ benannt werden; ausschlaggebend für die Therapieform soll danach die Fähigkeit des Patienten sein, von dem jeweiligen „Setting“ zu profitieren. Nach Ziff 3.3.3 der AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit ist eine ambulante (oder zumindest teilstationäre) Durchführung der qualifizierten Entzugsbehandlung dann indiziert, wenn die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit und/oder eine unterstützende Bezugsperson im häuslichen Umfeld vorhanden ist, die Bereitschaft zur Abstinenz und zur Einhaltung des Therapieplans gegeben ist, die Risiken eines Therapieabbruchs oder Rückfalls gering sind und keine der folgenden Kontraindikationen vorliegt:

  • Verwirrtheit oder Halluzinationen;
  • schweres Erbrechen;
  • Suizidalität;
  • akute körperliche Komorbidität;
  • Polytoxikomanie;
  • schlechter Allgemeinzustand;
  • gescheiterte frühere ambulante Entzugsversuche;
  • schwere Entzüge in der Vergangenheit mit cerebralen Anfällen. 

 

Dass für die qualifizierte Entzugsbehandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum vom 5. bis zum 14. Juni 2011 noch eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gegeben war, wird nicht nur von dem MDK-Gutachter Dr. K_____ verneint, sondern im Ergebnis übereinstimmend auch von der erstinstanzlich tätig gewesenen Sachverständigen Dr. M_____ und dem vom Senat im Berufungsverfahren beauftragten Dr. H1____. Auf das sich aus diesen sachverständigen Aussagen ergebende Gesamtbild stützt sich die Auffassung des Senats, wonach es im relevanten Behandlungszeitraum an einer fortbestehenden Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten gemangelt hat. Die Feststellungen des Dr. K_____ sind im Hinblick darauf, dass der Alkoholentzug im Rahmen des Krankenhausaufenthalts ab dem 26. Mai 2011 milde verlief und eine diesbezügliche medikamentöse Unterstützung nicht erforderlich war, nachvollziehbar. Der Versicherte hat – neben einer Schmerzmedikation und damit zusammenhängender Schutzmedikation für die Magenschleimhaut wegen Knieschmerzen – lediglich ab dem 3. Juni 2011 das beruhigende und schlaffördernde Arzneimittel Atosil erhalten. Dies belegt in der Tat einen milden Entzugsverlauf ohne schwere Entzugssymptome wie Verwirrtheit, Halluzinationen oder schweres Erbrechen, die nach den Ziff. 3.3.3 der AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit Indikationen darstellen, die gegen die Vornahme der Suchtbehandlung im Rahmen eines ambulanten „Behandlungssettings“ sprechen. Darauf, dass bei dem Versicherten schwere Entzugssymptome zu erwarten gewesen wären, deutet zudem nichts hin – dies vor allem deshalb, weil der Versicherte erst im Zeitraum vom 4. bis zum 24. Mai 2011 eine Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Therapie seiner Alkoholabhängigkeit absolviert hat und er im Rahmen dieser Behandlung dem Alkoholkonsum entwöhnt worden war; eine schwere körperliche Entzugssymptomatik infolge eines jeweils vereinzelten Alkoholkonsums am 26. Mai 2011 und sodann auch nochmals am Abend des 1. Juni 2011 (bzw in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2011) erscheint ausgeschlossen – worauf auch der Sachverständige Dr. H1_____ im Rahmen der Befragung vor dem Senat im Rahmen der Berufungsverhandlung hingewiesen hat. Im Übrigen lagen bei dem Versicherten auch keine erheblichen und akuten körperlichen Komorbiditäten, keine Polytoxikomanie und kein schlechter Allgemeinzustand vor; frühere schwer verlaufene Entzüge, in deren Verlauf insbesondere Krampfanfälle aufgetreten wären, sind überdies nicht dokumentiert.

 

Die Feststellungen der Sachverständigen Dr. M_____ stützen sich maßgeblich darauf, dass jedenfalls ab dem 29. Mai 2011 bzw seit der an jenem Tag erfolgten „Verlegung“ des Versicherten in den offenen Therapiebereich eine Suizidalität des Versicherten nicht mehr vorgelegen habe und zudem bei diesem ausreichend Kenntnisse über die erfolgreiche Durchführung einer ambulanten Suchtbehandlung (wegen der vorangegangenen zahlreichen Krankenhausbehandlungen, während welcher ihm diese Kenntnisse vermittelt worden sein müssten) vorhanden gewesen seien. Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Eintragungen im Pflegebericht vom 31. Mai 2011, in denen von „Gedankenspielen“ des Versicherten die Rede ist, sich von einem Bus überfahren zu lassen, einwendet, dass die Suizidalität über den 29. Mai 2011 hinaus angedauert habe, ist das nicht überzeugend. Zum einen wäre dann überhaupt nicht erfindlich, weshalb dem Versicherten bereits seit dem 29. Mai 2011 „Ausgang“ in die Stadt N_______ gewährt worden war, zum anderen ist in dem Pflegebericht ausdrücklich davon die Rede, dass der Versicherte sich „beim Rückfall“ solchen „Gedankenspielen“ hingegeben hatte. Mit „Rückfall“ kann hier allein das erneute Konsumieren von Alkohol am Morgen des 26. Mai 2011 – kurz nach seiner Entlassung aus der vorangegangenen Krankenhausbehandlung seiner Alkoholsucht am 24. Mai 2011 – gemeint sein, nicht aber der während des hier streitbefangenen Krankenhausaufenthalts erfolgte Rückfall, der erst am 1. Juni 2011 erfolgte. Eine Suizidalität des Versicherten kann für den hier noch relevanten Zeitraum daher ausgeschlossen werden. Darüberhinaus lässt sich auch ein Misserfolg früherer ambulanter Entgiftungen nirgends ersehen (freilich im Gegensatz zu Misserfolgen zahlreicher stationärer Suchtbehandlungen – jedenfalls, wenn man die Unfähigkeit des Versicherten, seinen schädlichen Alkoholkonsum dauerhaft zu beenden, als Misserfolg in diesem Sinne wertet). Festzuhalten bleibt aber, dass keine der unter Ziff 3.3.3 der AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit genannten Kontraindikationen für eine ambulante oder teilstationäre Durchführung der qualifizierten Entzugsbehandlung bei dem Versicherten im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen haben.

 

Der Senat geht weiter davon aus, dass auf Seiten des Versicherten im fraglichen Zeitraum auch die Bereitschaft zur Abstinenz und zur Einhaltung des Therapieplans gegeben gewesen ist. Soweit die Klägerin dies unter Verweis auf den am

1. Juni 2011 erfolgten Rückfall des Versicherten in einen – keineswegs übermäßigen – Alkoholkonsum in Abrede stellt, greift das nicht durch. Der Sachverständige Dr. H1_____ hat insoweit in seinem schriftlichen Gutachten ausführt, dass eine infolge des – worauf der Sachverständige ausdrücklich hinweist: von dem Versicherten selbst bereuten – Rückfallgeschehens ausgelöste Motivation zur Alkoholentwöhnung nicht davon abhängig gewesen sei, dass diese Entwöhnung stationär durchgeführt werde. Daran hat der Sachverständige im Rahmen seiner Befragung vor dem Senat am 25. Januar 2022 festgehalten und es ausdrücklich als möglich erachtet, dass die Änderungsbereitschaft des Versicherten im Hinblick auf sein Trinkverhalten sogar (im Sinne eines „heilsamen Schocks“) durch den Ausflug nach H______ selbst hervorgerufen worden sein könnte und es daher keinerlei therapeutischer Anstrengungen zur Begründung oder Verstärkung der entsprechenden Motivation mehr bedurft habe – oder doch zumindest, dass die Abstinenzmotivation auch mit ambulanten Therapiemaßnahmen in einem ausreichenden Maße „am Leben gehalten“ hätten werden können. Der Senat sieht in diesem Zusammenhang den Umstand, dass der Versicherte nach dem Rückfallgeschehen vom 1./2. Juni 2011 aus eigenem Antrieb wieder in das Krankenhaus der Klägerin zurückkehrte, um die Therapie fortzusetzen – und in diesem Zusammenhang noch bewusst zuwartete bis sein Blutalkohol möglichst abgebaut war, um die Bereitschaft zur Fortsetzung der Therapie von Seiten der behandelnden Krankenhausärzte nicht zu gefährden –, als erhebliches Indiz für eine starke Therapie- und künftige Abstinenzbereitschaft des Versicherten an. Damit einher geht, dass auch eine Bereitschaft des Versicherten zur Befolgung eines ärztlichen Therapieplans im Zuge einer ambulanten Behandlung anzunehmen ist – und weiter, dass die Gefahr eines weiteren Rückfalls bzw eines Therapieabbruchs jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum gering war.

 

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29. November 2021, mit dem sie zu dem Gutachten des Dr. H1_____ Stellung genommen hat, erstmals vorgebracht hat, dass die Krankenhausbehandlung über den 4. Juni 2011 als Motivationstherapie medizinisch erforderlich gewesen sei, weil der Versicherte angesichts seines sozialen Umfelds außerhalb des Krankenhauses „mit relativer Sicherheit“ einen erneuten Alkoholrückfall erlitten hätte, wäre er bereits an jenem Datum aus der stationären in eine ambulante Behandlung entlassen worden, dringt sie damit nicht durch. Zwar spricht auch der Sachverständige Dr. H1____ auf Seite 12 seines Gutachtens vom 10. Mai 2021 von einer Einsicht, sein soziales Umfeld wechseln zu müssen, die sich auf Seiten des Versicherten eingestellt habe. Dabei rekurriert der Sachverständige – wie offenbar auch die Klägerin mit ihrem Einwand vom 29. November 2021 – allein auf die „Knastkollegen“, mit denen sich der Versicherte am Abend des 1. Juni 2011 in H______ getroffen hatte. Dabei dürfte es sich in der Tat um ein künftige, dauerhafte Abstinenz des Versicherten gefährdendes Umfeld handeln. Unberücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang aber, dass es in Neumünster (dem Wohnort des Versicherten) offenbar auch ein seine Alkoholabstinenz unterstützendes soziales Umfeld gab. Denn aus dem Entlassungsbericht der Klägerin ergibt sich eindeutig, dass der Versicherte am 26. Mai 2011 von mehreren Freunden und Freundinnen zur Aufnahme im klägerischen Krankenhaus (dass diese ohne entsprechende ärztliche Einweisung erfolgte, ist rechtlich nicht erheblich, weil die ärztliche Krankenhauseinweisung weder Voraussetzung des Anspruchs eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung, noch des Vergütungsanspruchs des Krankenhausträgers ist: BSG, Urteil vom 19. Juni 2018, B 1 KR 26/17 R, BSGE 126, 79 ff) begleitet worden war, die die dortige neuerliche stationäre Aufnahme offenbar befürworteten und – in Gestalt einer „anwesenden Freundin“ – auch von neuerlichem Alkoholkonsum am Morgen jenes Tages berichteten. Diese Freundesgruppe unterstützte den Versicherten mithin augenscheinlich bei seiner Entscheidung, nunmehr seine Biografie aufzuarbeiten, um so mit sich ins Reine zu kommen und auf diese Weise die Alkoholsucht zu beenden. Insofern kann nach Ansicht des Senats sehr wohl von einer sozialen Unterstützung des Versicherten im Falle einer ambulanten Fortführung der qualifizierten Entzugsbehandlung ausgegangen werden. Zu dieser Einsicht ist schließlich im Zuge der Befragung durch den Senat auch der Sachverständige Dr. H1____ gelangt. Da für den Versicherten mithin an seinem Wohnort ein seine dauerhafte Abstinenz unterstützendes soziales Umfeld vorhanden war, sind sämtliche unter Ziff. 3.3.3 der AWMF-Leitlinie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit genannten Voraussetzungen für eine ambulante (oder teilstationäre) Durchführung der qualifizierten Entzugsbehandlung vorliegend gegeben. Dies steht in Einklang mit der Einschätzung aller den vorliegenden Sachverhalt beurteilt habenden Sachverständigen, wonach die Alkoholabhängigkeit des Versicherten im fraglichen Zeitraum ab dem 4. Juni 2011 ambulant hätte (weiter-) behandelt werden können. Der Senat schließt sich deshalb dieser einhelligen sachverständigen Bewertung an.

 

In rechtlicher Hinsicht weist der Senat zudem auf ein zustimmungswürdiges Urteil des LSG Hamburg vom 28. September 2017 (L 1 KR 27/16, zitiert nach juris) hin, das ebenfalls die Frage nach der Notwendigkeit der stationären Behandlung einer Alkoholabhängigkeit betrifft. Der Orientierungssatz des Urteils lautet:

 

„Die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung. Versicherte mit einem schweren psychischen Leiden haben Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams unter fachärztlicher Leitung erfolgversprechend verwirklicht werden kann. Bei emotionaler Instabilität mit Depressivität nach vorangegangenem Alkoholrückfallgeschehen ist eine ambulante Behandlung nicht ausreichend, um eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes zu verhindern.“

 

Dabei stellt gerade die Notwendigkeit eines komplexen Behandlungsansatzes, der das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams erforderlich macht, den wesentlichen Grund für die Bejahung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit dar. Die im Vergleich zu Praxen ambulanter ärztlicher Leistungserbringer regelmäßig bessere apparative Ausstattung von Krankenhäusern, die nach der o.g. Definition der „besonderen Mittel eines Krankenhauses“ grundsätzlich ein wichtiges Kriterium zur Bejahung von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit darstellt, tritt dann in seiner Bedeutung zurück. Auch das LSG Hamburg (aaO) und das Sozialgericht in seinem angefochtenen Urteil haben insoweit zu Recht ausgeführt, dass vor allem bei psychiatrischer Behandlung – und um eine solche handelt es sich im Falle einer Suchtbehandlung – der Einsatz von krankenhausspezifischen Gerätschaften in den Hintergrund treten und allein schon die Notwendigkeit des kombinierten Einsatzes von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausschließen und eine stationäre Behandlung erforderlich machen kann (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R, zitiert nach juris, s. dort

Rn 28 – 33).

 

Wenn man zugunsten der Klägerin unterstellte, dass die Behandlung der Alkoholsucht des Versicherten einen komplexen Behandlungsansatz mitsamt der Betreuung durch ein multiprofessionelles Teams unter fachärztlicher Leitung erforderte, so fehlt es vorliegend jedenfalls an – dokumentierten – schweren psychischen Leiden des Versicherten, die in ihrer Qualität einer emotionalen Instabilität mit Depressionen gleichkämen. Dies gilt insbesondere für den hier noch relevanten Zeitraum vom 5. bis zum 14. Juni 2011. Denn für diesen Zeitraum fehlt es an jeglichem Hinweis auf eine fortbestehende Suizidalität des Versicherten. Vielmehr gibt es nach Aktenlage deutliche Hinweise darauf, dass auf Seiten des Versicherten in diesem Zeitraum keine Selbsttötungstendenzen mehr vorlagen. Insoweit ist zunächst der bereits oben erörterte Umstand anzuführen, dass der Versicherte bereits seit dem 29. Mai 2011 Ausgang aus dem Krankenhaus nach eigenem Gutdünken im sog. offenen Therapiebereich erhielt – eine solche ärztliche Anordnung wäre in Bezug auf einen latent selbstmordgefährdeten Patienten nicht ergangen. Des weiteren findet sich im Pflegebericht unter dem 4. Juni 2011 die Eintragung: „Pat. ist viel unterwegs, redet auch gerne. Ist im Gespräch sehr läppisch, findet alles sehr lustig.“ Daraus wird eine Geistesverfassung des Versicherten ersichtlich, die so ziemlich das Gegenteil von akuter Suizidalität darstellt. Aber auch andere, ggf weniger gravierende psychische Erkrankungen des Versicherten sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt jede diesbezügliche Medikation des Versicherten (bei dem Arzneimittel Atosil handelt es sich um ein mild wirkendes Beruhigungsmittel, das bei „innerer Unruhe“ verordnet wird und dessen antipsychotische Wirkung, wenn überhaupt vorhanden, nur sehr schwach ausgeprägt ist). Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. M____ in ihrem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus der Behandlungsdokumentation nicht ersichtlich ist, dass der Versicherte während der hier in Rede stehenden Krankenhausbehandlung gezielt auf eine mit der Alkoholabhängigkeit vergesellschaftete psychiatrische Co-Morbidität therapiert worden wäre. Mithin sind auch die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zur Therapie einer Alkoholabhängigkeit, die das LSG Hamburg in seinem vorzitierten Urteil vom 28. September 2017 aufgestellt hat, im noch streitbefangenen Zeitraum nicht gegeben.

 

3.)

Die Klägerin vermag ihren mit der vorliegenden Klage verfolgten Anspruch auf Zahlung weiterer Krankenhausvergütung schließlich auch nicht auf die von der Beklagten unter dem 17. Juni 2011 abgegebenen Kostenzusagen zu stützen. Nach dem BSG stellt die Kostenzusage keine konstitutive Voraussetzung des Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses dar und kann zudem befristet oder auch unter den Vorbehalt gestellt werden, dass die dem Vergütungsanspruch zugrunde liegende Behandlung medizinisch notwendig war (vgl BSG, Urteil vom 20. November 2008, B 3 KN 4/08 KR R, zitiert nach juris, s. dort Rn 13). Allenfalls mit einer vorbehaltlos erteilten Kostenzusage können einzelne den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses begründende Voraussetzungen mit der Folge bestätigt werden, dass die Krankenkasse mit bekannten oder zumindest erkennbaren Einwendungen ausgeschlossen ist (BSG, aaO). Vorliegend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Mai 2017 erklärt, dass ihre beiden vom 17. Juni 2011 datierenden Kostenzusagen – also sowohl die den Zeitraum vom 26. Mai bis zum 4. Juni 2011 betreffende, als auch die auf den Zeitraum ab dem 5. Juni 2011 bezogene – mit dem Zusatz versehen waren: „Kostenzusage und etwaige Zahlung erfolgen unter dem Vorbehalt einer rechtlichen und medizinischen Überprüfung“. Dieser Vorbehalt lässt sich zwanglos allein auf die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung des Versicherten und ggf ihrer erforderlichen Dauer beziehen; die von der Beklagten erteilten Kostenzusagen sind mithin ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer näheren medizinischen Prüfung abgegeben worden und nicht vorbehaltlos erfolgt.

 

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorbringt, dass die zwischen den Krankenkassen-Spitzenverbänden und der Deutschen Krankenhausgesellschaft am 5. Dezember 1994 geschlossene und von ihr als Anlage zum dortigen Schriftsatz vom 11. Januar 2022 vorgelegte „Datenübermittlungsvereinbarung

§ 301 SGB V“ keine Rechtsgrundlage für die Befristung einer Kostenzusage vorsehe, ist dies unerheblich. Von rechtlicher Bedeutung ist allein der in den Kostenübernahmeerklärungen enthaltene Vorbehalt einer noch vorzunehmenden medizinischen Prüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten. Nach der vorstehend zitierten Entscheidung des BSG vom 20. November 2008 ist ein solcher Vorbehalt in einer Kostenzusage zulässig. Ob die Kostenzusagen darüber hinaus in zulässiger Weise befristet waren oder nicht, spielt für das Ergebnis – nämlich, dass die Klägerin den von ihr verfolgten Anspruch auf Zahlung weiterer Krankenhausvergütung nicht auf eine der Kostenzusagen vom 17. Juni 2011 zu stützen vermag – keine Rolle.

 

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit

§ 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

III.

Gründe, die nach § 160 Abs 2 SGG die Zulassung der Revision erforderten, sind nicht gegeben.

 

IV.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Die Streitwertfestsetzung kann im Urteil erfolgen (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 197a Rn 5).

Rechtskraft
Aus
Saved