Nils Apel zieht sich den Kittel über. Er legt sich das Stethoskop um den Hals, steckt Holzspatel und Fieberthermometer in die Brusttasche, setzt Visier und Schutzhaube auf. Er rüstet sich für die tägliche Visite. Man könnte auch sagen: Er rüstet sich für den täglichen Kampf gegen das deutsche Kliniksystem. Einen Kampf, den er nicht gewinnen kann.

Apel arbeitet als Kinderarzt am Krankenhaus von Demmin, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern. Es ist früh am Morgen, gerade ist er mit seiner Kollegin aus der Nachtschicht die Patienten durchgegangen: ein zweijähriger Junge mit schwerer Mittelohrentzündung. Ein Zehnjähriger mit Verdacht auf Meningitis, die Mutter alleinerziehend, mit drei weiteren Kindern zu Hause. Eine junge Frau auf der Geburtsstation, sie wird wohl an diesem Tag entbinden. Während der Schwangerschaft hat sie stark geraucht, das Kind ist womöglich geschädigt.