StartseiteRegionalOberschwabenRavensburgDrohende Krankenhaus-Schließung: Betriebsräte befürchten Kündigungswelle

Kündigungswelle

Drohende Krankenhaus-Schließung: Betriebsräte befürchten Kündigungswelle

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Schließung der Waldseer Klinik könnte Personalmangel der OSK verschärfen
Veröffentlicht:18.05.2022, 05:00

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Ende Mai soll der Kreistag entscheiden, wie es mit den einzelnen Standorten der Oberschwabenklinik (OSK) weitergeht. Soll das Krankenhaus in Bad Waldsee geschlossen werden? Sollen am Westallgäu-Klinikum in Wangen Geburtshilfe und Gynäkologie wegfallen?

Forderung: Krankenhäuser sollen erhalten bleiben

Nun meldet sich ein Bündnis von Betriebs- und Personalräten aus dem Klinikverbund-Oberschwaben (BR-KVO) zu Wort. Dieses fordert, dass „die Krankenhäuser in der Region Bodensee-Oberschwaben mit ihren guten regionalen Strukturen“ erhalten bleiben.

Und nicht nur das.

Aufwerten und Entlasten von Beschäftigten ist eine dringende Aufgabe. Neben einer besseren Bezahlung fordern Beschäftigte vor allem bessere und verlässlichere Arbeitsbedingungen, die Freiraum für Privates zulassen,

so das BR-KVO bei einem Pressegespräch am Dienstag.

Sorge davor, dass Beschäftigte der Pflege den Rücken kehren

Zugleich mit der Forderung äußert Alfred Stier , Sprecher des BR-KVO, auch eine Befürchtung. „Uns treibt die Sorge um, wie im sensiblen Bereich Krankenhaus, Pflege und Gesundheitsversorgung Personal gewonnen und gehalten werden kann“, sagt Stier beim Online-Pressetermin.

Mit jeder Person, die aus dem Pflegeberuf aussteigt, gehe Experten- und Erfahrungswissen verloren, warnt das BR-KVO in einem Forderungspapier, das der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt und das an den Kreistag übergeben werden soll.

Wie würden Mitarbeiter in Bad Waldsee reagieren?

Stier skizziert, in welcher Situation sich die Waldseer Beschäftigten befinden, die nach der Schließung des Waldseer Krankenhauses dann im Elisabethenkrankenhaus in Ravensburg oder im Westallgäu-Klinikum in Wangen arbeiten sollen. „Sie verlieren Sicherheit und sollen sich in andere Strukturen, in andere Teams einfinden.“ Prämien und andere Anreize wie Tankgeld seien nach seiner Erfahrung „nur ein kleiner Tropfen“, um Mitarbeiter zu halten.

„Ich befürchte, dass nur 50 Prozent der Beschäftigten wechselwillig sind.“ Die Beschäftigten in Bad Waldsee hätten zudem eine hohe Arbeitsplatzorientierung, sie würden in Bad Waldsee arbeiten, weil sie dort arbeiten möchten. „Jeder, der in diesem Bereich arbeitet, hat genügend Alternativen“, meint Stier.

Ohne Personal droht die Schließung von Betten

Diese Alternativen sind auch außerhalb der Gesundheitsversorgung zu finden. „Der eine oder andere fragt sich: Wie lange bleibe ich überhaupt noch in der Pflege?“ Dazu komme ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit. „Wir kämpfen mit einem Negativ-Image“, sagt Stier. Die Pandemie habe das noch verstärkt.

Mit einer eher düsteren Einschätzung bringt es Stier auf den Punkt: „Der Ausstieg aus der Pflege liegt näher als der Wechsel in eine andere Klinik.“ Noch schärfer formuliert es Bruno Sing , der als ZfP-Personalrat dem BR-KVO angehört, aber auch für die Grünen im Kreistag sitzt: „Die OSK kann noch so groß sein, wenn kein Personal da ist, müssen Betten geschlossen werden.“

Das ist das eigentliche Problem der Krankenhausfinanzierung

In dem Papier sprechen die Betriebs- und Personalräte auch ein zentrales Problem der Krankenhausfinanzierung an: die Fallpauschalen. Pro Blinddarmdurchbruch, Geburt, Mandeloperation oder sonstiger medizinischer Behandlung zahlen die gesetzlichen Krankenkassen eine bestimmte Summe ans Krankenhaus.

Doch in bestimmten Bereichen wie bei einer normalen Geburt sind die Kosten für die Klinik höher als die Fallpauschale, die sie dafür bekommt. Das Krankenhaus zahlt also drauf.

Das BR-KVO fordert, dass dieses System der Fallpauschalen ersetzt wird und zwar „durch ein kostendeckendes, leistungsbezogenes Abrechnungssystem“. Sing wird bei diesem Punkt sehr deutlich: „Die Geburtskliniken werden immer rote Zahlen schreiben, wenn man das nicht ändert.“ Er schlussfolgert, dass das Problem ein bundespolitisches sei. „Das Problem kann nicht der Kreis lösen, sondern der Bund.“

Übergabe einer Unterschriftenliste an den Kreistag

Dennoch ist der erste Adressat, an den die Forderungen übergeben werden sollen, der Kreistag. Eine Unterschriftenliste von Betriebs- und Personalräten von Kliniken in der Region Bodensee-Oberschwaben soll diesen Forderungen Gewicht verleihen. Gleichzeitig sucht die BR-KVO das Gespräch mit Bundespolitikern.

Sing weist auf den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition hin, in dem die Regierungsparteien versprechen: „Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe.“ Sing kritisiert: „Das haben die Gutachter nicht aufgenommen.“

Diese Vorschläge machen die Betriebsräte

Im Gespräch wird deutlich, dass die Vertreter der BR-KVOB einen weiteren Blick haben als andere Interessensvertreter und das sowohl räumlich als auch zeitlich. Stier spricht sich dafür aus, nicht nur auf den Kreis Ravensburg zu schauen, sondern über die Kreisgrenzen hinaus. Das entspreche auch der Realität der Kreisbewohner.

Die Leute gehen dahin, wo sie die beste Vertrauenskultur haben.

Auch zeitlich schauen die Betriebs- und Personalräte weiter voraus. So plädiert Sing dafür, erst die ambulanten Strukturen aufzubauen und dann Betten im stationären Bereich abzubauen. Er warnt davor, beim Umsteuern von stationär auf ambulant zu schnell und unüberlegt vorzugehen. „Das ist nicht so einfach. Das muss man langsam machen, sonst gibt es Verwerfungen.“