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Kreis Schaumburg soll 8 Millionen Euro beisteuern

Schaumburger Krankenhaus macht Verlust: Wer soll für das Defizit bezahlen?

Foto: Archiv

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LANDKREIS. Die Schuldigen sitzen nicht am Tisch. Bei der Pressekonferenz des Agaplesion-Klinikum Schaumburg ist klar, wer für die Anwesenden für das erneute Millionendefizit verantwortlich ist: Es sind Land und Bund.

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Für die Geschäftsführer des Schaumburger Krankenhauses gibt es stattdessen jede Menge Lob, auch den Mitarbeitern des Hauses wird reihum Respekt gezollt. Allerdings in Abwesenheit, denn ein Mitarbeitervertreter wurde nicht eingeladen.

Die Geschäftsführer des Klinikum Schaumburg sowie die Gesellschafter werden vor dem Krankenhaus fotografiert. Foto: jak

Die Geschäftsführer des Klinikum Schaumburg sowie die Gesellschafter werden vor dem Krankenhaus fotografiert. Foto: jak

Die Harmonie wird also nur von der tristen wirtschaftlichen Realität eingetrübt. Denn das Schaumburger Krankenhaus ist weiter in finanziellen Schwierigkeiten. Nur dank einer 3-Millionen-Euro Zuwendung von Agaplesion konnte der Verlust im Jahr 2021 auf 2,7 Millionen Euro gedrückt werden.

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27 Millionen Euro Verlust angehäuft

Bei der gestrigen Gesellschafterversammlung wurde für das Jahr 2021 ein Defizit von 2,7 Millionen Euro festgestellt. Das ist zwar weniger als in den Vorjahren (2018: minus 12,8 Millionen; 2019: minus 8,2 Millionen; 2020: minus 4,3 Millionen). Aber der langfristige Wirtschaftsplan sah laut Ellerhoff vor, 2021 einen Ausgleich zu erreichen. Dieses Ziel sei aufgrund der genannten Rahmenbedingungen verfehlt worden.

Das liege an einer systemischen Ungerechtigkeit, führen die Anwesenden aus. „Gerade Krankenhäuser wie das hiesige, die sich in einer Wachstumsphase befinden, werden finanziell benachteiligt“, sagte Jörg Marx, Vorstand der Agaplesion gAG, dem 60prozentigen Hauptgesellschafters des Klinikums. Das drücke sich in zwei Problemen aus, regelrechte „Systemfehler“ seien es, führt Landrat Jörg Farr aus.

Problem 1: der Corona-Schutzschirm

Eigentlich sollten die aus der Corona-Pandemie entstandenen finanzielle Probleme durch den sogenannten „Corona-Schutzschirm“ ausgeglichen werden.

Doch dieser ist nicht auf Krankenhäuser in einer Wachstumsphase ausgerichtet. Denn als Basis wird das Jahr 2019 herangezogen. Damals hatte das Krankenhaus Schaumburg aber gerade erst eröffnet, befand sich teilweise im Aufbau. Daher müssen jetzt 3,1 Millionen Euro an bereits gezahlten Unterstützungen wieder zurückgezahlt werden.

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Zusätzlich: Wenn als Basis für den Corona-Schutzschirm das erste Quartal 2020 (also direkt vor der Corona-Pandemie) herangezogen worden wäre, hätten dem Krankenhaus weitere 4,6 Millionen Euro zugestanden. Damals war die Leistung des Klinikums nämlich bereits deutlich höher als noch 2019. So seien dem Krankenhaus also insgesamt sogar 7,7 Millionen Euro entgangen, die einem bei einer aus Sicht der Gesellschafter „gerechteren“ Berechnung, eigentlich zugestanden hätten.

Problem 2: Weniger Geld bei mehr Behandlungen

Ganz unabhängig von der Corona-Pandemie werden laut Klinikum-Geschäftsführern seit 2017 Krankenhäuser bewusst benachteiligt, die sich im Wachstum befinden. Da geht es um den sogenannten „Fixkostendegressionsabschlag“. Immer gerechnet auf drei Jahre werden alle Leistungen, die mehr erbracht werden als davor, mit einem Abschlag von 35 Prozent bezahlt.

Das heißt, wenn eine Durchschnittsbehandlung 3800 Euro bringt, man aber statt 1000 Behandlungen jetzt 1500 Behandlungen durchführt, dann erhält man für die zusätzlichen 500 Behandlungen jeweils nur 2850 Euro.

Für ein Krankenhaus, das nach einem Neubau überhaupt erst kräftig wachsen muss, um irgendwann kostendeckend zu arbeiten, eine extrem schwierige Ausgangslage. Nach drei Jahren werde dieser Wert zwar neu ermittelt, bis dahin geht das Krankenhaus aber davon aus, dass ihm 8 Millionen Euro entgehen.

Lösung: Landkreis soll 8 Millionen Euro zuschießen

Das Schaumburger Krankenhaus gehört drei Eigentümern. Der Agaplesion gAG (60 Prozent), der Stiftung Bethel (30 Prozent) und dem Landkreis Schaumburg (10 Prozent). Agaplesion hat bereits die Verluste der Vergangenheit in Höhe von 27 Millionen Euro durch einen Liquiditätszuschuss getragen und im Jahr 2021 auf weitere drei Millionen Euro an Verbindlichkeiten verzichtet.

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Bernd Hellmann, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung, betonte, dass „alle drei Gesellschafter in vollem Umfang zum Klinikum stehen“. Man habe „vollstes Vertrauen zur Geschäftsführung und zu den Mitarbeitern“. Marx als Vertreter des Hauptgesellschafters Agaplesion bekräftigte: „Wir stehen uneingeschränkt zu diesem Klinikum.“ Die Einrichtung sei zukunftsfähig und habe ein gute Perspektive.

Landkreis Schaumburg muss Krankenhaus kein Geld geben

Finanziell soll jetzt auch der Landkreis Schaumburg in die Bresche springen (wir berichteten). Über insgesamt acht Millionen Euro verhandeln aktuell Landkreis und Agaplesion, die bis 2025 zugeschossen werden sollen. Die Stiftung Bethel kann nach eigener Aussage kein Geld zuschießen, da sie ihren einzigen nennenswerten Besitz - das Krankenhaus Bethel in Bückeburg - bereits zur Gänze in die neue Gesellschaft mit eingebracht habe.

Aber so wie die Stiftun Bethel ist auch der Landkreis Schaumburg nicht dazu verpflichtet, das Krankenhaus finanziell zu unterstützen. Es wäre also eine freiwillige finanzielle Leistung und muss dementsprechend vom Kreistag beschlossen werden.

Da die Lage aber jetzt nunmal so sei, wie sie ist, „müssen wir als Landkreis unserer Verantwortung gerecht werden und die gute Gesundheitsversorgung durch das Klinikum sichern“, so Landrat Farr.

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SZ/LZ

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