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Evangelisches Krankenhaus Gießen: Versorgungslücke in der Region geschlossen

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Torsten Schloßhauer im OP-Saal: Sind tiefe Gewebeschichten betroffen, können Operationen helfen. © Oliver Schepp

Am Evangelischen Krankenhaus Gießen gibt es mit der Klinik für Plastische Chirurgie neuerdings Experten für Rekonstruktionen.

Gießen - Das Kleinkind wuselt in der Küche umher, mit seinen Händen reicht es gerade bis zur Höhe der Arbeitsfläche. In einer unbeobachteten Sekunde reißt es den Wasserkocher herunter, das heiße Wasser ergießt sich über sein Gesicht. Der Notarzt bringt das Kind in die Klinik für Plastische-, Ästhetische-, Rekonstruktive und Handchirurgie ins Evangelische Krankenhaus Agaplesion. »Das ist leider ein Klassiker und passiert häufig«, sagt Chefarzt Dr. Torsten Schloßhauer.

Solche Verletzungen sieht sein Team ebenso oft wie jene, die beim Grillen passieren, wenn Stichflammen plötzlich in die Höhe schießen. »Dabei trifft es vielfach ebenfalls Kinder, aber nicht nur«, ergänzt Oberärztin Dr. Tanja Kheiri. Ein Verkehrsunfall, ein Missgeschick im Haushalt, eine Panne am Arbeitsplatz: Die Gefahr, eine Verbrennung oder Verbrühung zu erleiden, ist groß. Es ist ein Alltagsrisiko, das jeder unentwegt eingeht. Oft sind die Verletzungen nicht tragisch, die Haut regeneriert sich bei oberflächlichen Wunden selbst.

Evangelisches Krankenhaus in Gießen: Wiederherstellung bei entstellten Narben

Anders ist es bei Verbrennungen zweiten und dritten Grades, die in die Tiefe gehen. Dann sind Experten gefordert - und die gibt es längst nicht in jeder Klinik. In der Region Gießen und Mittelhessen wurde mit der am Evangelischen Krankenhaus Agaplesion beheimateten Klinik für Plastische-, Ästhetische-, Rekonstruktive und Handchirurgie eine Versorgungslücke geschlossen. Zum Team gehört neben Schloßhauer und Kheiri Oberarzt Silvester von Bülow. Die Fachleute versorgen Patienten im stationären Bereich, aber auch ambulant in der Sprechstunde. Ebenso wie die Therapie akuter Fälle ist die Sekundärbehandlung ein Teil der Verbrennungschirurgie.

»Dazu gehört auch die Wiederherstellung der Bewegungsfunktion bei verbrannten oder vernarbten Gelenken«, erklärt Schloßhauer. Auch die ästhetische Wiederherstellung bei entstellenden Narben oder Brandmalen zählt zur Expertise der Mediziner. »Unser Ziel ist, Form und Funktion wieder in Einklang zu bringen«, sagt der plastische Chirurg. Patienten, die schwerste Brandverletzungen erlitten haben, werden im EV nicht behandelt, für diese gibt es spezielle Zentren. Dort waren Schloßhauer und seine Mitarbeiter lange tätig, ihre Erfahrungen kommen nun den Patienten vor Ort zugute. Kheiri hat u. a. an der Erarbeitung der Leitlinien der Gesellschaft für Verbrennungsmedizin mitgewirkt.

Plastische Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus Gießen: Expertise bei Brustrekonstruktion

Mit dem Begriff Plastische Chirurgie wird landläufig die Assoziation der Schönheitsoperation mit Brustvergrößerung, Fett absaugen und Botoxspritzen verknüpft. »Wir sind aber keine Beauty-Docs«, stellt Schloßhauer klar. Tatsächlich gehören ästhetische Korrekturen auch zum Metier seines Teams, aber sie machten nur einen Teil des Leistungsspektrums aus. Wichtig sei eine besonders ausführliche und kompetente Beratung, da in der Regel mit dem Veränderungswunsch des Patienten ein hoher seelischer Leidensdruck verbunden sei.

Eine wichtige Säule der Klinik ist neben der Verbrennungschirurgie die Rekonstruktive Chirurgie, die sich mit der Wiederherstellung der Körperoberfläche nach Tumoroperationen oder Unfällen befasst. Grundprinzip, so Schloßhauer, sei dabei die Verlagerung gesunden Gewebes aus einer Körperregion in einen Defekt einer anderen Region. Ein gutes Beispiel dafür sei die mikrochirurgische Brustrekonstruktion nach Krebs mit freiem Gewebeaufbau. Von besonderer Bedeutung sei hier die genaue Kenntnis von Anatomie, Durchblutung, Gefäßarchitektur und Gewebequalitäten im gesamten Körper. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, sei eine zeitnahe interdisziplinäre Therapie ideal. Für Brustkrebspatientinnen der Region eröffne die Expertise der Klinik am EV neue Perspektiven, da sie in einer ohnehin belastenden Situation nicht mehr weit entfernte Kliniken aufsuchen müssten.

Das Kleinkind mit dem Wasserkocher-Unfall hat übrigens Glück gehabt. Die Augen sind unverletzt geblieben. Ob sich die empfindliche Gesichtshaut vollständig erholen wird, muss die Zeit zeigen. (Christine Steines)

Die Klinik für Plastische Chirugie im Evangelischen Krankenhaus in Gießen ist nicht die einzige Neuerung. Kürzlich wurde erstmals in Gießen eine Extremitätenrekonstruktion einer chronischen Wundheilungsstörung mit Stammzellen durchgeführt.

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