Frauenklinik im Ahrtal sucht neues Ärzte- und Hebammenteam Keine Geburtsstation mehr in Bad Neuenahr?

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Der Fachkräftemangel trifft auch das Krankenhaus Maria Hilf: Der Chefarzt der Frauenklinik will zum Sommer, spätestens Jahresende, in den Ruhestand gehen. Die Suche nach Ersatz läuft auf Hochtouren, bisher ohne Erfolg. Das Krankenhaus geht daher neue Wege.

 Noch können hier Kinder entbunden werden: Einer der beiden Kreißsäale des Klinikums Maria Hilf in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Noch können hier Kinder entbunden werden: Einer der beiden Kreißsäale des Klinikums Maria Hilf in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Foto: Martin Gausmann

Die üblichen Wege zur Personalsuche für die freiwerdende Chef- und eine Oberarztstelle im Klinikum Maria Hilf in Bad Neuenahr-Ahrweiler seien bisher erfolglos gewesen, so Jochen Messemer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Marienhaus-Gruppe auf einer Pressekonferenz des Krankenhauses. Bisher hätte sich weder in den eigenen Reihen der großen Klinikgruppe noch über Personalvermittler ein passender Kandidat finden lassen. So kam es zu diesem Termin, um das Schlimmste, nämlich eine mögliche Schließung der Abteilung Frauenklinik, zu verhindern. „Im Gegenteil, wir bekennen uns zu dem Standort Bad Neuenahr-Ahrweiler und wollen, dass es hier mit der Geburtsklinik weitergeht“, so Messemer.

Kampagne mit Radiospots und Videos soll Kandidaten ansprechen

Damit diese Schließung dem flutgebeutelten Ahrtal erspart bleibt, startet das Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler daher gemeinsam mit seinem Träger eine großangelegte Recruitingkampagne. Ein neues motiviertes Ärzte- und Hebammenteam soll gefunden werden. „Konkret suchen wir nach einem Chefarzt, weiteren Oberärzten und Hebammen“, so Thorsten Kopp, Kaufmännischer Direktor des Marienhaus Klinikums. Als Grund für die erfolglose Suche sehen die Sprecher auf der Pressekonferenz auch das nach wie vor durch die dramatische Flut beschädigte Image der Region. „Viele haben dem Ahrtal gegenüber aktuell eine gewisse Skepsis“, so Kopp, der verspricht, dass man „sehr gute Arbeitsbedingungen anbieten kann“ und über viele individuelle Lösungen sprechen könne.

Teil der Kampagne sind eigens produzierte Radiospots, die in Rheinland-Pfalz, aber auch in Nordrhein-Westfalen ausgestrahlt werden, genauso wie kurze Videoclips, die über die sozialen Medien und Fachwebseiten geteilt werden: „Wir wollen den Menschen mit der Kampagne vermitteln, dass man hier einen wirklichen Beitrag leisten kann,“ sagt Kopp. Umfangreiche Informationen zu den ausgeschriebenen Stellen finden Interessenten auf einer eigens eingerichteten Kampagnenseite: www.marienhaus-klinikum-ahr.de/teamgyn.

Geburtshilfe in dieser Größenordnung nicht profitabel

„Wir haben hier etwa 430 bis 450 Entbindungen im Jahr, vom Flutjahr einmal abgesehen“, so der amtierende Chefarzt der Abteilung Josef Spanier. Jedoch, und das gibt der Vorstand der Gruppe auch zu: „Das ist zu wenig, um so eine Station wirtschaftlich führen zu können. Da müssten es schon 1000 Geburten im Jahr sein“, sagt Messemer. Das ständige Vorhalten von Hebammen, Anästhesisten und anderen Pflegekräften mache es so teuer. Dabei machen die Geburten nur ein Drittel der Arbeit der Ärzte aus in Bad Neuenahr aus, so Spanier weiter. Rund zwei Drittel fielen auf die allgemeine Frauenheilkunde, die Uro-gynäkologie, das Brustzentrum und die Diagnostik und Therapie von Brustkrebspatienten, so Spanier weiter. „Wir sind hier sehr breit aufgestellt, was die Suche sicher noch schwerer macht“, so der Chefarzt. Heutzutage würden sich junge Ärzte sehr früh spezialisieren. Zudem sei die Rufbereitschaft eine Herausforderung in seinem Job, die viele abschrecke – eine Herausforderung mit der das ganze Bundesgebiet zu kämpfen habe.

Anja Huser, selbst Hebamme und Leiterin der Elternschule und des Kreißsaals, findet noch aufmunternde Worte für mögliche neue Kollegen: „Es ist ein tolles Team und es macht Spaß hier zu arbeiten“. Und dann macht sie noch ein bisschen Werbung für ihr Krankenhaus: „Auch Menschen aus Bonn oder dem Umland in Nordrhein-Westfalen können bei uns entbinden. Wir hatten hier schon Patienten aus Rheinbach oder Wachtberg.“ In Deutschland ist die Wahl des Krankenhauses frei und auch nicht an Landesgrenzen gebunden.

Die Entwicklung im Kreis Ahrweiler ist dabei also kein Einzelschicksal. Jährlich verschwinden immer mehr Frauenkliniken von der Landkarte der gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgung. „Was wir hier heute sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs des deutschen Gesundheitssystems“, formuliert Messemer. Der wachsende Personalmangel in der Pflege werde weiterhin ein großes Problem sein: „In der Gesundheitsversorgung werden wir in Jahren eine ähnliche Situation haben, wie heute mit den Handwerkern“, so der Vorstand weiter.

Das Bekenntnis zum Standort Bad Neuenahr-Ahrweiler freut auch die Landrätin Cornelia Weigand, die zu dem Termin dazugekommen ist: „Insbesondere vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe ist es für die Menschen im Kreis Ahrweiler sehr wichtig, dass die gynäkologische sowie geburtshilfliche Versorgung hier weiterhin wohnortnah sichergestellt sind. Es geht darum, gerade auch für junge Familien ein attraktives Wohnumfeld mit der notwendigen medizinischen Infrastruktur vor Ort anzubieten. Es ist mir daher ein wichtiges Anliegen, den anstehenden Generationenwechsel in der Leitung der Fachabteilung zu unterstützen.“

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