Krankenhaus im Ausverkauf: Ärzte-Manager

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Renditestreben und die Privatisierung im Gesundheitswesen

Krankenhäuser in Deutschland und Europa sind längst zum Spekulationsobjekt international agierender, privater Klinikkonzerne geworden. Konzerne erzielen Renditen aus dem solidarischen System unseres Gesundheitswesens, Thomas Strohschneider, selbst jahrelang als Chefarzt in einer privatwirtschaftlich geführten Klinik tätig, hat ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben, das ab heute im Westend Verlag erscheint: Krankenhaus im Ausverkauf. Private Gewinne auf Kosten unserer Gesundheit. Telepolis veröffentlicht daraus folgenden Auszug:

Ärzte-Manager

"Gesundheit ist ein primäres Gemeingut." Diesen Satz hat Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der Kranken 2021 gesagt. Schon zu Anfang seines Pontifikats warnte er immer wieder vor der Gefahr, dass Gesundheit zur Ware wird.

"Wer Medizin und Ökonomie zu Gegensätzen erklärt, stiehlt sich aus der Verantwortung." Dieses Statement kommt von Professor Heinz Lohmann, Gesundheitsunternehmer und Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft, gleichzeitig Berater zahlreicher gesundheitspolitischer Gremien.

Die meisten Menschen in unserem Land würden vermutlich – jeweils einzeln betrachtet – beiden Aussagen zustimmen. Kliniken gehören zur Daseinsvorsorge in einer Gesellschaft. Sie sind verpflichtet, eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten. Gleichzeitig sollen sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und Ressourcen verantwortlich umgehen. Dabei die richtige Balance zu finden, ist ein zentraler Punkt und vielfach Thema bei gesundheitspolitischen Diskussionen.

Diese Ausgewogenheit scheint aber nach Meinung einer Mehrheit der Ärzteschaft, insbesondere der Krankenhausärzte, in den letzten Jahren in eine Schieflage geraten zu sein. Das Gesundheitswesen ist ohne Zweifel zuallererst ein wichtiger Teilbereich des Sozialsystems unserer Gesellschaft. Es entwickelt sich aber in den letzten Jahren vom Gesundheitswesen zunehmend zu einer Gesundheitswirtschaft.

Das Dilemma

In keinem Wirtschaftszweig sind derzeit höhere Renditen zu erzielen. Und damit ist das Dilemma offensichtlich, denn ein Sozialsystem muss als Priorität die Bedürfnisse der Bevölkerung im Fokus haben. Ein Wirtschaftsunternehmen hingegen wird immer zuerst die Rendite im Blick haben. Es gehört zu den Automatismen eines Wirtschaftssystems, dass sämtliche Bereiche, die Umsätze und Gewinne versprechen, für Unternehmen interessant sind.

Im Bereich des Gesundheitswesens lotet man mit subtilen Methoden aus, wie weit man gehen kann. So sind bereits Ende des letzten Jahrhunderts Krankenhäuser ins Visier von Investoren geraten und mächtige private Klinikkonzerne entstanden. Diese schleichende Privatisierung der Kliniken in Deutschland hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass es in keinem Land der Welt mehr Krankenhausbetten in der Hand privatwirtschaftlich geführter, teilweise börsennotierter Unternehmen gibt.

Private Klinikkonzerne sind die Protagonisten, die das Krankenhauswesen – einem Zuckerguss gleich – mit betriebswirtschaftlichen Management-Paradigmen überziehen und die Durchdringung des Gesundheitswesens mit gewinnorientierten Denkmustern anstreben. Gegen diese Entwicklung baut sich ein wachsender Widerstand der Ärzteschaft, von Ärzteverbänden sowie in Teilen der Bevölkerung auf. Sie warnen vor den Gefahren einer Kommerzialisierung im Krankenhauswesen.

Seitens der privaten Klinikbetreiber werden dann die immer gleichen stereotypen Vorwürfe gegenüber der Ärzteschaft erhoben: Ärzten fehle ökonomisches, unternehmerisches und managementbezogenes Verständnis oder sie würden sich solchen Themen gar verweigern. Das ist nicht richtig. Denn kaum ein vernünftiger Arzt verweigert sich dem Argument, dass eine gute Medizin grundlegend auch auf ökonomisches Handeln achten muss. Die aus Steuergeldern und Sozialabgaben kommenden finanziellen Ressourcen müssen verantwortungsvoll verwendet, dürfen jedoch nicht verschwendet werden.

Ärztliche Führungskräfte sind in hohem Maße bereit, die Verantwortung für eine effiziente und wirtschaftlich vernünftige Steuerung von Krankenhäusern und ihren Abteilungen mitzutragen. Schließlich ist ihnen sehr wohl bewusst, dass auch ihre Vergütungen aus Sozialkassen kommen und von den berufstätigen Menschen im Lande finanziert werden müssen.

Sie wissen um ihre besondere Verpflichtung und "schleichen sich nicht aus der Verantwortung", wie es ihnen oft unterstellt wird. Sie wehren sich aber zunehmend gegen negative Auswirkungen. Denn Fakt ist, dass sich das Gesundheitswesen, getrieben von profitorientierten Konzernen und mit der Unterstützung von Lobbyisten und Teilen der Politik, immer mehr von einer sozialen Humanmedizin entfernt.

Oberste Prämissen im Handeln der Ärzte sind das Wohl und die Gesundheit ihrer Patienten. Sie wollen verhindern, dass Radikalität und Brutalität des Privatisierungsdenkens den Kern ärztlichen Wirkens infizieren. In der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärzte ist am Anfang folgende Aussage verankert:

Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe. Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

Das Rütteln an Grundfesten

Schon längst haben es Krankenhausmanager mit Unterstützung von Teilen der Politik geschafft, an den Grundfesten dieser ethischen Berufsdefinition zu rütteln. Mit subtilen Managementmethoden, Anwendung von Steuerungsinstrumenten aus der Wirtschaft und einer Ausrichtung auf ökonomische Zielvorgaben wird der soziale Charakter ärztlichen Handelns, ja der ganze Arztberuf in seiner eigentlichen Profession ins Wanken gebracht.

Giovanni Maio, Medizinethiker und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Universität Freiburg sowie Berater der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in ethischen Fragen, sagt dazu: "Der Arztberuf ist etwas Besonderes, weil der Arzt mit dem wichtigsten Gut zu tun hat, das ein Mensch überhaupt besitzt, nämlich Leib und Leben."

Das Paradigma, das heute von den privaten Klinikkonzernen mantraartig wie ein Naturgesetz gepredigt wird, dass Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften müssen, muss in Frage gestellt werden. Insbesondere dann, wenn Aktionäre aus den Gewinnen Dividenden erhalten oder das reale Vermögen und damit die Macht der Klinikbetreiber durch den Besitz von immer mehr Kliniken steigt; sogar große Investitionen in ausländischen Gesundheitsmärkten werden mit diesen Gewinnen bereits getätigt. Es ist eine gesellschaftliche Entscheidung.

Wie Maio richtig konstatiert, ist vor dem Hintergrund eines zunehmenden Effizienz-, Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitsdrucks die Freiheit des Arztes als eigene, unabhängige Profession eher hinderlich. Deshalb wird von Klinikmanagern bewusst an einer Strategie zur De-Professionalisierung und Entwertung des Arztberufes gearbeitet.

Der Arzt ist in diesem System lediglich als reiner Leistungserbringer und Dienstleister erwünscht. Nicht als kritischer Mahner oder als der an "verstaubten" ärztlich-ethischen Grundwerten Festhaltende.

Behandlungen von Patienten sind wirtschaftlich betrachtet für Klinikindustriebetriebe nur dann interessant, wenn Aufwand und Ertrag in einem möglichst guten Gewinnverhältnis stehen. Ärztliche Führungskräfte müssen sich deshalb zunehmend mit ökonomischen, unternehmerischen und managementbezogenen Themen auseinandersetzen.

Ihre eigentlichen Kernkompetenzen und ihre ureigenen Aufgaben, nämlich eine qualitativ gute medizinische Versorgung ihrer Patienten zu gewährleisten, werden dabei zunehmend verdrängt. Neben der medizinischen Kernkompetenz wird vom ärztlichen Führungspersonal in wachsendem Ausmaß breites ökonomisches Wissen eingefordert mit der Verpflichtung, dieses auch von ihren Mitarbeitern zu verlangen.

Diese Themen waren bisher nicht oder nur wenig Gegenstand medizinischer Ausbildungscurricula und traditionell auch nicht im Verantwortungsbereich der Ärzte. Dass die Führungsstruktur einer Klinik mit dem klassischen Triumvirat Krankenhausdirektor, ärztlicher Direktor und Oberschwester heute nur noch ein Relikt vergangener Zeiten ist, ist wohl allen Beteiligten klar.

Diktat des über allem stehenden Wirtschaftlichkeitsdenkens

Dass sich jedoch die Entscheidungsebene zwischenzeitlich komplett verschoben hat, ist dem Diktat des über allem stehenden Wirtschaftlichkeitsdenkens zuzuschreiben. Die Kliniken sind im Würgegriff von kühl kalkulierenden Krankenhausmanagern. Von Führungskräften privater Klinikkonzerne wird dabei immer wieder beteuert, wie intensiv und gleichsam auf Augenhöhe die berufs- und gesundheitspolitischen Debatten in ihren Kliniken zwischen Geschäftsführung und den ärztlichen Führungskräften stattfinden.

Es wird auffällig oft betont, wie frei und demokratisch Entscheidungsprozesse geführt und dabei in hohem Maße die Expertise und Kompetenz der leitenden Ärzte berücksichtigt werden. Wie aber sieht es in der Realität aus?

Weil es zum Thema Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Führungskräften und Geschäftsleitungen in deutschen Kliniken kaum aussagekräftige empirische Daten gibt, führte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) bereits 2013 eine umfangreiche empirische Studie über diesen Themenkomplex durch (DGIM-Studie Ärzte-Management 2013).

In einer von externen Beratern konzipierten und begleiteten umfangreichen Online-Befragung wurden ärztliche Führungskräfte internistischer Abteilungen in ganz Deutschland, Chefärzte und leitende Oberärzte befragt. Die Befragungsergebnisse wurden anonymisiert, insgesamt wurden 627 Fragebögen ausgewertet. Der Großteil der Befragten arbeitete zu diesem Zeitpunkt in mittelgroßen und großen Krankenhäusern.

Die Auswertung dieser Studie ergab ein differenziertes und ganz anderes Bild als das in den Hochglanzprospekten vieler Kliniken propagierte harmonische Zusammenspiel zwischen Geschäftsführung und leitenden Ärzten. Nicht nur auf die Frage nach typischen Gesprächsthemen zeigte sich eine bemerkenswerte Einseitigkeit: Fast 85 Prozent der befragten Ärzte gaben an, dass die Gespräche zwischen ihnen und der Geschäftsführung überwiegend von Wirtschaftlichkeits- und Einsparungsthemen dominiert sind.

Es sind also vor allem Geld- und Finanzthemen. Die Ergebnisse zeigen, dass es große Defizite bezüglich des interdisziplinären Themenspektrums der gemeinsamen Management-Agenda gibt. Fast 90 Prozent der Befragten rechnen damit, dass der Ökonomisierungsdruck und die Gewinnerwartungen deutlich negative Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis haben.

Über 75 Prozent der ärztlichen Führungskräfte bemängeln, dass ihnen nicht adäquat Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die medizinische Leistungsfähigkeit ihrer Abteilungen auszuschöpfen. Fast 60 Prozent gaben an, dass das ärztliche Personal nicht ausreichend ist, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Die Befragungsergebnisse zeigen außerdem deutlich, dass das ärztliche Führungspersonal mit teilweise fraglichen Methoden dazu gezwungen wird, Leistungs-, Budget- und Umsatzvorgaben zu erfüllen. Ihnen werden regelmäßig wirtschaftliche Leistungsziele vorgegeben.

Ein aus der Industrie und dem Bankenwesen übernommenes und vor allem bei privaten Klinikkonzernen angewandtes Steuerungsinstrument sind die mit der Geschäftsführung jährlich neu zu verhandelnden Zielvereinbarungen, früher Boni genannt. Diese sind Erfolgsbeteiligungen und als sogenannte variable Vergütung oft ein nicht unerheblicher Teil des Jahreseinkommens eines Chefarztes.

Vonseiten der Konzern- und Geschäftsführung werden solche Erfolgsbeteiligungen für ärztliche Führungskräfte als effektiv und zielführend für die wirtschaftliche Steuerung von Krankenhäusern angesehen. Ganz anders schätzen dies die in der Studie befragten Chef- und leitenden Oberärzte ein.

Etwa ein Viertel der Befragten gab an, dass die Erfolgsbeteiligung einen signifikant hohen Anteil gemessen an ihrer Grundvergütung ausmacht. Mehr als die Hälfte der Befragten muss zum Erhalt der Erfolgsbeteiligung betriebswirtschaftliche Zielvorgaben der Geschäftsführung erfüllen. Bei einem weiteren Teil ist es ein Mix aus wirtschaftlichen und medizinischen Zielvorgaben. Nur bei weniger als 7 Prozent werden rein medizinische Themen als Vorgaben vereinbart.

Die Einschätzungen zu den Auswirkungen von Erfolgsbeteiligungen sind aus Sicht der ärztlichen Führungskräfte weitgehend negativ. So befürchten 84 Prozent, dass Erfolgsbeteiligungen ärztliches Entscheidungsverhalten und das ärztliche Selbstverständnis beeinflussen. 70 Prozent empfinden Erfolgsbeteiligungen nicht als wirkliche Wertschätzung des Arbeitgebers für ihren Einsatz, sondern eher als ein Knebelungsinstrument.

Die auch öffentlich geführten intensiven politischen Diskussionen zum Thema Erfolgsbeteiligung haben in den letzten Jahren immerhin zur Folge gehabt, dass auf Druck von Ärzteverbänden und Gewerkschaften die Erfüllung von solchen Zielvereinbarungen nicht an beispielsweise Fall- oder Operationszahlen gekoppelt sein darf. Trotzdem: Auch wenn die Formulierungen in diesen Zielvereinbarungsverträgen in der Zwischenzeit vorsichtiger und abwägender sind, so ist das Ziel unverändert das gleiche geblieben.

Ärztliche Führungskräfte sollen wie in einem Hamsterrad Leistungen erbringen, um betriebswirtschaftliche Vorgaben und Gewinnmargen zu erfüllen. Die Geschichte vom Esel und der verlockenden Aussicht auf die Karotte. Dass Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften sollen, ist aber alles andere als ein Naturgesetz. Es ist eine politische und gesellschaftliche Entscheidung!

Private Klinikbetreiber sehen dies natürlich völlig anders. Sie verweisen, in diesem Fall durchaus zu Recht, darauf, dass sich der Staat in den letzten Jahren zunehmend aus seiner eigentlich gesetzlich festgeschriebenen Verantwortlichkeit herausnimmt. Das in Deutschland für das Krankenhauswesen vereinbarte duale Finanzierungssystem sieht für Personal-, Betriebs- und Managementkosten eine Finanzierung über die Erlöse aus Kranken- und Sozialkassen vor.

Es fehlen Milliardenbeträge

Für Investitionskosten, wie beispielsweise Krankenhausneubauten, deren Erhalt, Modernisierungen und Renovierungsmaßnahmen, sind aber steuerliche Haushaltsmittel vorgesehen und damit eigentlich die Bundesländer zuständig. Dieses Finanzierungssystem ist allerdings längst in eine Schieflage geraten: Der jährliche Rückgang der staatlichen Subventionen zur finanziellen Deckung von Investitionen im Krankenhauswesen, teilweise im zweistelligen Prozentbereich, hat zu einem riesigen Finanzierungsloch und einem Investitionsstau geführt.

Es fehlen Milliardenbeträge. Eine dringende Korrektur ist notwendig, der Staat muss seiner Verantwortung nachkommen. Dieser Zustand muss als Versagen der Gesundheitspolitik bezeichnet werden.

Tun die privaten Klinikkonzerne doch das Richtige? Ohne erwirtschaftete Gewinne keine Investitionen? Ohne ausreichende Investitionen zunehmende Qualitätsverluste und eine schlechtere Patientenversorgung? Diese einfach klingende Formel hat jedoch viele kritische Variablen und die Lösung liegt nicht darin, einen rigorosen und gnadenlosen Gewinnmaximierungs- und Wettbewerbskurs im Klinikwesen zu befeuern.

Man sollte sich bewusst machen, dass Krankenhäuser primär nicht als Unternehmen mit dem Ziel einer Gewinnabschöpfung fungieren. Unabhängig von diesem Grundsatz sind die Methoden zu hinterfragen, mit denen man versucht, aus einem vorwiegend über Sozialkassen finanzierten System Gewinne herauszupressen.

Die genannte DGIM-Studie macht deutlich, dass Ärzte weitgehend andere Vorstellungen von den Aufgaben und Zielen eines Krankenhauses haben als manche Klinikmanager. Besonders einseitig und aus Sicht der leitenden Ärzte ungerecht wird die Sache dann, wenn es um Verantwortung und wirtschaftliche Probleme geht.

Nahezu alle in der DGIM-Studie befragten Ärzte geben an, dass ihnen von Seiten der Geschäftsführung in erheblichem Umfang die betriebswirtschaftliche Verantwortung zugeschoben wird und regelmäßig ambitionierte wirtschaftliche Leistungsziele eingebläut werden. Umgekehrt können Ärzte nicht einfach ihre medizinische Verantwortung an eine Verwaltungsebene abgeben.

In der Praxis sieht das dann so aus: Bei Nichterreichen von Erlöszielen werden die Schuldigen zunächst in der Ärzteschaft gesucht. Fehler im Management hingegen werden eher versteckt, verharmlost, bleiben oft ohne Konsequenzen oder werden intern gelöst (beliebt: neue Geschäftsführung) beziehungsweise nach außen hin mit hektischer Betriebsamkeit bearbeitet.

Es erfolgen dann meist Umstrukturierungsmaßnahmen, etwa die Schließungen von vermeintlich unwirtschaftlichen Abteilungen und die gleichzeitigen Neueröffnungen von Abteilungen, die höhere Gewinnmargen versprechen. Auch die Trennung von Mitarbeitern, die Einführung weiterer bürokratischer, mehr oder weniger sinnvoller Controlling- und Steuerungsmaßnahmen oder das Outsourcing von Dienstleistungssparten sowie immer neue und teilweise perfide Einsparmaßnahmen sind die üblichen Reaktionen.

Dass Kliniken von einem guten Ruf leben, den sie sich meist über Jahre oder Jahrzehnte aufgebaut haben, und dass dieser stark von den in der Klinik wirkenden Personen und Persönlichkeiten geprägt wird, spielt hierbei kaum noch eine Rolle. War früher ein Chefarzt über viele Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte das Gesicht und Aushängeschild einer Klinik oder einer Abteilung, so ist er in diesem System eher ein Störenfried. Es sei denn, er liefert gute Zahlen.

Besonders für Patienten mit chronischen Erkrankungen spielt das Arzt-Patienten-Verhältnis jedoch eine wichtige Rolle. Die meisten Patienten kommen in eine Klinik, weil sie sich dort gut versorgt und aufgehoben fühlen und weil es dort einen Arzt gibt, der sich um sie kümmert und der oder dem sie vertrauen können.

Sie kommen nicht, weil diese Klinik Spitzenreiter bei der Gewinnabgabe an die Konzernzentrale ist. Vertrauen von Patienten in eine Medizin, die als oberstes Ziel eine objektive und empathische Behandlung anstrebt, muss ebenso mühsam erarbeitet werden, wie das in Ärzte und Kliniken. Dies setzt Kontinuität und oft jahrelanges gutes Wirken voraus. Dieses Klinikprofil und diese Philosophie dürfen nicht in jährlichen Abständen auf dem Altar der Wirtschaftlichkeit geopfert werden!

In der eigenen Klinik habe ich erlebt, wie in einem Zeitraum von gut acht Jahren vier Mal der Geschäftsführer und drei Mal der Kaufmännische Direktor wechselten – oder ausgewechselt wurden. Von den häufigen Wechseln im Bereich der zweiten Führungsebene erst gar nicht zu reden. Im Vergleich dazu scheint der Job eines Fußball-Bundesligatrainers konstant!

Mit jedem Wechsel in der Geschäftsführung wurden neue Strategiekonzepte und ehrgeizige Zielvorgaben vorgestellt, Abteilungen degradiert oder aufgelöst, neue Abteilungen mit der Aussicht auf höhere Gewinnmargen eingeführt. Ärzte wurden hinausgemobbt oder gekündigt. Bei den Klinikmitarbeitern wurde für die Neuausrichtung der Klinik geworben.

Die Geschäftsführung und Konzernzentrale umschreibt dies oftmals mit "notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen" oder einer "zukunftsorientierten Neuorientierung". Mit großem Pomp und Medienaufwand wird dann versucht, das neue Zukunftskonzept der Klinik in der Stadt, dem Umfeld und bei den niedergelassenen zuweisenden Ärzten, den Patienten und den Klinikmitarbeitern anzupreisen.

Was denken aber wohl niedergelassene Ärzte, die ihre Patienten im Vertrauen auf eine funktionierende Klinikstruktur in eine Klinik einweisen möchten, wenn innerhalb von neun Jahren beispielsweise drei Mal der Chefarzt sowie die gesamte Belegschaft der Kardiologie ausgewechselt und immer wieder ein mühsamer Neustart und Aufbau notwendig werden?

Welche Außenwirkung mag es haben, wenn ein bisher als Stadtteilkrankenhaus fungierendes, alt eingesessenes und für die Grund- und Notfallversorgung zuständiges Klinikum von heute auf morgen Kernabteilungen, wie eine Allgemein- und Viszeralchirurgie oder eine Gastroenterologie, aus ihrem Portfolio nimmt?

Und dafür dann, obwohl der Markt eigentlich ganz gut gesättigt und schon starke "Konkurrenz" vorhanden ist, eine neue Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie eröffnet wird? Dazu muss man wohl wissen, dass in den letzten beiden Jahrzehnten offensichtlich in Deutschland eine Rückenschmerz-Epidemie ausgebrochen sein muss und die Zahl der stationären Behandlungen wegen Rückenschmerzen um 70 Prozent, die Zahl der Rückenoperationen zwischen 2007 und 2013 von 452 000 auf 772 000 angestiegen ist.

Oder sollte man lediglich wissen, dass ein neues, lukratives Vergütungssystem sowie die in den meisten Fällen gute, elektive Planbarkeit solcher Operationen die Anreize setzen? Honni soit qui mal y pense – es sei verdammt, wer da Falsches denkt!

Ärzte-Manager. Das war das Thema der zitierten DGIM-Studie, die als Fazit einen dringenden Diskussionsbedarf auf gesundheitspolitischer Ebene feststellt und die aktuelle Instrumentalisierung ärztlichen Handelns unter dem Primat einer Gewinnabschöpfung kritisch hinterfragt. Die Studie legt auch nahe, sich mit der Gefahr einer negativen Auswirkung auf die Patientenversorgung zu beschäftigen.

Sie fordert darüber hinaus ausdrücklich die konstruktive, effiziente Zusammenarbeit zwischen Ärzten und kaufmännischen Führungskräften. Eine gute und effiziente Medizin setzt gesunde wirtschaftliche Strukturen voraus. Ein gemeinsames Wirken kann aber überhaupt erst dann möglich sein, wenn auch die Ökonomie das Wohl des Patienten als oberstes Ziel mit allen Konsequenzen akzeptiert.

Und wenn Ärzte nicht Manager sind, sondern Ärzte bleiben und nicht dem faustischen Werben nachgeben und damit ihre eigene Profession, ihre Seele verkaufen. Die Ökonomie muss ärztliches Handeln ermöglichen, sie darf nicht das ärztliche Handeln bestimmen.