Die Pandemie hat den Digitalisierungsrückstand des Schweizer Gesundheitswesens schonungslos aufgezeigt: Es besteht Handlungsbedarf. Das zeigt eine neue, repräsentative Umfrage, welche das Meinungsforschungsinstitut Gfs.Bern im Auftrag der Krankenkasse KPT erstellt hat. Doch Corona hat «nicht zu einem kompletten Umdenken» geführt, sondern die Bevölkerung höchstens «etwas wachgerüttelt».
Das Gesamtbild bleibt etwas widersprüchlich, vielleicht auch weil der zusätzliche Nutzen nicht wirklich sichtbar ist für die über 1000 befragten Personen, wie die Studienautoren festhalten. Und weil gleichzeitig die «Angst vor einem Datenmissbrauch» gross ist.
Und so erklärt sich mit immerhin 70 Prozent eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung mit der elektronischen Speicherung ihrer Gesundheitsdaten «sehr» respektive «eher einverstanden», 72 Prozent glauben gar, dass die Gesundheitsversorgung verbessert werden könnte, wenn die Behandelnden stets über aktuelle Gesundheitsdaten verfügen könnten. Doch gleichzeitig wollen 58 Prozent «möglichst wenig Gesundheitsdaten speichern» wegen potenziellen Datenschutzproblemen.
Letztlich kommt es auf die konkreten Regeln an, ob die Befragten mit der Digitalisierung ihrer Gesundheitsdaten einverstanden sind - wobei deren Ausgestaltung für alle relativ wichtig ist, egal wie sie grundsätzlich zu mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen stehen. Das ist auch eine der Hauptlehren in Bezug auf die Kundenbedürfnisse, welche die KPT aus der Umfrage zieht.
«Es kommt auf die Regeln an: Die Datensouveränität muss bei den Nutzern bleiben», sagt KPT-Sprecher Beni Meier. Zudem erwarteten die Kundinnen und Kunden im Gegenzug zu ihren Daten einen finanziellen oder medizinischen Mehrwert. «Diese Erkenntnisse gilt es bei der Entwicklung von neuen digitalen Services stets zu beachten.»
In der Tat: Nur gerade die Hälfte der Befragten wäre bereit, die Gesundheitsdaten ihrer Krankenkassen zur Verfügung zu stellen, wobei davon wiederum rund 40 Prozent das nur gegen Geld tun würden. Dabei geben sich nur wenige mit einem Einmalbeitrag von unter 100 Franken zufrieden, knapp die Hälfte hätte dafür gerne mehr als 600 Franken.
Grosszügiger zeigen sich die befragten Personen gegenüber der eigenen Ärztin oder dem eigenen Arzt: Gut die Hälfte würde ihre Gesundheitsdaten «bestimmt zugänglich» machen, weitere 35 «möglicherweise». Die Akzeptanz zur Datenfreigabe wird auch erhöht, wenn alle selbst «jederzeit» entscheiden können, wem sie wann Einsicht gewähren wollen: Insgesamt 78 Prozent würden so ihre Daten «bestimmt» oder «möglicherweise» zugänglich machen, 76 Prozent wären bereit, wenn sie einen «unmittelbaren medizinischen Nutzen» daraus ziehen könnten, wie etwa eine frühzeitige Diagnose. Weniger überzeugend sind da Versprechen von Gesundheitstipps via App.
Die gut 1000 befragten Personen lassen sich gemäss Gfs.Bern-Studie in drei Cluster einteilen: In die mit 53 Prozent grösste Gruppe der Befürworterinnen und Befürworter, in jene der datenschutzorientierten Skeptikerinnen und Skeptiker, die mit 30 Prozent einen Drittel der Befragten ausmachen, und in jene 17 Prozent, welche sich prinzipiell dagegen stellen.
Interessant ist, dass in der Befürwortergruppe, die über 65-Jährigen und die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer signifikant übervertreten sind, während die 18- bis 39-Jährigen sowie die Westschweizer signifikant häufiger in der Gruppe der datenschutzorientierten Skeptikerinnen und Skeptiker zu finden sind.
Knapp die Hälfte der Befragten geben an, eine Krankenkassen-App zu nutzen. Doch hier wäre mit zusätzlichen Funktionen noch viel Potenzial vorhanden, wie die Studienautoren festhalten. Als sehr oder eher nützlich beurteilen die Befragten «Erklärungen von medizinischen Fachbegriffen», Rechnungsbezahlungsfunktionen oder die Möglichkeit, die Versichertenkarte in der App zu hinterlegen. Auf relativ wenig Interesse stossen individuelle Ernährungs- und Fitnesstipps.
Mit einem Nutzungs-Wert von 46 Prozent schwingt die Krankenkassen-App obenauf - und schneidet in der Umfrage besser ab als alle anderen digitalen Angebote: Sie wird von mehr Personen genutzt als Social Media (43 Prozent), Schrittzähler (40 Prozent) oder das personalisierte Google-Konto (26 Prozent). Gratis-Apps für Fitness oder Ernährung haben noch 18 Prozent Nutzerinnen und Nutzer, Wearables wie etwa eine Smartwatch bescheidene 14 Prozent. Am schlechtesten schneiden Bezahl-Apps für Fitness und Ernährung ab. (aargauerzeitung.ch)
Es hat schon einen Grund, dass medizinische Daten höchst schützenswert und vor allem privat sind.