Verdi: 98 Prozent für unbefristeten Streik an Unikliniken

Stand: 02.05.2022, 21:45 Uhr

In allen sechs Unikliniken in NRW haben diese Woche Warnstreiks stattgefunden. Arbeitsniederlegungen könnten zum Dauerzustand werden. Bei einer Urabstimmung sprachen sich 98 Prozent der Beschäftigten für unbefristete Streiks aus.

Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Versorgung von Patientinnen und Patienten droht an den sechs Universitätskliniken in NRW ein massiver Arbeitskampf. Bis zum 1. Mai sollten Beschäftigte an den Unikliniken in Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster und Aachen einen neuen Tarifvertrag bekommen. Die Gewerkschaft Verdi hatte ansonsten mit unbefristeten Streiks gedroht.

Nachdem die Landesregierung und der Arbeitgeberverband des Landes (AdL) ein 100-Tage-Ultimatum zum 1. Mai hatten verstreichen lassen, gab Verdi am Montag das Ergebnis der Urabstimmung unter den Klinik-Mitarbeitern bekannt: Rund 98 Prozent stimmten für unbefristete Streikaktionen.

"Notdienstvereinbarungen" mit drei von sechs Uni-Kliniken

Wann es dazu kommt, dazu gab es noch keine Informationen. Nur so viel: Es könnte sehr schnell gehen. Kommt es zu Streiks, rechnet Verdi damit, dass Notdienstvereinbarungen genutzt und nicht-akute Eingriffe in den Kliniken verschoben werden.

"Wir sind jetzt nicht mehr in der Situation, dass wir zu Warnstreiks aufrufen, sondern zu richtigen Streiks", sagte Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt. Damit könnte es auch zu einem unbefristeten Ausstand kommen. Mit drei von sechs Uni-Kliniken seien bereits "Notdienstvereinbarungen" getroffen worden.

Warnstreiks laufen bereits

Bereits am Montag gab es Warnstreiks in allen sechs Unikliniken in NRW, für Dienstag sind weitere geplant. Die Uniklinik Münster hatte am Sonntag bereits angekündigt, einen Krisenstab einzurichten. "Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie und den bereits bestehenden Personalausfällen stellt dieser Streik das UKM vor erhebliche Herausforderungen", heißt es in einer Mitteilung der Klinik.

Dort richtet man sich bereits auf weitere Streiks vom 4. bis zum 7. Mai ein. Dies werde zu erheblichen Einschränkungen in den Ambulanzen und bei stationären Aufnahmen führen.

Keine Antwort auf Gewerkschaftsforderungen

Mit dem neuen Tarifvertrag sollen die Beschäftigten der sechs NRW-Unikliniken entlastet werden. Auf die im Januar gestellten und mit einem Ultimatum versehenen Forderungen habe es vom Arbeitgeberverband nach 100 Tagen aber keine Antwort gegeben, sagte die Verdi-Landesfachbereichsleiterin, Katharina Wesenick, bereits vergangene Woche. Zuletzt hatte es vor einigen Tagen befristete Warnstreiks gegeben, mit denen die Beschäftigten vorab Druck machen wollten.

Landesregierung will Tarifvertrag ermöglichen

Währenddessen gibt es Signale aus der Landesregierung, dass man eine Einigung anstrebt: In einem Brief von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) an die Verhandlungsführer von Verdi heißt es, die NRW-Landesregierung wolle einen "Tarifvertrag Entlastung" für die Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW ermöglichen.

"Es eint uns das Bestreben, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern", schreibt Laumann in dem Brief, der der "WAZ" vorliegt. Am Mittwoch soll es dazu ein Gespräch zwischen Landesregierung und Verdi geben.

SPD: "Verschärfter Arbeitskampf unausweichlich"

Die SPD stehe hinter den Forderungen der Klinikbeschäftigten, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende des Landtags, Lisa-Kristin Kapteinat, am Montag. Die Bedingungen an den Kliniken seien "unzumutbar geworden", betonte sie.

"Es ist ein Unding, dass die Beschäftigten immer noch keinen neuen Tarifvertrag haben. Es war genug Zeit, um faire Arbeitsbedingungen auf den Weg zu bringen. Doch die Landesregierung und der Arbeitgeberverband des Landes haben diese Chance sehenden Auges verstreichen lassen", sagte Kapteinat. Sie trügen die Verantwortung dafür, dass nach dem 100-Tage-Ultimatum noch immer keine Lösung gefunden worden sei. "Damit ist ein verschärfter Arbeitskampf unausweichlich."

Tarifvertrag als Vorbild für alle Krankenhäuser

Bei der angestrebten Entlastung geht es auch um einen Ausgleich bei Unterbesetzung in Form von Freizeit. "So hätten die Arbeitgeber einen Anreiz, um mehr Personal einzustellen", sagte Wesenick. Verdi NRW unterstrich dabei, man habe nicht nur die Pflege im Blick, denn ein Krankenhaus funktioniere nur mit allen Berufsgruppen. Der angestrebte Tarifvertrag solle Vorbild für alle Krankenhäuser in NRW sein.

Verdi: Viele Auszubildende gehen vorzeitig

Auch für Nachwuchskräfte seien bessere Bedingungen dringend erforderlich: Jeder vierte Auszubildende verlasse den Gesundheitsbereich vor Ausbildungsende. "Die Beschäftigten haben gar keine Zeit, die Leute auszubilden", so Wesenick. "Die müssen dann teilweise im ersten Lehrjahr Menschen alleine in den Tod begleiten." Der seit Jahren herrschende massive Personalnotstand habe in den Einrichtungen zu einer unerträglichen Belastungssituation der Beschäftigten und dadurch zu einer hohen Fluktuation geführt.

Kundgebungen am Samstag

Für Samstag - gut eine Woche vor der Landtagswahl - ist in Düsseldorf eine große Demonstration mit zwei Kundgebungen geplant. Die Auftaktveranstaltung steigt um 12 Uhr am DGB-Haus, die Abschlusskundgebung soll um 14 Uhr auf der Wiese vor dem NRW-Landtag stattfinden. Es brauche "eine andere Gesundheitspolitik" für eine "Gesundheitsversorgung in NRW, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert", lautet die zentrale Forderung.