Die Krankenhäuser Radolfzell und Stühlingen vor dem Aus, das Singener Krankenhaus mit neuem Standort: Auf die Krankenhaus-Landschaft im Kreis Konstanz und am Hochrhein könnten große Veränderungen zukommen. Ein Gutachten für den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN), zu dem neben den Krankenhäusern in Konstanz, Radolfzell und Singen auch das kleine Krankenhaus Stühlingen gehört, enthält brisante Vorschläge.

Unter anderem wird eine zwei-Standort-Lösung vorgeschlagen. Das könnte das Aus für das Krankenhaus in Radolfzell und auch das kleine Krankenhaus in Stühlingen bedeuten. Gleichzeitig raten die Experten der Firma Lohfert & Lohfert, die das Gutachten erstellt haben, dass die Klinik in Singen aus dem Altbau auszieht und ein komplett neues Krankenhaus im westlichen Hegau errichtet wird. Nicht nur in Radolfzell zeigt man sich geschockt – und will um den Standort für einen möglichen Klinik-Neubau kämpfen.

Was ist der Hintergrund?

Schon seit Jahren kämpft der GLKN mit finanziellen Problemen. Der Schuldenberg wächst immer mehr an, aktuell macht der Verbund jedes Jahr mehr als 20 Millionen Euro Miese. Um die Gesundheitsversorgung im Landkreis Konstanz auf demselben Niveau halten zu können, muss der Kreistag immer wieder die Defizite ausgleichen. Kreistag und Aufsichtsrat des GLKN haben daher das Hamburger Beratungsunternehmen Lohfert & Lohfert mit einem sogenannten Strukturgutachten beauftragt. Dieses liegt jetzt vor – und enthält einiges an Sprengkraft. Die Vorschläge laufen auf einen radikalen Umbau des GLKN hinaus.

Warum droht dem Krankenhaus Radolfzell das Aus?

Die Große Kreisstadt Radolfzell könnte ihr Krankenhaus verlieren. Die Firma Lohfert & Lohfert rät in ihrem Gutachten, es zu schließen. Das Angebot am Krankenhaus wird seit Jahren ausgedünnt, man müsste viel Geld in die Hand nehmen, um das Gebäude zu sanieren – diese und weitere Gründe machen den Standort Radolfzell laut dem Strukturgutachten verzichtbar.

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Was ist mit dem Krankenhaus Singen?

Auch hier schlägt das Gutachten weitreichende Änderungen vor. Das Klinikum, das 1928 in den Bau unterhalb des Hohentwiels eingezogen ist, weist großen Sanierungsstau auf. Deshalb soll das alte Gebäude aufgegeben und der Standort in einen Neubau verlegt werden. Die Pläne für einen Neubau sind laut Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler sehr konkret. Er sagt: 'Wir müssen jetzt ein Grundstück mit 70.000 bis 100.000 Quadratmetern finden.'

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Ist das Klinikum Konstanz auch betroffen?

Nicht einschneidend. Es gibt keinen Sanierungsdruck, aber Optimierungsbedarf. In dem Gutachten heißt es zum Beispiel, dass es zu viele kleine Fachabteilungen mit zu vielen Chefärzten gebe. Generell empfehlen die Experten von Lohfert & Lohfert, weniger auf Doppelstrukturen zu setzen, die es in Konstanz wie auch Singen gibt.

Wie sieht es am Hochrhein aus?

Das Gutachten schlägt unmissverständlich vor, dass der GLKN auch den letzten Rest seines Engagements im Kreis Waldshut beendet. Das Ergebnis wäre womöglich ein Aus für das Krankenhaus Stühlingen. Für die Menschen aus dem nordöstlichen Kreis Waldshut heißt das: Sie müssten weite Wege auf sich nehmen, um behandelt zu werden oder Angehörige in der Klinik zu besuchen.

Das Haus mit nur 44 Betten gilt schon lange als zu klein zum Überleben. Nun will der Verbund den Standort Stühlingen gerne an den Kreis Waldshut abgeben. Der Waldshuter CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner hält dagegen. Er sieht den Landkreis Konstanz in der Pflicht – und fordert, dass das Gutachten zugänglich gemacht und diskutiert wird.

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Wie sind die Reaktionen aus Radolfzell?

Radolfzells Oberbürgermeister Simon Gröger spricht von einem schwarzen Tag für de Stadt und die medizinische Versorgung vor Ort. „Die Aussagen zur Schließung haben mich geschockt“, sagt er – und stellt auch den Hegau als Standort für einen Klinik-Neubau infrage: 'Radolfzell liegt geografisch in der Mitte des Landkreises'.

Nicht nur Gröger will um den Standort Radolfzell kämpfen. Unterstützung für die Idee, den Neubau dorthin zu verlegen, kommt auch aus der Politik. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Nese Erikli lässt mitteilen: „Mit Blick auf eine gesicherte Versorgung sollte ein möglicher Neubau für den Kreis auch in der Mitte des Landkreises, der von allen Teilen aus gut erreichbar ist, geprüft werden. Insofern kommt für mich die Überlegung Radolfzell als Standort ebenso in Betracht.“

Ähnlich äußert sich SPD-Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl: „Wichtig sind nicht Gemarkungsgrenzen, sondern eine geeignete Fläche und die ideale Anbindung an den Seehas und die B 33.“

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Ein Chefarzt am Radolfzeller Krankenhaus sieht zumindest für sich keine Perspektive mehr. Ein Krankenhaus, das seinen Kernkompetenzen – „Innere und Chirurgie“ – nicht mehr nachkomme, sei dem Untergang geweiht, sagt Wolff Voltmer. Er hat gekündigt und wechselt in eine Privatpraxis in die Nachbarstadt Stockach.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Entscheidung, was nach der Vorstellung des Gutachtens nun passiert, müssen die Gesellschafter mit ihren Gremien treffen. Die Mehrheit im Verbund hält der Landkreis, jeweils 24 Prozent die Krankenhausgesellschaften aus Konstanz und Singen, wobei bei letzterer die Gemeinderäte von Singen, Radolfzell und Engen sowie der Kreistag mitsprechen.