10. Mai 2022

„Krankenhäuser sind mehr als reine Produktionsmaschinerie“

KGNW beim „Gesundheitskongress des Westens“ 2022

© WISO/Schmidt-Dominé Der „Gesundheitskongress des Westens“ 2022 fand am 3. und 4. Mai in Köln als Hybridveranstaltung statt. Das Motto lautete: „Lasst uns nachhaltige Strukturen schaffen!“ Expertinnen und Experten aus Gesundheitspolitik, Krankenhausmanagement, Ärzteschaft, Pflege, Gesundheitsökonomie und Versorgungswissenschaft diskutierten zwei Tage lang, wie es gelingt, nachhaltige Strukturen zu schaffen, um eine hochwertige Gesundheitsversorgung auch für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) war mit Vorstandsmitglied Andreas Schlüter, Hauptgeschäftsführer Knappschaft Kliniken GmbH (Dortmund), dem KGNW-Geschäftsführer Matthias Blum, sowie Burkhard Fischer, Referatsleiter „Qualitätsmanagement, IT und Datenanalyse“, prominent vertreten.

Krankenhausplan NRW: Schließungs- oder Zukunftsplan?

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Andreas Schlüter und Matthias Blum waren als Experten zur Diskussion rund um den neuen Krankenhausplan NRW gefragt: „Krankenhausplanung NRW: Wäre ein ,Krankenhaus-Schließungs-Gesetz‘ ein Zukunftskonzept?“ Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS), das den Plan initiierte, vertrat Helmut Watzlawik, Leiter Abteilung Krankenhausversorgung. Die Fahne der (oppositionellen) Landespolitik hielten Josef Neumann, Mitglied der SPD-Fraktion des Landtags, sowie Sandra Leurs, Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege Landesverband NRW der Piratenpartei Deutschland, hoch. Prof. Dr. Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, Mitglied der der neuen Regierungskommission auf Bundesebene zur Erarbeitung einer Krankenhausstrukturreform, wiederholte auf dem Podium auch zum Krankenhausplan seine Dauer-Forderungen nach Ausdünnen der Kliniklandschaft: „Am Ende werden aber auch ganz klar Krankenhäuser geschlossen werden müssen. Es muss eine Konzentration geben – und die wird auch kommen.“ Dem hielt Josef Neumann entgegen: „Zwischen Impulsen der Wissenschaft und der Praxis bestehen manchmal Unterschiede.“

Neumann brach eine Lanze für die Krankenhäuser: „Mir gefällt nicht, dass Krankenhäuser unter Generalverdacht stehen und ihnen so viel Misstrauen entgegenschlägt. Die Krankenhäuser sind das Rückgrat, die Säule der gesundheitlichen Daseinsversorgung. Wir dürfen sie nicht zum Spielball des Marktes machen.“

Helmut Watzlawik erläuterte die Details des soeben veröffentlichten neuen Krankenhausplans des Landes. Gleich zu Beginn wehrte er sich gegen den Titel der Diskussionsrunde: „Der Krankenhausplan 2022 für Nordrhein-Westfalen ist kein Krankenhaus-Schließungsplan. Wir wollen die Krankenhauslandschaft stärken und zukunftsfest machen. Ich bin optimistisch, dass dem Plan am Ende viele zustimmen werden.“

Alle Beteiligten waren sich einig, dass Veränderungen in der Krankenhauslandschaft angebracht sind. So erinnerte Andreas Schlüter: „Man muss sich trennen vom Glauben, dass sich in den vergangenen Jahren im Krankenhausbereich nichts getan hat.“ Immer wieder betonte er die Wichtigkeit der Menschen: „Krankenhäuser sind mehr als eine reine Produktionsmaschinerie.“

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KGNW-Geschäftsführer Matthias Blum (Bild) stellte eine zentrale Herausforderung in der Umsetzung des Krankenhausplans dar – die regionalen Planungskonferenzen. „Wenn der Krankenhausplan in der Umsetzung an einer Stelle oder in einer Region gestartet ist, dann muss er vollständig umgesetzt werden.“ Grund seien die Abhängigkeiten der einzelnen Prozesse und Plankomponenten untereinander. Alles baue aufeinander auf.

Josef Neumann nahm sich als Vertreter der Politik und einer Partei, die die kommende Landesregierung stellen möchte, zum Diskussionsende selbst in die Pflicht: „Die Hinterlegung mit finanziellen Mitteln ist in der NRW-Krankenhausplanung einer der zentralen Punkte, der stärker in den Mittelpunkt gerückt werden muss.“

Matthias Blum gab der künftigen Berliner Krankenhaus-Regierungskommission für ihre künftige Arbeit noch Hinweise mit auf den Weg: „Diese Regierungskommission muss den Ländern die regionale Planung der Krankenhaus-Landschaft überlassen. Zudem müssen die Krankenhäuser für mehr Ambulantisierung geöffnet werden.“

„Krankenhaus trifft Klimaschutz“

Ein zentrales Thema des Gesundheitskongresses war der Klimaschutz im Gesundheitswesen allgemein, in den Krankenhäusern im Speziellen: „Krankenhaus trifft Klimaschutz“. Annegret Dickhoff, Projektleiterin im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Berlin e.V. mit dem Schwerpunkt Klimaschutz in Gesundheitseinrichtungen, und Burkhard Fischer stellten das im April 2022 abgeschlossene Projekt KLIK green, das Zielbild „Klimaneutrales Krankenhaus“ des Wuppertal Instituts und das Gutachten zu Finanzierungsmöglichkeiten von Umsetzungsmaßnahmen des Zielbilds vom hcb vor.
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Im Projekt „KLIK green“ begleiteten die Verbundpartner BUND Berlin, Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) und Universitätsklinikum Jena über drei Jahre ein Netzwerk aus rund 200 Krankenhäusern und 50 Reha-Kliniken bei der Umsetzung von Klimaschutzvorhaben. Über den Projektzeitraum hinaus wirken über 1.600 Maßnahmen zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz. Das Ziel: eine Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase (Kohlendioxid-Äquivalenten/CO2äq) von mindestens 100.000 Tonnen. Erreicht wurde mehr als das Doppelte. Das entspricht laut Umweltbundesamt (UBA) den Emissionen von etwa 40.000 Hin- und Rückflügen auf die Malediven.

Als besonders wichtig stellte Annegret Dickhoff die Vorbildfunktion der Geschäftsführung in puncto Nachhaltigkeit heraus. Das scheint in der Uniklinik Essen gut zu funktionieren, wie Prof. Dr. Jochen A. Werner, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor Universitätsmedizin Essen, präsentierte. In seiner Einrichtung habe ein Umdenken, ein Wandel der Unternehmenskultur, stattgefunden. „Smart Hospital“, das Konzept einer innovativen, digitalisierten, zukunftsfähigen Medizin, stelle den Menschen in den Mittelpunkt. Damit einher geht das Prinzip des „Green Hospital“. Prof. Dr. Werner nennt es „das Recht des Menschen auf eine gesunde Umwelt“.

Krux ist wie immer das Geld, wie Annegret Dickhoff betonte: „Kliniken sind beim Klimaschutz wichtige Player. Gesundheitseinrichtungen benötigen aber finanzielle und politische Unterstützung.“ Hier sieht auch Burkhard Fischer (Bild) einen entscheidenden Knackpunkt: „Ja, man kann Krankenhäuser klimaneutral machen.“ Bisher, so habe es ein Gutachten von Prof. Dr. Boris Augurzky verdeutlicht, fehle es aber an geeigneten und wirksamen Fördermöglichkeiten für die besonderen Anforderungen der Krankenhäuser. „Das Dilemma im Bereich der Krankenhausfinanzierung behindert jedoch die Umsetzung des Klimaschutzes. Der ,Climate Boost‘ in den Krankenhäusern erfordert Gesetzesänderungen, Finanzierung und Mittelzuweisung“, erläuterte Fischer.

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Zugleich mahnte er einen langen Atem an: „Ein Climate Boost braucht Zeit. Keiner kann jetzt schon sagen, wo wir in acht Jahren stehen werden.“