Gesundheitsversorgung in Bayern:Krankenhäuser fürchten rote Zahlen

Gesundheitsversorgung in Bayern: In den bayerischen Krankenhäusern ist der Alltag des Personals noch immer sehr stark durch das Coronavirus belastet.

In den bayerischen Krankenhäusern ist der Alltag des Personals noch immer sehr stark durch das Coronavirus belastet.

(Foto: Florian Peljak)

Die Belastung in den Kliniken ist unvermindert hoch: Ein Rekordniveau an Corona-Patienten ist erreicht, Personalmangel und wirtschaftliche Probleme machen die Arbeit schwierig. Die Verantwortlichen fordern Unterstützung.

Von Sonja Hößl, München

Die Zahl der Patienten mit Corona-Infektionen in Bayerns Krankenhäusern hat einen neuen Höchststand erreicht. "Über 5100 infizierte Patientinnen und Patienten werden heute in bayerischen Kliniken behandelt", sagte am Dienstag Tamara Bischof, Kitzinger Landrätin und Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Außerdem fürchtet die Mehrzahl der Kliniken rote Zahlen, eine weitere Sorge ist der Personalmangel. Viele Stellen sind unbesetzt, Ärzte und Pflegepersonal fallen aus, weil sie selbst mit dem Coronavirus infiziert sind.

"Zwei Jahre Corona haben in den bayerischen Krankenhäusern ihre Spuren hinterlassen", fasste Bischof zusammen. Gemeinsam mit BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen und Christina Leinhos, Leiterin für Digitalisierung und Politik der BKG, stellte sie in München den 13. bayerischen Krankenhaustrend vor.

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Abgesehen vom Behandlungsbedarf sind die Kliniken demnach mit großem organisatorischen und bürokratischen Aufwand konfrontiert: "Es müssen immer größere Infektionsabteilungen betrieben werden und erneute Umorganisationen sind nötig", sagte Bischof. "Der maximale Infektionsschutz ist eine anhaltende Kraftanstrengung und eine hohe physische und psychische Belastung für alle unsere Beschäftigten."

Die vom Bundestag beschlossenen Lockerungen seien aus Sicht der Kliniken deswegen "unverständlich". "Was ist aus der Prämisse geworden, dass die Kliniken nicht überlastet werden dürfen?", fragte Bischof. Die stationäre Versorgung sei durch das Personal limitiert und könne nicht von einem auf den anderen Tag erhöht werden.

Bischof kritisierte, dass die breite Gesellschaft anscheinend aus Sicht der Bundespolitik in eine "gefühlte Normalität" zurückkehren solle, Kliniken und niedergelassene Praxen hätten aber weiterhin die Versorgung sicherzustellen. "Doch die Kraftanstrengung im Gesundheitswesen in den letzten 24 Monaten ist keine Selbstverständlichkeit gewesen, das war nicht das Alltagsgeschäft", sagte Bischof.

Viele Klinikleiter sind gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht

Auch die seit dem 16. März geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht beschäftigt Verantwortliche in den Krankenhäusern. Anders als befürchtet habe diese laut Engehausen aber nicht dazu geführt, dass Personal gekündigt habe. Dennoch lehnten etwa 40 Prozent der Klinikleiter die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab. "Nicht, weil sie gegen das Impfen sind, sondern weil es als unfair empfunden wird, wenn die Impfpflicht - genauso wie viele andere Pandemielasten - nur auf den Schultern der Krankenhäuser und anderer Gesundheitseinrichtungen getragen wird", erklärte Engehausen. Mehr als 90 Prozent der Klinikleiter befürworteten stattdessen eine allgemeine Impfpflicht.

Aber nicht nur die Pandemie treibe die Klinikleitungen um, auch die wirtschaftliche Situation bleibe in Bayern angespannt. Zwar haben 2020 kurzzeitig weniger Kliniken ein Defizit verzeichnet als noch 2019. Engehausen führte dies jedoch auf die zu Beginn der Corona-Pandemie geltenden Unterstützungsleistungen durch den Staat zurück. 2021 hätten dagegen wieder 61 Prozent rote Zahlen geschrieben.

In diesem Jahr erwarten mehr als 66 Prozent ein Defizit. Auch das hängt maßgeblich mit der Corona-Pandemie zusammen: Eine wesentliche Einnahmequelle sind Operationen. Wegen der Pandemie mussten die Krankenhäuser teils über Monate nicht zwingend notwendige Eingriffe absagen, beispielsweise Knie- und Hüft-OPs. Zudem bringt die Inflation den Krankenhäusern große Kostensteigerungen.

Auch mit Blick auf die steigende Inflation und die zunehmenden Energiekosten in Bayern, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine noch weiter zunahmen, befürchten die bayerischen Krankenhäuser eine finanzielle Belastung. Laut Befragungen durch die BKG erwarteten mehr als 90 Prozent der Krankenhaus-Geschäftsführungen von der Politik, dass diese für die damit verbundene Kostensteigerung aufkommt.

In der Digitalisierung bayerischer Krankenhäuser sieht die BKG eine Chance für bessere Versorgung und Bürokratie-Entlastung von Fachkräften. Aber: "Nur jede dritte Klinik sieht sich für die künftigen Anforderungen der Digitalisierung gut gerüstet", erläuterte Christina Leinhos.

Im Hinblick auf die kommenden zwei bis drei Jahre sehen Bayerns Klinik-Verantwortliche schwierige Zeiten auf die Krankenhäuser zukommen. Etwa 70 Prozent der Krankenhäuser bewerten die künftige wirtschaftliche Gesamtsituation als negativ und sehen den Bund in der Verantwortung. "Der Bundesgesetzgeber ist aufgerufen, die gestellten Zukunftsweichen im Koalitionsvertrag als verlässliche Grundlage für die Kliniken kurzfristig umzusetzen und die Betriebskostenfinanzierung weniger fallabhängig zu machen", forderte Bischof.

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