Die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie hat durch wechselnde Belegung der Krankenhäuser, notwendige Änderung der Hygienekonzepte und maximale Arbeitsbelastung für Personal und Organisationsstrukturen der ambulanten und stationären medizinischen Versorgungseinrichtungen den Kostendruck auf alle Institutionen im Gesundheitswesen deutlich erhöht. Die Fast-Track-Chirurgie kann helfen, diese Auswirkungen zu mindern.

Chancen durch Fast-Track-Chirurgie und tagesstationäre endoprothetische Versorgung

Die letzte repräsentative Umfrage des Deutschen Krankenhausinstitutes durch Befragung von 780 Geschäftsführern von Krankenhäusern mit einer Bettenzahl von über 100 im Jahr 2021 zeigt eine insgesamt pessimistische wirtschaftliche Erwartungshaltung für das Jahr 2022: Jedes zweite Krankenhaus erwartete eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei auch insgesamt deutlich zunehmendem Mangel an Pflegepersonal in den letzten Jahren ([1]; Abb. 1 und 2). Auch Patienten mit elektiv geplanter endoprothetischer Versorgung großer Gelenke haben teils aufgrund der subjektiv unklaren Risiken wegen der aktuellen Pandemielage ihre Operation verschoben ([1]; Abb. 3), was sich insgesamt auch durch rückläufige Operationszahlen abbildet.

Abb. 1
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Beurteilung der wirtschaftlichen Prognose durch Krankenhäuser für das Jahr 2022. (Mit freundl. Genehmigung, © Deutsches Krankenhausinstitut 2021, alle Rechte vorbehalten.)

Abb. 2
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Darstellung des Personalmangels im Pflegedienst im 10-Jahres-Verlauf; KH Krankenhaus. (Mit freundl. Genehmigung, © Deutsches Krankenhausinstitut 2021, alle Rechte vorbehalten.)

Abb. 3
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Reduktion elektiver Eingriffe aufgrund Patientensorge wegen SARS-CoV-2-Pandemie. (Mit freundl. Genehmigung, © Deutsches Krankenhausinstitut 2021, alle Rechte vorbehalten.)

So wurden 2019 laut IQTIG (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen) 169.500 elektive Knie- und etwa 174.800 geplante Hüftendoprothesenerstimplantationen durchgeführt. 2020 waren die Zahlen seit Jahren erstmals rückläufig mit etwa 152.200 Knie-TEP und 159.900 elektiver Versorgung mittels Hüft-TEP. Lediglich die Anzahl der frakturbedingten endoprothetischen Versorgung der Hüftgelenke blieb erwartungsgemäß fast auf Vorjahresniveau mit ca. 58.200 Eingriffen 2019 im Vergleich zu 61.900 im Folgejahr. In diesem Zeitraum gelang es, die durchschnittliche Krankenhausverweildauer elektiver Knieendoprothesenversorgungen in Deutschland von 9 auf 8 Tage zu senken. Die stationäre Verweildauer geplanter primärer Hüft-TEP-Implantationen blieb konstant bei 8 Tagen und insgesamt annähernd unveränderter allgemeiner und spezifischer Komplikationsrate ([2]; Tab. 1).

Tab. 1 Operationszahlen TEP-Versorgung in Deutschland 2019 und 2020. Quelle: Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Aus [2]

Auch liegen in Deutschland die Zahlen der allgemeinen Krankenhausverweildauer mit 8,9 Tagen im Jahr 2018 insgesamt laut OECD-Bericht 2020 noch deutlich über dem EU-Durchschnitt von 7,5 Tagen, bei aber ebenso deutlich hohen Gesundheitskosten pro Kopf von 4504 € im Jahr 2019 und einem EU-Durchschnitt von 2572 € ([3]; Abb. 4 und 5).

Abb. 4
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Durchschnittliche Krankenhausverweildauern, fachübergreifend im europäischen 18-Jahres-Vergleich. (Quelle: OECD/European Union (2020). Aus [3].)

Abb. 5
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Gesundheitskosten pro Kopf im Jahr 2019 im europäischen Vergleich in Euro. (Quelle: OECD/European Union (2020). Aus [3].)

Viele ausländische Kliniken haben schon vor Jahren durch die bereits erprobten Fast-Track-Chirurgiekonzepte teils eine sektorübergreifende optimierte endoprothetische Versorgung umgesetzt, um die Versorgungsqualität der Patienten zu steigern und gleichzeitig die Krankenhausverweildauer und damit die Kosten zu senken [4, 5].

Durch optimierte Zusammenarbeit zwischen Patient, ambulanten Versorgungsstrukturen und Krankenhaus kann für elektive TEP-Versorgungen nicht nur ein stationärer Aufenthalt von maximal 2–3 Tagen angestrebt werden, wie zum Beispiel in Dänemark schon seit 2016 realisiert [6] – es ist für bestimmte Patientengruppen auch eine ambulante, tagesstationäre endoprothetische Versorgung sicher möglich, wie Coenders et al. für 216 selektierte Patienten nach Fast-Track-Hüftimplantation bewiesen [7]. In den USA werden zum Teil schon 15-Jahres-Verläufe tagesstationär implantierter Hüftendoprothesen mit guten Langzeitergebnissen beschrieben [8]. Für die Umsetzung der Fast-Track- oder Ultra-Fast-Track-Versorgung (tagesstationäre Versorgung) mit Gelenkimplantaten ist nicht nur ein differenziertes und standardisiertes fachübergreifendes prä-, peri- und postoperatives Vorgehen zu empfehlen [9] – auch die frühzeitige Schulung und Motivation der Patienten selbst scheint unabdingbar, um Ängste zu vermeiden und das häusliche Umfeld vorzubereiten [10].

Prähabilitation fördert Koordination und Empowerment

Nicht nur die zeitliche Koordination sektorübergreifender Prozesse zur elektiven Endoprothesenimplantation kann durch geeignete Prähabilitationsstrukturen unterstützt werden, sondern natürlich und insbesondere die physischen koordinativen Fähigkeiten der betroffenen Arthrosepatienten. Idealerweise können Grundkenntnisse zu Bewegungsabläufen und ein spezielles Übungsprogramm aufgrund initialer Beschwerden schon Monate vor der finalen Entscheidung zur endoprothetischen Versorgung genutzt werden – entsprechende Präventionsprogramme werden später erläutert.

Gutes Hintergrundwissen zur geplanten Operation, wiederholtes individuelles Üben von Bewegungsabläufen und temporären Bewegungsgrenzen unter Aufsicht qualifizierter Therapeuten sichern nicht nur langfristig das sogenannte Empowerment [11], es reduziert auch Ängste, ermöglicht Vorbereitung im häuslichen Umfeld und kann durch das Regionalitätsprinzip auch leicht auf Angehörige ausgedehnt werden.

Der multimodale Ansatz zur Förderung von Prozessen, eigene Kräfte zu entwickeln und Ressourcen zu einer selbstbestimmten, krankheitsspezifischen Lebensführung nutzen zu lernen – so kann Empowerment in diesem Kontext beschrieben werden – kann auch auf Basis schon etablierter Reha-Therapiestandards (RTS) der Deutschen Rentenversicherung zum Beispiel in schon bestehenden Zentren für Ambulante Rehabilitation (ZAR) organisiert werden und besteht unser Meinung nach aus folgenden Schwerpunkten:

  • allgemeine Information zu Arthroseerkrankung und geplanter endoprothetischer Versorgung

  • Erfassung präoperativer Medikation und Hinweis auf ggf. notwendige präoperativer Kontrolle von Blutdruck, Blutbild, Hautbefund oder Grunderkrankungen

  • Risikoevaluation und Aufklärung zu krankheitsfördernden Elementen der Lebensführung

  • Physiotherapie zur Verbesserung der Koordination, Kraft und Beweglichkeit der betroffenen Extremitäten mit Erarbeitung eines häuslichen Übungsprogrammes schon weit vor der geplanten Operation

  • Hinführen zu einem leistungsentsprechenden allgemeinem Ausdauertraining

  • Motivation zur Eigeninitiative auch mit Hinblick auf den stationären Aufenthalt und die temporär zu erwartenden Einschränkungen

  • Reduktion von Ängsten mit allgemeiner Erklärung zu interventionsbedingten Risiken und zum postoperativen Schmerzmanagement

  • ergotherapeutische Gangschulung mit Gebrauch von Gehstützen und Schulung zur postoperativen Nutzung weiterer Hilfsmittel

  • ergotherapeutische Unterweisung zur temporären Umgestaltung des häuslichen Umfeldes

  • pflegerische Hinweise zum postoperativen Wundmanagement im häuslichen Umfeld bzw. Darstellung regelrechter Phasen der Wundheilung und Warnzeichen

  • diätetische Hinweise zur sinnvollen, zeitnahen prä- und postoperativen Ernährung

  • Zusammenfassung wichtiger Schulungsinhalte und Dokumentation eventuell auftretender Auffälligkeiten bzw. Beobachtung anhand eines Patienteninformationsheftes mit gleichzeitiger Übermittlung von Kontaktadressen der geplanten stationären Einrichtung

  • Besprechung des gesamten Zeitplanes mit Abgleichung stationäre Aufnahme, Operationszeitpunkt, Bestätigung der Voraussetzungen bei geplanter tagesstationären Endoprothesenimplantation und nachfolgender Rehabilitationsmaßnahme

Die Sicherstellung ausreichend erprobter Übungsinhalte und Seminare nebst Qualifikation der Therapeuten erfolgt zusätzlich über die regelmäßige Zertifizierung rehabilitationsspezifischer externer Qualitätsprüfungen (z. B. QMS-Reha®) und durch umfangreiche Qualitätsprüfungen der DRV, so eine Zulassung zur Durchführung medizinischer Rehabilitationsleistungen durch den federführenden Rentenversicherer DRV vorliegt.

Regionale Vernetzung ermöglicht abgestimmte Behandlungsabläufe

Der Reha-Bericht 2021 der DRV bescheinigt für 2020 bei hoher Ergebnisqualität ebenso rückläufige AHB-Zahlen über alle Indikationen hinweg, im Vergleich zu 2019 – jedoch insgesamt einen prozentualen Anstieg auf 39 % der AHB im Vergleich zu allen medizinischen Rehabilitationsleistungen. Getreu dem Grundsatz folgend „ambulant vor stationär“ [12] entfielen 2020 bei Erkrankungen des Bewegungssystems etwa 75 % auf ambulante medizinische Rehabilitationen bei Frauen und 67 % bei Männern [13].

Die Betrachtung dieser ambulanten Versorgungsstruktur bietet auch schon mögliche Vorteile bei der Umsetzung der systematischen Prähabilitation:

Die kooperierende Rehabilitationseinrichtung kann vor stationärer Aufnahme zu operativer Versorgung durch Patienten und Angehörige besichtigt werden, Tagesabläufe, Therapiemöglichkeiten und Infrastruktur, insbesondere der Patientenfahrdienst kann jeweils persönlich bewertet werden – Fragen können vorab geklärt werden und Ängste der Patienten können reduziert werden.

Kurze Wege zwischen Patienten, Hausarzt, Operateur und ortsnahem Prähabilitationszentrum ermöglichen einen schnellen Austausch von Vorbefunden oder Informationsmaterial, auch zur Reduktion von Schnittstellenproblemen, wie z. B. bei Verordnung von Hilfsmitteln, Laborkontrollen oder zur Evaluation von Auffälligkeiten in der Vorbereitungsphase zur Operation.

Besonderheiten individueller, vom Operateur vorgegebener Nachbehandlungsstandards können schon präoperativ mit den Arthrosepatienten und Therapeuten abgestimmt und besprochen werden.

Für Versicherte der DRV bestehen zusätzlich Therapieoptionen

Für Versicherte der DRV bestehen zusätzlich Therapieoptionen durch Nutzung der Intensivierten Rehabilitationsnachsorge (IRENA), um nach Abschluss der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme möglicherweise bestehende Defizite weiter durch das bekannte Team und ständig modifizierbare Therapiepläne betreuen zu lassen. Diesbezüglich gibt es sogar in einigen Zentren die Möglichkeit der Adipositasnachsorge für Versicherte der DRV, um gerade nach endoprothetischer Versorgung die langfristige biomechanische Fehlbelastung dauerhaft zu reduzieren – auch wiederum unter zusätzlicher Einbindung regionaler Adipositaszentren, falls notwendig.

Nach der Versorgung mittels tagesstationärer Endoprothesenimplantation bietet dieses ambulante sektorübergreifende Versorgungsnetzwerk zusätzliche Sicherheit aufgrund der zum Beispiel noch vulnerablen Wundsituation oder postoperativ möglicherweise auftretender Auffälligkeiten der Biomechanik zur kurzfristigen Wiedervorstellung beim Operateur mit individueller Modifikation des Rehabilitationsplanes.

Konsequente Einbindung schon sehr frühzeitiger präoperativ genutzter Präventionsprogramme der DRV, wie zum Beispiel das RV-fit-Programm oder auch Bewegungsprogramme der Krankenkassen auf Grundlage § 20 SGB V, können ohne Belastung des Heilmittelbudgets vor Ort genutzt werden, um Muskelkraft, Herz-Kreislauf-System oder Koordination der betroffenen Patientengruppen vor endoprothetischer Versorgung zu schulen.

Die frühzeitige Einbindung von Präventionsleistungen implementiert also nachhaltiges Empowerment schon weit vor der notwendigen TEP-Implantation.

RV-fit-Programm der DRV

Für Rentenversicherte mit bestehendem Arbeitsverhältnis kann auch schon bei initialen Arthrosebeschwerden ohne akut notwendiger Therapie oder geplanter operativer Intervention, wie auch bei bestehenden Risikofaktoren wie zum Beispiel Übergewicht, Bluthochdruck oder subjektiven körperlichen Beschwerden aufgrund zeitlicher Stressbelastung, ein nachhaltiges multimodales Präventionsprogramm der DRV durch den Betroffenen selbst sogar online beantragt werden (https://www.rv-fit.de).

Zur Verbesserung der allgemeinen Muskelkraft auch der unteren Extremitäten und des Rumpfes, zur Schulung gelenkschonender Bewegungsabläufe und zur Hinführung zu häuslichen Eigenübungsprogrammen erfolgt zunächst die 3‑tägige Schulung in der „Initialphase“. Hier werden nach ärztlicher Aufnahmeuntersuchung der Therapieschwerpunkt besprochen und die geeigneten Gruppenanwendungen und Seminare aus den Bereichen Bewegung, Entspannung und Ernährung koordiniert. Ein individuelles medizinisches Gerätetraining zur Verbesserung von Gangbild, Koordination und Kraft aller beteiligten Gelenk- und Wirbelsäulenabschnitte wird integriert.

In der darauffolgenden „Trainingsphase“ wird für die Dauer von 3 Monaten zweimal wöchentlich für 1,5 h das erlernte Bewegungsprogramm unter Aufsicht in Gruppen und in der medizinischen Trainingstherapie fortgesetzt – begleitet von praktischen Übungen aus Entspannungstherapie, Ernährung und flankierenden Seminaren.

Die nun geplante 3‑monatige „Eigenübungsphase“ wird von den Trainierenden selbst und eigenverantwortlich genutzt, um das Trainingsprogramm z. B. in einem Fitnessstudio oder einem Sportverein fortzuführen.

Zuletzt werden im Rahmen einer abschließenden ganztägigen medizinischen Evaluation („Refresher“) der erreichte Trainingseffekt besprochen und unter ärztlicher Anleitung und Beratung bestehende Restbeschwerden bewertet sowie gegebenenfalls weitere Diagnostik- oder Therapieempfehlungen ausgesprochen und in einem Abschlussbericht zusammengefasst.

Dieses Programm ist selbstredend nicht in Bezug auf kurzfristig geplante endoprothetische Eingriffe zu verwenden, kann aber bei frühzeitiger Berücksichtigung schon eine qualitativ hochwertige Umsetzung von Gelenkschutzübungen und Bewegungsschulungen garantieren – quasi als Basisschulung für spätere Prähabilitationsleistungen, an die sich die späteren Patienten dann schneller erinnern können.

Präventionskurs „Präventives Knie-Hüft-Gelenktraining (Kraft)“ auf Grundlage § 20 SGB V über die gesetzlichen Krankenkassen

Auch dieses Präventionsprogramm kann im Vorfeld höhergradiger Arthrosebeschwerden von Hüft- und Kniegelenken in unserer Einrichtung genutzt werden, um die persönlichen Voraussetzungen zur Umsetzung einer Gelenkschule, Kräftigung der unteren Extremitäten und Optimierung von Koordination und Gangbild weit vor einer späteren endoprothetischen Versorgung zu implementieren. Dieses Gruppentraining wurde in 8 wesentliche Übungsinhalte aufgeteilt und beinhaltet grundsätzlich die Wiederholung des zuvor Erlernten, Praxisanleitung mit Gruppenübungen zu Kraftsteigerung und Beweglichkeit und die Vermittlung theoretischer Grundlagen zum Gelenkschutz:

  • Gangschule – Gehen im Alltag; Übungen zur Kräftigung der relevanten Muskulatur und Anwendung der Kraft in Bewegung

  • Krafttraining: Grundlagen und Organisation von Krafttraining, Hilfsmitteln und Zirkeltraining in Theorie und Praxis

  • Lagetransfers, Koordination der Kraft, Anwendung der spezifischen Kraft in Bewegungs- und Lageveränderungen im Alltag

  • Zusammenhang von Kraft und Beweglichkeit und Koordination beim Gehen/Wandern/Spazieren – Kraft-Beweglichkeits-Technik und Technikübungen für die spezifischen Anforderungen des Gelenkschutzes

  • Zusammenspiel Rumpfkraft und Beweglichkeit/Beinkraft; aktive Beweglichkeit und Ansteuerung der Muskulatur

  • Krafttraining mit geschlossenen Widerstandsbändern

  • Kräftigung mit dem Steppbrett

  • Zusammenfassung und Wiederholung mit abschließendem Kraftzirkeltraining

Dieses Element der Prähabilitationsleistung kann sowohl über 8 Wochen als auch als Kompaktkurs zur Vorbereitung entsprechender Patientengruppen in Ergänzung zu individueller Krankengymnastik und Ergotherapie auf Rezeptbasis genutzt werden.

Derzeit werden in unserer Einrichtung etwa 1 Woche vor geplanter stationärer Versorgung individuelle aktive Übungselemente, speziell zu Gangschulung mit Unterarmgehstützen, Lagetransfers unter Beachtung der zu erwartenden vorgegebenen Bewegungslimits, Nutzung von sinnvollen Hilfsmitteln mit entsprechender Befragung zur häuslichen Situation, durch Ergo- und Physiotherapeuten durchgeführt. Aufgrund derzeit noch fehlender Finanzierungsmöglichkeit als „zertifizierte Prähabilitationsmaßnahme“ bleibt lediglich die Verordnung gemäß Heilmittelkatalog oder eine individuelle Vereinbarung mit den kooperierenden Krankenhäusern.

Die durchgeführten Einzelübungen und zusammenfassende Informationen zu Übungsfortschritten oder Defiziten werden anhand einer Checkliste dokumentiert und in der Patienteninformationsbroschüre zusammengefasst. So können bei stationärer Aufnahme noch kurzfristig relevante Beobachtungen der vorbereitenden Therapeuten zur Risikominimierung transferiert werden und der Patient hat eine Informationsquelle mit praktischen Hinweisen zur Rekapitulation. Wenige Kliniken haben im Rahmen der stationären präoperativen Vorbereitung schon seit Jahren routinemäßig eine physiotherapeutische Kontrolle und Beratung implementiert [14].

Besonderheiten der AHB nach tagesstationärer Endoprothetik oder Fast-Track-Versorgung

Die ambulante oder tagesstationäre endoprothetische Versorgung einer derzeit nur kleinen Patientengruppe zeigt bislang ermutigende Ergebnisse in Bezug auf Compliance, Rehabilitationsverlauf und Patientenzufriedenheit in unserem Patientenkollektiv, wie auch bei vorherigen Studien. Krieger et al. beschrieben im Rahmen einer Ultra-Fast-Track-Versorgung mittels Hüft-TEP eine tagesstationäre Versorgung von 96 Patienten zwischen September 2015 und November 2017. 30 Patienten konnten noch am Operationstag, der Rest innerhalb von 24 h aus der Klinik entlassen werden, wobei nur bei einem Patienten nach 10 Tagen aufgrund einer Pfannenlockerung eine Revision erforderlich wurde. Zusätzliche allgemeine oder spezifische Komplikationen wurden keine beobachtet [15].

Die verkürzte stationäre postoperative Verweildauer stellt jedoch eine Verschiebung der ersten Rehabilitationsziele dar: Die physiologische Wundheilung kennt keinen Fast-Track-Ansatz und die etwas eingeschränktere mechanische Belastbarkeit des noch ödematösen Gewebes im Operationsgebiet bedarf nach Abschluss der Hämostase mitten in der Exsudationsphase mit beginnender Granulation einer kritischeren Betrachtung der mechanischen Belastungsfähigkeit und Perfusion. Ebenso muss ggf. die Intaktheit interaktiver Wundauflagen (Wabenpflaster) zur Förderung der Wundheilung durch Aufrechterhaltung des feuchten Milieus bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Barrierefunktion gewährleistet bleiben [16].

Für die tagesstationär versorgten Endoprothesenpatienten besteht innerhalb der ersten Rehabilitationswoche in unserer Einrichtung ein differenziertes Behandlungsprofil im Vergleich zu über mehrere Tage postoperativ stationär betreuten Rehabilitanden:

  • Ärztliche Besprechung der postoperativ vorliegenden Befunde und geplanter Röntgenkontrollen mit Abgleich der Rehabilitationsziele und des Aufnahmebefundes mit erneuter Motivation des Patienten zur aktiven Mitwirkung im Rehabilitationsverlauf und Darstellung der Belastungsgrenzen.

  • Zweitägliche Wundkontrolle durch Aufnahmearzt oder Pflegepersonal, inklusive engmaschiger Laborkontrolle des kleinen Blutbildes und von Entzündungsparametern, Elektrolyten und Nierenretentionsparametern unter Berücksichtigung der letzten stationären Laborwerte.

  • Sensibilisierung der Rehabilitanden zur konsequenten Thromboseprophylaxe, Ermunterung zu Mobilisation und Fortführung von aktivierenden Kraftübungen im häuslichen Umfeld mit Darstellung möglicher klinischer Thrombosezeichen.

  • Durchführung eines Ruhe-EKG und einer Eingangsspirometrie, unabhängig von einer klinischen internistischen Symptomatik oder Vorerkrankung.

  • Individuelle Schmerzanamnese mit bedarfsgerechter Anpassung der Analgetika durch den Aufnahmearzt nach dem WHO-Schema und unter Berücksichtigung der Ossifikationsprophylaxe.

  • Frühestmögliche Ergotherapie mit Beurteilung bisheriger Patientenkenntnisse, Besprechung aktueller Einschränkungen im Rahmen der häuslichen Selbstversorgung und Wiederholung eines intensivierten ADL-Trainings und Überprüfung der bisherigen Hilfsmittelversorgung (Abb. 6).

  • Intensivierte antiphlogistische physikalische Therapie mit täglicher passiver Mobilisation durch Motorschienen für Knie-TEP-Patienten und bedarfsgerechter Krankengymnastik zur Ödemreduktion und Förderung der Koordination mit Gangschule. Zur manuellen Lymphdrainage erfolgt zusätzlich die tägliche apparative Lymphdrainage. Trockene Kryotherapie zur Reiz- und Ödemreduktion ist ebenso im Tagesablauf geplant. Eine TENS der angrenzenden Muskelgruppen wirkt detonisierend auf die oft begleitenden Kontrakturen und somit schmerzlindernd auf benachbarte, überlastete, häufig ebenso arthrotische Gelenkanteile.

  • Einweisung in das medizinische Gerätetraining zur schrittweisen und frühzeitigen Kräftigung der betroffenen Muskelgruppen in der geschlossenen Kette zur Vermeidung postoperativer Muskelhypotrophie mit Optimierung der Bewegungsumfänge. Dem noch bestehenden ödematösen Reizzustand im Operationsgebiet, Resthämatomen und Belastungsschmerzen muss Rechnung getragen werden. Es erfolgt baldmöglichst ein Gangtraining auf dem Laufband mit Spiegel, um auch eine visuelle Kontrolle des Rehabilitanden zur Vermeidung von Schonhaltungen zu gewährleisten (Abb. 7).

  • Im Rahmen der Bewegungstherapie werden Gruppenanwendung zunächst nur für die Gangschule und für TEP-gerechte Lockerungs- und Dehnungsübungen der unteren Extremität avisiert. Gelenkschutzgruppen helfen gerade im Rahmen des vorab durchgeführten ADL-Trainings der Ergotherapie im häuslichen Umfeld Fehlbelastungen zu vermeiden.

  • Innerhalb der ersten Therapiewoche werden zusätzliche Pausen- und Erholungszeiten im Ruheraum sowie Entspannungstherapie im Gruppenrahmen in den Therapieplan integriert.

  • Insgesamt werden mindestens tägliche Einzelanwendungen fachübergreifend mit individuellem Schwerpunkt und verkürzte ärztliche Zwischenuntersuchungszeiträume alle 2–3 Tage für sinnvoll erachtet. Zusätzlich bestehen täglich offene Sprechstunden, um verzugslos neue Beschwerden oder Fragen der Patienten sicher behandeln zu können.

Abb. 6
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Anleitungsbeispiele Ergotherapie zum ADL-Training (ADL: „activities of daily living“). (Mit freundl. Genehmigung, © ZAR-Regensburg, alle Rechte vorbehalten.)

Abb. 7
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Trainieren in geschlossener Kette in der medizinischen Trainingstherapie (a) und Laufbandtraining unter Anleitung und visueller Eigenkontrolle (b). (Mit freundl. Genehmigung, © ZAR-Regensburg, alle Rechte vorbehalten.)

Wöchentliche Teambesprechungen bilden die Grundlage für die Festlegung weiterer Therapieschwerpunkte im AHB-Verlauf, sodass meist nach wenigen Tagen auch tagesstationär operierte Rehabilitanden in die QMS-Reha®-gesicherten Rehabilitations- und Therapieprogramme überführt werden können. Im Rahmen der individuellen Überprüfung aller applizierten Therapieelemente in Bezug auf Anwendungsart und Anwendungsbreite gilt es auch grundsätzlich, hier die Reha-Therapiestandards der DRV zu erfüllen ohne den Rehabilitanden zu überlasten und idealerweise Nebenerkrankungen stets zu berücksichtigen. Zu den Grundlagen der allgemeinen Therapieplanung siehe Tab. 2.

Tab. 2 Reha-Therapiestandards der DRV zur Behandlung von Hüft- und Knie-TEP-Patienten während der AHB. Mindestanteil bezogen auf das gesamte Patientenkollektiv. (Quelle: DRV Schriftenreihe, Deutsche Rentenversicherung Bund, Geschäftsbereich Sozialmedizin und Rehabilitation Bereich Reha-Wissenschaften)

Durch standardisierte Prähabilitationsprogramme und entsprechende Vorkenntnisse dieser Patientengruppe ist ein rascherer Rehabilitationsfortschritt bei gleicher Rehabilitationsdauer zu erwarten. Dies bedarf natürlich noch umfangreicher und aussagekräftiger rehabilitationswissenschaftlicher Studien bei standardisierten Verfahren.

IRENA-Programm

So sich nach Beendigung der AHB nach Fast-Track-Chirurgie noch ein weiterer Trainingsbedarf verifizieren lässt, beispielsweise aufgrund noch deutlich verkürzter Muskelgruppen mit eingeschränkter Beweglichkeit der Nachbargelenke oder einer deutlichen Muskelhypotrophie aufgrund präoperativ schmerzbedingter Schonung, kann bei Rehabilitanden der DRV unkompliziert die Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) in Anspruch genommen werden. Dadurch wird die bisherige Infrastruktur des ambulanten Rehabilitationszentrums weiter genutzt und die nahtlose Betreuung durch bisher bekannte Therapeuten garantiert. Es besteht für ca. weitere 3 Monate ein multimodales Training an Geräten, in Gruppenübungen und Bewegungsbadübungen sowie eine kontinuierliche Beratung durch den vorbehandelnden Orthopäden oder Rehabilitationsmediziner der jeweiligen Einrichtung. Auch dieses spezielle Therapieangebot wird mittels einer ärztlichen Abschlussuntersuchung bewertet, und so können ggf. weiter medizinische Therapievorschläge mit dem Rehabilitanden diskutiert werden [17].

Zukünftige Herausforderung für die Prähabilitation

Um eine routinemäßige Einbindung der Prähabilitation zur totalendoprothetischen Versorgung von Hüft- und Kniearthrosepatienten zu realisieren, sollten neben der wissenschaftlichen Evaluation zertifizierter Konzepte auch die regionalen operativen Versorgungszentren in Bezug auf die gewünschten Unterstützungsleistungen befragt werden. Nicht jedes Krankenhaus und nicht jeder behandelnde Arzt/Operateur sind in Bezug auf die Einschätzung medizinisch sinnvoller und wirtschaftlich gerechter Patientenschulungen einer Meinung. Neben notwendiger Einzelbeübung der Patienten zur präoperativen Schulung von Gangbild, ADL-Fähigkeit und Umgang mit Hilfsmitteln, sind die Themen datenschutzkonforme, kurzfristige Befundübermittlung, individuelle Risikoevaluation und einheitliche Dokumentation der Patientenqualifikation regional zu diskutieren, um für alle beteiligten Institutionen nebst Patienten den maximalen Benefit zu generieren.

Die Kombination entsprechender Einzelleistung auf Basis einer individuellen Heil- und Hilfsmittelverordnung, geeigneter und frühzeitig eingeleiteter Präventionsmaßnahmen auch für Nachbargelenke und die abgestimmte Edukation der Patienten, gegebenenfalls unter Einbindung digitaler Schulungsmöglichkeiten braucht auch eine stabile Finanzierungsmöglichkeit. Selbst die Vergütung einer tagesstationären endoprothetischen Versorgung bildet sich derzeit nicht im DRG-System ab, sondern erfolgt nur durch individuelle Finanzierungsmodelle einzelner Krankenkassen. Hier besteht unserer Meinung nach von Seiten der Kostenträger und den beteiligten Krankenhäusern noch erheblicher Diskussionsbedarf zur notwendigen grundsätzlichen Änderung der Finanzierungsmöglichkeiten.

Infobox 1 Definition Empowerment

Empowerment zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, mittels Nutzung der eigenen personalen und sozialen Ressourcen ihre soziale Lebenswelt und ihr Leben selbst zu gestalten. In Empowermentprozessen werden hierarchische oder paternalistische Ebenen verlassen und die vorhandenen Stärken und Ressourcen der Menschen gesucht und betont. Ergebnisse gelungener Prozesse sind die Aufhebung von Ohnmacht und ein gestärktes Selbstbewusstsein [18].

Fazit für die Praxis

  • Fast-Track-Chirurgie und auch Ultra-Fast-Track-Prozeduren für ausgewählte Patienten stellen auch in Deutschland für die endoprothetische Versorgung von Hüft- und Kniegelenken ein zukunftsweisendes und sicheres Konzept dar, mit dessen Hilfe die gleichen klinischen Ergebnisse, geringere Komplikationsraten und eine nachhaltige Verbesserung der Patientenmotivation und -kompetenz erreicht werden können.

  • Spezifische Prähabilitationsmaßnahmen sind integraler Bestandteil dieses Versorgungskonzeptes und können durch regionale, sektorübergreifende Verzahnung individueller Leistungen gleichzeitig den Kostendruck auf Krankenhäuser reduzieren und durch frühzeitiges Empowerment der Patienten auch den zeitlichen Stress für Pflegekräfte mindern.

  • Weitere Rehabilitationsforschung zur Evaluation noch zu erstellender Prähabilitationsstandards und dessen Auswirkung auf Langzeitergebnisse nach Endoprothesenimplantation sind erforderlich, auch um die Diskussion einer notwendigen Anpassung trägerübergreifender Finanzierungskonzepte zu bewerten und umzusetzen.