Nach Caritas-Übernahme:Keine Abtreibungen mehr in Kelheimer Klinik

Nach Caritas-Übernahme: Die Goldberg-Klinik in Kelheim wird künftig von der Caritas Regensburg geleitet. Eigentümer bleibt hingegen der Landkreis.

Die Goldberg-Klinik in Kelheim wird künftig von der Caritas Regensburg geleitet. Eigentümer bleibt hingegen der Landkreis.

(Foto: Goldberg-Klinik Kelheim GmbH)

Landkrankenhäuser kämpfen ums Überleben, in Kelheim ist man deshalb froh, dass die Caritas übernimmt. Doch was bedeutet es für Personal und Schwangere, wenn die Kirche das Sagen hat? Ein Lehrstück aus Niederbayern.

Von Deniz Aykanat, Kelheim

Im niederbayerischen Kelheim kommen gerade einige brisante Themen zusammen: Krankenhaus-Sterben, die Kirche als Arbeitgeber. Und dann ist da noch die Sache mit den Schwangerschaftsabbrüchen. Aber von vorne: Der kommunalen Goldberg-Klinik geht es wie vielen Landklinken, sie schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Nun lässt man die Caritas Regensburg das Ruder übernehmen, der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer (CSU) ist erleichtert: "Wir hätten es alleine nicht mehr geschafft."

Andere sehen die Kooperation zwischen Klinik und Kirche kritisch. Denn wenn die Caritas zum 1. Juni übernimmt, wird sich nicht nur der Name von Goldberg in St. Lukas ändern. Die Caritas wird das Haus künftig managen, Eigentümer der Klinik, und damit für Schulden und Kosten zuständig, bleibt aber der Landkreis. Vier bis fünf Millionen Euro müssen derzeit jährlich zugeschossen werden.

Es gehe nicht anders, sagt Landrat Neumeyer. "Als Kooperationspartner die Schulden mit abbezahlen, das macht doch keiner." Man habe die Caritas wegen ihrer Erfahrung mit ins Boot geholt. Die betreibt zum Beispiel das hochangesehene St. Josef-Krankenhaus in Regensburg. Beide Seiten versprechen sich "Synergie-Effekte", wie Landrat und Caritas-Chef Michael Weißmann in bestem BWL-Deutsch betonen. Die Caritas soll vor allem dafür sorgen, dass sich das Haus wieder rentiert - mit einer "deutlichen Fallzahl- und Leistungssteigerung". Das genaue Konzept sei vertraulich, so die Caritas, aber so viel könne man sagen: Man wolle das Angebot in der Geriatrie und Urologie ausbauen, mit einem externen chirurgischen Dienstleister zusammenarbeiten und eng mit der Klinik in Regensburg kooperieren.

Nur die Klinik in Deggendorf bietet noch Abtreibungen in Niederbayern an

Landrat und Caritas sind mehr als froh über den Deal. "Wir wollten ein Krankenhaus vor Ort haben. Und wir wollten nicht verkaufen." Andere Landkreise würden ihnen gratulieren, sagt Neumeyer. In Kelheim, das wenige Kilometer vor den Toren Regensburgs liegt, wird es also auch künftig an 365 Tagen im Jahr eine offene Notaufnahme geben - aber zum Beispiel keine Schwangerschaftsabbrüche mehr. Kelheim und Deggendorf waren bisher die einzigen öffentlichen Kliniken in ganz Niederbayern, die Abbrüche bei medizinischer Indikation anbieten. In der ganzen Oberpfalz gibt es noch eine weitere, sie liegt nicht in Regensburg.

Dort ist die medizinische Versorgung hervorragend - wenn man nicht ungewollt schwanger ist. Denn beide Regensburger Kliniken für Frauenheilkunde sind in kirchlicher Hand. "Bei der medizinischen Indikation geht es um tragische Fälle", weiß Claudia Alkofer, Leiterin der Beratungsstelle Pro Familia in Regensburg. "Das sind zum Beispiel Kinder mit sehr geringen Überlebenschancen, das ist ohnehin sehr belastend für die Frauen." Solche Fälle habe man ins nahe Kelheim schicken können, da gebe es auch das Know-how für die meist späten Abbrüche. "Das gibt es in Zukunft nicht mehr."

Strittig ist vor allem das kirchliche Arbeitsrecht

Gestritten wurde vor der Fusion aber vor allem wegen des bald geltenden kirchlichen Arbeitsrechts. Hätten sich Gewerkschaft und der Klinik-Betriebsrat nicht eingeschaltet, wären die bisherigen Tarifverträge eines Drittels der Beschäftigten eingefroren worden. Verdi behielt sich vor, zu klagen. "Der Druck war wichtig", sagt Josef Ilsanker, Gewerkschaftssekretär bei Verdi Niederbayern. Verdi und Betriebsrat konnten dann aushandeln, dass ein Teil der Arbeitsverträge dynamisch weiterläuft bis 2027, der andere Teil dauerhaft bis zur Rente. Die aktuellen Azubis bekommen ebenfalls einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Ilsanker lobt die Gespräche als "sehr kooperativ", bei Verdi sei man sehr zufrieden, auch, weil man durchsetzen konnte, dass der Betriebsrat für eine Übergangszeit von ein paar Monaten weiter bestehen bleibt. "Dieser Fall zeigt ja gerade, wie gut und wichtig es ist, wenn man einen Betriebsrat hat", sagt Ilsanker.

Dauerhaft behalten kann die Belegschaft diesen aber nicht. Nach der Übergangszeit wird er durch die im kirchlichen Arbeitsrecht vorgesehene Mitarbeitervertretung ersetzt. Diese hat laut Ilsanker "deutlich weniger Durchsetzungsrecht".

In der Belegschaft sollen außerdem Befürchtungen geäußert worden sein, dass künftig sexuelle Orientierung und Familienstand eine Rolle spielen werden. "Das ist ausgeschlossen", sagt Landrat Neumeyer, und Caritas-Chef Weißmann versichert: "Wir fragen nicht nach der persönlichen Situation." Das klingt eher nach Kulanz als nach konkreten Arbeitnehmer-Rechten. In der Vergangenheit hing es von der jeweiligen Diözese und dem Träger ab, wie damit umgegangen wird. Auch Ilsanker von Verdi kritisiert die unklare Lage beim kirchlichen Arbeitsrecht. "Aus meiner Sicht ist das nicht mehr zeitgemäß. Die Regierungskoalition muss sich das anschauen."

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