eHealth-Experte: Von Tech-Giganten aus China und USA abhängiger als wir denken

Über Risiken, dass Tech-Giganten wie Amazon sich in den deutschen Gesundheitsmarkt einkaufen, sprechen wir mit Digital-Health-Experte Eckhardt Weber.

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Stethoskop horcht am Smartphone

(Bild: greenbutterfly / Shutterstock)

Lesezeit: 18 Min.

Während Deutschland sich bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems schwertut, dringen Tech-Giganten aus den USA und Asien immer stärker in den Gesundheitsmarkt vor. Erst kürzlich hat Amazon die Polikliniken-Kette One Medical aufgekauft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Angebote wie Amazons virtueller Pflegedienst Amazon Care und der digitale Apothekendienst Amazon Pharmacy in den europäischen Markt und auch in Deutschland etablieren. Über die Gefahren, dass Amazon, Google & Co. sich in unser Gesundheitssystem einkaufen, haben wir mit Eckhardt Weber, einem Geschäftsführer des Venture Capital Fonds Heal Capital gesprochen.

Eckhardt Weber von Heal Capital

(Bild: Eckhardt Weber)

Ermöglicht haben Heal Capital die privaten Krankenkassen (PKV), mit denen das Unternehmen eng zusammenarbeitet. Während die PKVen die Geldgeber sind, bewertet Heal Capital die Start-ups und arbeitet die Vor- und Nachteile für Patienten heraus. Dabei investieren sie unter anderem in digital integrierte Arztpraxen, die Entwicklung robotergestützter Chirurgie und Instant-Messaging-Dienste für Mediziner und sind im gesamten deutschen Gesundheitsökosystem verwurzelt.

heise online: Wie sehen Sie die aktuellen Einflüsse großer Tech-Unternehmen im Gesundheitswesen, beispielsweise die Übernahme von One Medical durch Amazon?

Eckhardt Weber: Die Übernahme von One Medical ist sehr interessant, wir verfolgen schon länger, was Amazon da im Gesundheitsbereich vorhat. Es ist immer die große Frage, was Big Tech in dem Bereich macht. Das sehen wir als eine Entwicklung, bei der Gesundheit irgendwann auch von den großen Spielern – die meist eben nicht nur aus Europa kommen – dominiert wird. Sei es eben aus dem Westen oder auch neuerdings aus dem Osten.

Welche Abhängigkeiten haben wir im deutschen beziehungsweise im europäischen Raum von Big-Tech-Unternehmen bereits?

Weber: Wir haben bereits verschiedenste Abhängigkeiten, beispielsweise bei den Amazon Web Services (AWS) oder bei der Microsoft Cloud – bei Cloud-Lösungen auf denen Anbieter laufen.

Welche Dienste dürfen denn nicht mit AWS laufen?

Weber: Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) dürfen beispielsweise nicht auf diesen Cloud-Lösungen laufen, aber das gilt nicht für alle Gesundheitsunternehmen. Die Open Telekom Cloud, die von der Telekom betrieben wird, die alle deutschen Standards erfüllt, arbeitet wohl auch mit den Infrastrukturlösungen von Huawei. Und Huawei ist China und auch der Grund, warum Herr Trump irgendwann mal das ganze Smartphone Business von Huawei in den USA verbieten wollte. Ich glaube, teilweise wissen wir gar nicht mehr, wo bereits Abhängigkeiten entstehen oder entstanden sind. Solche Spieler sollten reguliert werden.

Wir müssten ein Accounting zu den Fragen machen "Wo sind wir bereits abhängig, wo sind wir fast blauäugig?" Die digitale Welt ist sehr miteinander vernetzt – daher sind wir wahrscheinlich schon abhängiger als wir denken. Deshalb macht es absolut Sinn, dass wir das ganzheitlich neu und mit politischem Willen denken und Voraussetzungen für Innovation schaffen. Damit wir rein europäische Cloud-Lösungen basierend auf rein europäischer Infrastruktur mit rein europäischer Software haben können.

Können Sie abschätzen, wie groß unsere Digitalisierungslücke im Bereich eHealth ist?

Eckhardt Weber: Die Digitalisierungslücke ist auf jeden Fall noch recht groß. Die ist aber auch in vielen Ländern groß, auch in den USA. Wenn ich jetzt auf das Gesundheitswesen schaue, dann sehe ich einfach, dass die Nachfrage jährlich steigt. Wir haben eine alternde Gesellschaft, wir haben potenzielle Lösungen, aber wir haben immer weniger Angebot. Ärzte und Pfleger fehlen, aber auch Geld, um die Leistungen zu bezahlen.

Es fehlt an Effizienz in dem System – da müssen wir ran. Keiner will sagen "ok, dann gibt es jetzt halt weniger für jeden und wir zahlen trotzdem jedes Jahr noch höhere Krankenkassengebühren", sondern wir müssen effizienter werden. Die einzige Lösung, die ich da sehe, liegt in der Digitalisierung. Glücklicherweise ist viel passiert, insbesondere dank des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, der viel in Bewegung gesetzt hat. Die Regierung von Lauterbach hinkt noch etwas hinterher, will jetzt aber verschiedene Digitalisierungsvorhaben anschieben. Wenn das dann kommt, machen wir einen großen Schritt nach vorn.

Bei Projekten wie der elektronischen Patientenakte, dem elektronischen Rezept und den Kommunikations- und Infrastrukturlösungen der Gematik sind wir immer noch nicht weit genug. Das sind teilweise Vorhaben, die sind vor 10 bis 15 Jahren gestartet.

Die Lücke ist recht groß, aber trotzdem ist es nicht so, dass das in den USA oder England unbedingt besser ist. Dort wird auch noch viel mit Papier gearbeitet und eine CD von A nach B getragen. Wir sind noch weit entfernt von anderen Industrien, ganz zu schweigen von Programmen, die rein mit Machine Learning laufen. So weit brauchen wir noch nicht denken, das kommt auch. In den nächsten paar Jahren wäre es gut, wenn wir die grundlegende, administrative Datennutzbarkeit und -verknüpfung im gesamten Gesundheitsmarkt stemmen können.

Aber haben wir überhaupt die Kapazitäten, das umzusetzen, weil wir irgendwie an jeder Ecke Entwicklermangel haben?

Weber: Das liegt dann wieder auf unserer Seite. Wir sind in dem Markt Kapitalgeber und wir müssen Kapital einwerben, um das in gute Entwicklerhände zu geben. In jedem Markt gibt es Entwickler, die schnell und gut entwickeln und es gibt welche, die langsamer sind. Da müssen wir sehen, dass die finanziellen Mittel zu den richtigen Leuten kommen. Wir müssen die guten Entwickler unterstützen und wir müssen aufzeigen, dass der europäische Markt groß genug ist. Die besten Unternehmer in Europa werden irgendwann sagen "mir werden jeden Monat fünf Knüppel zwischen die Beine geworfen, dann geh ich lieber in die USA, der Markt ist eh noch größer und dort werde ich hofiert, um meine Lösung auf dem Markt anzubieten". Das liegt teilweise auch an den Investoren in dem Bereich, aber wir arbeiten daran, dass das funktioniert.

Wie entscheiden Sie, in welche Gesundheitsunternehmen oder -vorhaben Sie investieren?

Weber: Wir suchen die Unternehmen, die die Gesundheitsplattformen der Zukunft werden können und eine sehr große Zahl an Patienten helfen, ihre Gesundheit zu verbessern. Dabei geht es stark darum, was das Gründerteam für eine Vision der Zukunft hat und wie sie diese erreichen will. Ökonomisch müssen es große Märkte sein und Potenzial für ein Milliardenunternehmen besitzen.

In Österreich gibt es seit Jahren die ELGA (elektronische Gesundheitsakte) und in Frankreich die „Dossier Médical Partagé“ (DMP). Auch in den skandinavischen Ländern soll es besser laufen. Hat das jetzt dort – wie häufig suggeriert – schneller funktioniert, weil die ePA dort mit Opt-out umgesetzt wurde oder gibt es dort auch andere Faktoren?

Weber: Ich denke, das ist multifaktoriell und liegt nicht nur am Opt-Out-Verfahren. In Frankreich weiß ich auch nicht, ob die das wirklich besser machen. Allerdings scheint es in den skandinavischen Ländern und den baltischen Staaten eine höhere Offenheit für die Digitalisierung des Verhältnisses Bürger und Staat und Bürger und Gesundheit zu geben. Das liegt insgesamt an einem höheren Vertrauensverhältnis der Bürger zum Staat. Die Bürger vertrauen darauf, dass mit den Daten sorgsam umgegangen wird. Das beginnt schon bei der digitalen Identität. Das ist auch etwas, das in Deutschland bisher nicht so wirklich funktioniert hat.

Es ist aber auch ein kulturelles Thema und nichtsdestotrotz müssen wir uns in diesen Ländern Dinge abschauen. Einerseits müssen wir politisch zeigen, dass die ePA mehr Vor- als Nachteile hat und ein Mehrwert für alle Beteiligten ist. Andererseits müssen wir dafür offener sein, dass auch unsere Daten Gemeingut sind und einen Mehrwehrt für alle liefern können. Wir sollten uns nicht gegen jede neue Veränderung wehren, sondern eine Akzeptanz zeigen. Mir ist aber durchaus bewusst, dass das ein komplexes Thema ist.

Was läuft bei der Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen durch die Gematik schief?

Weber: Nach meiner Sicht aus dem privaten Kapitalmarkt ist es so: Je digitaler ein Produkt, desto iterativer muss es auch gebaut werden. Je schwerer ist das top-down politisch umzusetzen. Es gibt sehr viele Partikularinteressen und die Anreize sind nicht so, dass man eben genau dort aufbaut. Im Zweifel denke ich, dass Apple sowas besser macht. Das ist ein Business getriebenes Unternehmen. Das versteht "wenn wir beim Datenschutz einen großen Fehler machen, dann verlieren wir das Vertrauen der Kunden und damit auch unsere Umsätze". Diese Unternehmen müssen dann sehr viel stärker darauf achten, dass sie beim Datenschutz keine Fehler machen. Dort, wo die Umsetzung politisch von oben nach unten stattfindet, geht es relativ langsam und qualitativ geringer als es bei der Privatwirtschaft der Fall wäre.

Bei der Gematik bekommt keiner "Ärger", keiner tritt zurück, es gibt keine "negativen Anreize". Wenn dort ein Fehler gemacht wird, dann regen wir uns kurz darüber auf und dann haben wir die Umsetzung im nächsten Jahr immer noch nicht. Bei einem privatgeführten Unternehmen gäbe es in einem solchen Fall keinen Umsatz mehr oder es werden Leute gekündigt. Wenn wir – sofern es nicht gut läuft – nicht etwas offener für Konsequenzen sind, dann haben wir nicht diese Voraussetzungen, die besten Produkte zu bauen. Wenn das andere Länder besser machen und ich später einen perfekten Mutterpass in meiner Apple-Health-Akte habe, warum soll ich die dann nicht nutzen? Die Marke hat mir schließlich Vertrauen gegeben. Klar muss man wegen der Anbindung schauen und ob es da beispielsweise eine passende Schnittstelle für die Gynäkologie oder den Kinderarzt.

Viele Unternehmen wollen die Schnittstellen allerdings nicht ohne Weiteres rausrücken. Sollte es Ihrer Ansicht nach strengere Regularien bezüglich der Interoperabilität geben?

Weber: Es gibt bereits einige Regularien, allerdings scheinen das zahnlose Tiger zu sein. So richtig öffnet niemand seine Schnittstellen. In Zukunft müssen Schnittstellen allerdings offener werden. Irgendwann wird der Druck durch die Kunden so hoch sein, dass wir mehr offene Schnittstellen brauchen. Praxisinhaber und Kliniken wollen dann beispielsweise verschiedene Lösungen in ihre erworbenen Produkte integrieren. Es darf meiner Meinung nach kein Praxisverwaltungssystem geben, das keine offenen Schnittstellen hat. Das ist eine reine Marktverhinderung. Das müsste man auch kartellrechtlich überlegen. Es gibt auch Player, die recht viele Marktanteile haben. In meinen Augen ist das etwas, gegen das härter vorgegangen werden müsste. Im Zweifel wird das der Markt mittelfristig regeln.

Aber auch nicht, wenn es so läuft, wie bisher?

Weber: Irgendwann wird der Kunde für ein Produkt so viele zusätzliche Software-Lösungen wollen, dass er seinen Anbieter wechselt, sobald dieser für jede Anbindung an die Schnittstellen Geld fordert. Wenn Apple beispielsweise sagt "wenn du Spotify nutzen willst, musst du für die Öffnung der Spotify-API erstmal 200 Euro an Apple bezahlen", dann würde ich mir an den Kopf fassen. Das wird auch irgendwann für den Gesundheitsbereich kommen, dass jeder Arzt sagt "hey, du bist mein Kernsystem, aber du musst jetzt alles öffnen, weil ich so viele verschiedene Lösungen habe, die ich anbinden will". Irgendwann werden die Kunden das nicht mehr akzeptieren. Die Hoffnung ist da, dass der Markt das regelt, wenn es politisch nicht schnell genug umgesetzt werden kann – aber das dauert auch etwas.

Haben Sie für die Telematikinfrastruktur auch eine Idee?

Weber: Für die Telematikinfrastruktur ist das schwieriger. Das ist die komplexeste Herausforderung, die wir im Gesundheitsbereich aktuell haben. Wenn ich mir die Anwendungsfälle anschaue, beispielsweise das E-Rezept oder den Nachrichtendienst oder den Datenaustausch, dann denke ich mir eigentlich: Das könnten auch Jungunternehmen bauen, die die einzelnen Anwendungsfälle adressieren. Wenn ich aber auf der anderen Seite sage, "ok, das ist das Intranet für Medizin in Deutschland, dann kann man schon sagen "ja, es ist sinnvoll, wenn das qualitativ hochwertig umgesetzt wird".

In der Umsetzung ist es bei den Konnektoren zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur so, dass da wieder viele Berater für viele IT-Projekte beauftragt wurden. Da ist wieder sehr viel Geld an Leute gegangen, die das so bauen, dass sie es nur selbst wieder lösen können. Langfristig ist das schwierig. Da sind wir wieder bei demselben Problem. Dinge top-down zu lösen, ist sehr anspruchsvoll. Ich wünschte, dass es jetzt einfach mal losgeht und funktioniert. Aber da jetzt nochmal umzudrehen und einen anderen Weg zu gehen, ist vielleicht auch falsch.

Gerade bei Software braucht es viele Iterationen. Das Produkt muss immer wieder angepasst werden. Es ist sehr schwierig, so etwas staatlich zu planen. Dazu beweg sich der Markt einfach viel zu schnell. Wir haben alle zwölf Monate ein iOS-Update. Alles, was ich mit Apple verbinde, muss ich alle zwölf Monate oder noch häufiger anpassen. Wenn das über eine Kaskade an Vorgaben geht, ist das sehr schwierig. Da entsteht dann ein Mismatch von Software im Consumer-Bereich zum Enterprise- und Healthcare-Bereich. Deshalb macht es mehr Sinn das der Privatwirtschaft zu überlassen, die in der Geschwindigkeit mitgehen kann.

Liegt es auch an den Ärzten und Kunden, daran etwas zu verändern?

Weber: Ja, wenn Kunden und Ärzte einfach verstärkt sagen „Wir wollen qualitativ das für uns Beste“ daher gibt es Wege drumherum, wie das System es am liebsten will, sprich Gematik, sprich Telemedizin, E-Rezept, dann entscheiden die Ärzte das. Das wird kommen. Wenn eine Gesundheits-App von Apple irgendwann besser ist als alles, was meine Versicherung mir anbieten kann, dann werde ich das nutzen. Die elektronische Patientenakte, die ich habe, beziehungsweise diese Datenakte, hat mich bisher noch nicht überzeugt und für mich noch keinen Mehrwert.

Was muss passieren, um die Digitalisierung auch im deutschen Gesundheitswesen voranzutreiben?

Weber: Wir haben schon sehr viel und wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem in Deutschland, aber ich glaube wir und weitere europäische Länder müssen es einfach schaffen, die Digitalisierung selbst hinzubekommen. Deshalb müssen wir herausfinden, was es für bestehende Blocker gibt und was wir für Enabler schaffen müssen. Diese können wir schaffen, wenn wir das Unternehmertum und Innovation fördern – sei es jetzt bei Neuunternehmern, Start-ups oder bei bestehenden Unternehmen. Wir müssen auf der Seite der Regulierung schauen, dass wir eine Vereinheitlichung haben und keinen fragmentierten europäischen Markt. Bei den bestehenden Blockern ist auch der Datenschutz ein Thema. Er ist absolut wichtig und sinnvoll, aber wir müssen auch gucken, wann die Hürde zu hoch ist und wann wir damit die Innovation beschränken.

Wir brauchen mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen, sonst können wir die Nachfrage irgendwann nicht mehr bearbeiten. Die Konsumenten wollen irgendwann auch die Vorzüge (Convenience) des Einkaufs bei Amazon kennen, oder bei der Musik auf Spotify oder beim Banking auf dem Smartphone. Wir brauchen die gleiche Service-Qualität auch im Gesundheitsbereich. Wenn Apple das liefert, dann werden wahrscheinlich viele Einzelpersonen sagen „ja, dann ist mir der Datenschutz doch nicht ganz so wichtig“, wie es uns bei Facebook schon seit Jahren passiert. Die Weichen müssen gestellt werden.

Könnte eine Vereinheitlichung des Datenschutzes helfen?

Weber: Es gibt Tendenzen zur Vereinheitlichung. Als Basis im Datenschutz gilt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Es gibt zwei Extreme, einerseits können wir europaweit etwas vereinheitlichen und auf der anderen Seite hat jedes Bundesland in Deutschland einen eigenen Datenschutzbeauftragten, der wiederum seine eigene auch teilweise sehr individuelle Auslegung der Normen und Regeln heranzieht. Wir schauen uns sehr viele Unternehmen an, die sich intensiv mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzen. Es gibt Länder, die um einiges offener für eine innovationsfreudigere Auslegung sind. Andere Länder sind relativ strikt. Auf der anderen Seite ist Europa. Wir sollten vom Kulturkreis her einen gemeinschaftlichen Datenschutz hinbekommen. Grundlage dafür sollte die DSGVO bilden.

Außerdem ist es ja wahrscheinlich besser, wenn die Daten nicht bei Konzernen wie Facebook liegen, sondern in Deutschland?

Weber: Ja, das eine ist: Liegt es bei Facebook oder Tiktok? Denn wenn wir ganz ehrlich sind, ist das heutzutage intensiv Tiktok und Tiktok ist China. Das andere ist: Wo werden Daten gehostet? Was ist die Cloud-Infrastruktur? Ist das eine, die auf europäischem Boden steht und auch europäischen Anbietern gehört oder sind es nicht europäische Anbieter oder vielleicht sogar Datenstrukturen, die außerhalb von Europa gelagert werden? Dann ist der Zugriff auch nicht wirklich gesichert.
Man muss auch abwägen, was das geringere Übel ist. Ich denke, einen Tod werden wir sterben müssen. Wir werden unser System nicht erfolgreich digitalisieren können und sicherstellen, dass alle gewünschten Datenschutzvoraussetzungen eingehalten werden. Irgendwo braucht es Kompromissbereitschaft. Wenn es zu viele Mitspieler gibt, die mitreden dürfen, dann ist das äußerst schwierig. Für eine einheitliche Lösung braucht es politischen Willen von weiter oben. Das wird auch bedeuten, dass wir nicht den höchsten Datenschutzstandard haben, den sich der strikteste Datenschützer wünschen würde.

Denken Sie, dass es machbar wäre, dass die Weitergabe von Daten weiterhin auf Freiwilligkeit beruht?

Weber: Das ist ein vielschichtiges Thema. Ich glaube daran, dass wir mehr Enabler und weniger Blocker brauchen, um Innovation zu fördern. Wir wollen aber auch kein Schindluder mit Daten fördern. Wir brauchen ein gutes Regelwerk. Es gibt immer mehr digitale Gesundheitsdaten und die sind sicherlich auch anfälliger für Massenhacks und Ähnliches. Die müssen geschützt werden. Die Sicherheit muss sehr hoch sein, aber die Datennutzung – entweder mit Anonymisierung, Pseudonymisierung oder mit Zustimmung – die muss gefördert werden.

Daher ist die Frage pauschal schwer zu beantworten, aber genau da muss man ran und im Zweifel muss es politischer Wille sein – etwa bei der Frage, ob Opt-in oder Opt-out. Man könnte vielleicht sagen "wenn es anonymisiert ist und keine Nachverfolgung möglich ist, dann braucht man in Bereichen wie Wissenschaft keine Einwilligung der potenziellen Datenspender". Das könnte mit politischem Willen erreicht werden. Eine europaweite Vereinheitlichung wäre wünschenswert. Mir ist allerdings bewusst, dass die politische Landschaft komplex ist.

(mack)