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Lucha platzt der Kragen nach Interview zur Klinik-Situation: „Brauche keine Nachhilfe!“

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Gesundheitsminister reagiert verärgert auf Interview in der „Schwäbischen Zeitung“
Veröffentlicht:19.05.2022, 19:02

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Zu wenig Geld für die Kliniken im Land, Nachlässigkeit bei der Krankenhausplanung: In einem Interview mit der „ Schwäbischen Zeitung “ hat Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) und zugleich parteiloser Landrat des Alb-Donau-Kreises, deutliche Kritik an Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) geäußert.

Der reagiert erbost. „Die Verlautbarungen von Landrat und BWKG-Vorstandsvorsitzenden Scheffold kommen unmittelbar nach einem vertraulichen und konstruktiven Arbeitsgespräch höchst überraschend und haben mich ziemlich verärgert“, erklärt er am Donnerstag.

Scheffold hatte unter anderem eine Unterfinanzierung der Krankenhäuser beklagt – fast jedes zweite Bett steht in einem kommunalen Krankenhaus. Er hatte das Land aufgefordert, die Plankrankenhäuser „endlich“ voll zu finanzieren. „Das passiert faktisch seit Jahren nicht“, so Scheffold. Zudem habe das Land seit zehn Jahren seine Pauschalförderung, mit der die Kliniken kleinere Anschaffungen tätigen, nicht mehr aufgestockt.

Scheffold hatte es außerdem als „unwürdig“ bezeichnet, dass Klinikchefs während der Pandemie „permanent um Rettungsschirme“ hätten „betteln“ müssen, weil sie Betten für Corona-Patienten freihalten mussten und daher kein Geld mit planbaren Operationen verdienen konnten.

Vorwurf „aus der Luft gegriffen“

Der Vorwurf sei „völlig aus der Luft gegriffen“ und stehe im krassen Gegensatz zu den tatsächlichen Finanzströmen des Landes, kontert Lucha. „Ich habe mich in den letzten Jahren und Monaten permanent und auch erfolgreich für die finanzielle Unterstützung der Krankenhäuser durch das Land eingesetzt.

Ich kämpfe seit Jahren für die Anhebung des Landesbasisfallwerts, der für Baden-Württemberg zu niedrig ist.

Sozialminister Manne Lucha

Ich bin sehr verärgert darüber, dass die immensen Geldmittel, die den Krankenhäusern in den letzten beiden Jahren zusätzlich von Landesseite zur Verfügung gestellt wurden, schlichtweg ignoriert werden.“ Als „größte Brocken“ nennt er 240 Millionen Euro zur Kofinanzierung des Krankenhausstrukturfonds, 167 Millionen Euro zur Kofinanzierung des Krankenhauszukunftsfonds sowie Landeshilfen von insgesamt 450 Millionen Euro.

Die medizinische Leistung in Krankenhäusern wird durch Fallpauschalen finanziert. Scheffold hatte dieses System als ungerecht bezeichnet, weil Baden-Württemberg die höchsten Lebenserhaltungs- und Lohnkosten habe. Er hatte für einen Index plädiert, der dieses bundesweite Gefälle einpreist. „Hier würde ich mir wünschen, dass Minister Lucha aktiv wird – nicht nur über eine Bundesratsinitiative“, so Scheffold. Der hält dagegen. „Ich kämpfe seit Jahren für die Anhebung des Landesbasisfallwerts, der für Baden-Württemberg zu niedrig ist“, so Lucha.

Streit um Krankenhausplanung

Im Interview hatte Scheffold die Landesregierung dazu aufgefordert, die Landeskrankenhausplanung wieder aufzunehmen. „Die letzte stammt von 2010.“ Darauf pocht auch die FDP im Landtag. „In Baden-Württemberg brauchen wir endlich einen landesweiten Krankenhausplan, um die Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Dazu gehört auch die Überprüfung des Rettungsdienstes“, erklärt Gesundheitsexperte Jochen Haußmann.

Der Plan werde permanent fortgeschrieben, entgegnet Lucha – unter anderem durch die Arbeit des Landeskrankenhausausschusses, dem die BWKG angehöre. Die vergangenen beiden Jahre seien auch für sein Ministerium „eine noch nie dagewesene Herausforderung“ gewesen, betont Lucha. Nun sei die Krankenhausplanung aber das aktuelle und zentrale Thema der nächsten Jahre. „Das ist der BWKG bekannt“, betont er.

Regionale Strukturgespräche, die Scheffold im Interview forderte, bezeichnet Lucha als „wichtiges Instrumentarium“, die in der Vergangenheit auch vom Ministerium gefördert worden seien. Es sehe sich dabei als Partner, aber

die Bedarfe und die Optimierung der Versorgungsstrukturen muss in jedem Stadt- und Landkreis vor Ort geschehen.

Scheffold hatte indes gefordert, dass sich das Gesundheitsministerium als übergeordneter Vermittler einbringt, damit bei regionalen Strukturgesprächen Landkreisgrenzen überwunden werden. Jeder Landkreis ist für die stationäre Versorgung in seinem Gebiet zuständig.

Problem der Schnittstellen bei der Versorgung

Als problematisch hatte Scheffold die sektorenübergreifende Versorgung bezeichnet – also die Übergänge zwischen den Bereichen Krankenhaus, ambulante Versorgung, Pflege und Reha mit ihren unterschiedlichen Trägerschaften und Finanzierungen. „Hier brauche ich nun wirklich keine Nachhilfe“, wehrt sich Lucha. „Wer sich auskennt weiß, dass wir bei diesem Thema an der Speerspitze stehen.“

Er verweist auf Fördermittel des Landes zum Aufbau von Primärversorgungszentren, die vor allem dort geschaffen werden können, wo Kliniken schließen. Lucha spricht von „vielen Anträgen“ auf solche Zentren, die „Dreh- und Angelpunkt für eine patientenorientierte Versorgung“ sein können.

Solche Zentren hatte Scheffold kritisiert, da hier weder die Finanzierung, noch die Trägerschaft geklärt sei. Auch gebe es bislang keine Vorgaben zur Struktur solcher Zentren. Bevor diese Fragen nicht geklärt seien, bringe auch eine Anschubfinanzierung des Landes wenig, weil dieses Geld schnell verbraucht sei.

Mit dem Interview scheint für Lucha eine Linie überschritten zu sein. „Die bisherige Zusammenarbeit habe ich immer als überwiegend positiv wahrgenommen, umso mehr haben mich nun die Äußerungen von Landrat Scheffold überrascht“, betont er und endet mit einer Aufforderung: „Es liegt nun an der BWKG zu signalisieren, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen.“