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Nordrhein-Westfalen Private Klinikbetreiber

Profit statt Patientenwohl?

Eine Ärztin schiebt ein Bett im Krankenhaus über den Flur Eine Ärztin schiebt ein Bett im Krankenhaus über den Flur
Ist die Gleichung „weniger Profit führt zu mehr Patientenwohl“ zu schlicht oder doch realistisch?
Quelle: picture alliance/dpa
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Mit einem forschen Plan sorgt die NRW-SPD bei privaten Klinikbetreibern für Unruhe: Sie will diese zwingen, weniger Gewinne an Aktionäre auszuzahlen und mehr Geld in die Betreuung der Patienten zu investieren.

Karl-Heinz B. hatte gerade erst eine Notoperation überstanden. Nach einem Darmdurchbruch mussten die Ärzte mitten in der Nacht um sein Leben kämpfen. Doch kaum war der 86-Jährige wieder von der Intensivstation verlegt, drängte ihn die Klinik zu einer weiteren OP – diesmal an seiner Schilddrüse. Der geschwächte Senior hatte Angst: In seinem Zustand sollte er erneut unters Messer? Auch hatte er noch nie Probleme gehabt mit der Schilddrüse. Doch er fühlte sich zu kraftlos für energischen Protest. Erst die beherzte Intervention seiner Frau verhinderte die Operation. Plötzlich räumte die Klinik ein, die OP sei akut auch nicht nötig.

Mit dieser Fallschilderung wandten sich die Angehörigen an das PatientInnennetzwerk NRW. Sie erhoben noch weitere Vorwürfe. Etwa, dass sich der ans Bett gebundene 86-Jährige und seine Frau nach der kurzfristigen Entlassung überfordert und alleingelassen fühlten. Die zuständige Patientenberatung bearbeitet den Fall derzeit. Und geht einem heiklen Verdacht nach: Wurde hier versucht, eine unnötige Zusatzbehandlung durchzusetzen – zulasten des Patienten, zugunsten der Klinikkasse? Und wurde der Patient womöglich leichtsinnig früh entlassen, um Kosten zu sparen?

Besagte Klinik gehört zu einer privaten Krankenhaus-Kette. Dieser wird seit Jahren immer wieder vorgeworfen, durch Über- oder Unterversorgung der Patienten Profite zu steigern. Deshalb möchte die NRW-SPD nach der Landtagswahl im Mai große Klinikketten wie Sana, Helios oder Asklepios dazu bewegen, weniger Gewinn an Anteilseigner abzuführen – und mehr Geld für Personal und Betreuung in den Kliniken zu belassen.

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SPD-Gesundheitsexperte Josef Neumann sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, „selbstverständlich“ sollten „private und alle anderen Kliniken auch künftig Gewinne erzielen können. Aber es bedarf einer Höchstgrenze für Gewinne, die an Aktionäre ausgeschüttet werden. Es macht für die Betreuungsqualität nun mal einen Unterschied, ob die Anteilseigner fünf oder 20 Prozent des Gewinns als Rendite erhalten“.

Noch hat die SPD diese Höchstgrenze zwar nicht definiert. Fest steht jedoch, dass sie die Aktiengesellschaften im Gesundheitsmarkt verpflichten will, jeden verdienten Euro oberhalb dieser Grenze zu reinvestieren. Dann, hofft Neumann, „würde in privaten Klinik-Konzernen der Druck sinken, Personalstandards zu beugen oder Leistungen anzubieten, die erhöhte Fallpauschalen mit sich bringen“ – also zusätzliche Überweisungen der Krankenkassen ans Krankenhaus.

„Der Gewinnwunsch dominiert“

Unterstützt wird der Vorstoß vom PatientInnennetzwerk NRW. Dessen Sprecher Günter Hölling bekräftigt, Klinikketten gehe es „weit stärker um Profitmaximierung als kommunalen oder gemeinnützigen Trägern, die mögliche Gewinne reinvestieren müssen. Wo dieses Profitstreben nicht begrenzt wird, dominiert das Gewinninteresse der Anteilseigner über das Ziel bestmöglicher Betreuung – weil sonst die Aktie aus dem Portfolio der Anleger fliegt“.

Noch werden in NRW vergleichsweise wenige Klinken privat geführt. Doch die Zahl der privaten steigt, während die der Krankenhäuser in kommunaler oder freigemeinnütziger (vor allem kirchlicher) Trägerschaft sinkt. Die rund 70 Kliniken, die in NRW zuletzt schließen mussten, wurden fast alle von kommunalen oder freigemeinnützigen Trägern geleitet.

Quelle: Infografik WELT

Nur: Stimmt es überhaupt, dass Private auffällig oft ihre Patienten unter- oder überversorgen? Oder ist die Gleichung „weniger Profit führt zu mehr Patientenwohl“ zu schlicht? Diese Frage ist schon seit Jahren extrem umstritten. Fakt ist, dass private Klinikketten höhere Gewinne erwirtschaften. Aber wo kommt dieses Geld her? Wird es durch unnötige OPs und ausgedünntes Personal erwirtschaftet?

In diesem Verdacht wittert FDP-Gesundheitspolitikerin Susanne Schneider eine „unfaire Misstrauenskultur gegenüber Privaten und deren engagierten Mitarbeitern“. Sie beteuert, Private erwirtschafteten „nicht deshalb höhere Gewinne, weil sie Patienten schlechter behandeln, sondern weil sie sich marktwirtschaftliche Effekte zunutze machen. Wegen ihrer Größe können sie zum Beispiel viele Güter weit günstiger einkaufen als ein kleines kommunales Krankenhaus auf dem Land“.

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Etwas behutsamer äußert sich Ingo Morell, der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW). Er vertritt die Interessen aller Kliniken im Land, der privaten ebenso wie der öffentlichen oder konfessionellen. Er räumt zumindest ein, „dass Private gewinnorientierter arbeiten als andere, was manchmal zu einer umstrittenen Prozessoptimierung führen kann“. Zugleich betont er jedoch, dass dies sicher nicht die Regel sei und „jede Schwarz-Weiß-Zeichnung denunziatorisch wäre“.

Oft inspirierten „die privaten die anderen Kliniken mit Ideen zur Effektivierung von Prozessen. Der Wettbewerb privater, öffentlicher und gemeinnütziger Träger“ sei daher „fruchtbar und erhaltenswert“. Sowohl Schneider als auch Morell sehen auch keine Belege für den Verdacht, Private übertrieben es in der Tendenz mit dem Profitstreben zulasten ihrer Patienten.

Tatsächlich ist die Studienlage nicht klar. Eine bundesweite Analyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft kam 2012 zum Befund, die „Zunahme älterer Menschen und der medizinische Fortschritt“ seien „verantwortlich für deutlich mehr Operationen“. Ein Jahr später stellte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie zum Thema vor. Doch die begnügte sich mit dem Ergebnis, medizinische Überversorgung sei feststellbar. Auf eine Erklärung dieses Befunds wollten sich die Autoren nicht festlegen. „Offensichtlich“ sei nur, „dass nicht-medizinische Faktoren die Versorgung beeinflussen“.

2018 fand die Bertelsmann-Stiftung zudem heraus, Patienten fühlten sich in privaten Kliniken nicht unwohler als in anderen. Einen statistischen Beweis für patientenschädliche Profitgier gibt es also nicht. Allerdings moniert etwa der Pflege- und Gesundheitswissenschaftler Michael Simon von der Uni Basel, bei privaten Trägern beobachte er mangelnde Transparenz – und das erschwere die systematische Erforschung in dieser Frage.

KGNW-Präsident Morell argumentiert auch, es gebe bereits „vielfältige Qualitätskontrollen der Krankenhäuser aller Träger“. Sie seien „der am engsten kontrollierte Bereich im gesamten Gesundheitswesen“. Doch wie verlässlich diese Kontrollen sind, darüber wird ebenfalls gestritten. So muss zum Beispiel jede Klinik einmal im Jahr einen Leistungsbericht vorlegen, den die Krankenkassen kritisch begutachten.

Doch Patienten-Vertreter Hölling bezweifelt die Verlässlichkeit dieser Berichte. Sie stammten „ja von den Kliniken. Warum sollten die auflisten, was dem Ansehen ihres Hauses schadet?“, fragt Hölling. Er und SPD-Gesundheitsexperte Neumann werben dafür, diese Berichte künftig gemeinsam mit Patienten und deren Vertretern zu verfassen, damit sie aussagekräftiger werden.

Nach der Wahl könnte es bergauf gehen

Weniger umstritten ist eine andere Einsicht des KGNW-Präsidenten: Alle Kliniken, nicht nur die privaten, müssten derzeit Gewinne erwirtschaften. Verantwortlich dafür sei auch das Land. Denn: Das investiere „nicht genug Geld in die Kliniklandschaft, weshalb die Kliniken manche wichtige Aufgabe nicht angemessen erfüllen können“, so Morell. Etwa 1,2 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr fehlten. Solange das Land seine Investitionen nicht erhöhe, müssten „schon aus diesem Grund die rund 340 Krankenhäuser in NRW auf Profit bedacht sein, um aus eigener Kraft die Investitionslücke zu schließen“.

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An dieser Stelle scheint nun etwas in Bewegung zu kommen: Auf einer KGNW-Podiumsdiskussion bekannten sich vergangene Woche erstmals CDU, FDP, SPD und Grüne dazu, diese Lücke nach der Wahl schließen zu wollen. Sie alle erkennen inzwischen an, dass den Kliniken Geld fehlt.

Wer auch immer nach der Wahl regiert – mit den Krankenhäusern dürfte es also bergauf gehen. So wie mit Karl-Heinz B., dessen Fall dem PatientInnennetzwerk gemeldet worden war. B. befindet sich inzwischen in einem Reha-Zentrum und macht große Fortschritte. Mit dem Zentrum ist er sehr zufrieden – es wird übrigens privat geführt.

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