Fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten: BSG wird entscheiden

Wie das Bundessozialgericht (BSG) erst kürzlich erneut zum Ausdruck brachte, sind Krankenhäuser mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot dazu verpflichtet, bei der Planung der Behandlung wirtschaftliche Alternativen zu prüfen. Daraus folgt, dass immer nur die Vergütung beansprucht werden kann, die das Krankenhaus bei einem „fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten“ hätte verlangen können (BSG, Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 14/21 R). In der Vergangenheit führte diese Rechtsprechung des BSG dazu, dass es mit dem Argument des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens vielfach zur abrechnungs­technischen Zusammenfassung von Behandlungsfällen kam. Dieser Praxis hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2019 den Boden entzogen, indem er in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG folgende Regelung aufnahm: In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.

Höchstrichterlich bislang ungeklärt ist die Frage, ob § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG auch in den Fällen einer fiktiven Beurlaubung die abrechnungstechnische Zusammenfassung zweier stationärer Aufenthalte verbietet. Jüngst hat sich zwar das LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 07.04.2022 mit der Fragestellung beschäftigt (Az. L 5 KR 212/21). Doch die Reise durch die Instanzen geht weiter, denn der 1. Senat des BSG ist aufgerufen, sich mit dem Thema zu befassen.

Der Fall

Im Jahr 2019 war der bei der Beklagten Krankenversicherte im Krankenhaus der Klägerin zweimal vollstationär behandelt worden. Während des 1. Aufenthalts, der am 18.10.2019 endete, wurden ein Rektumkarzinom mit Metastasen und weitere Erkrankungen diagnostiziert. Für den 24.10.2019 wurde die Operation des Patienten geplant, weshalb der Patient am 23.10.2019 erneut im Krankenhaus Klägerin aufgenommen wurde. Am 05.11.2019 wurde der Patient in die hausärztliche Behandlung entlassen. Kurze Zeit später stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG G18C (bestimmte Eingriffe an Dünn-und Dickdarm, ohne hochkomplexen oder sehr komplexen Eingriff, ohne aufwändigen Eingriff oder ohne äußerst schwere CC, ohne komplizierende Diagnose, mit komplexem Eingriff) insgesamt ca. 8500 € in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung nicht und beauftragte den MDK mit der Prüfung. Der Arzt beim MDK bestätigte zwar die vom Krankenhaus angesetzte Fallpauschale, führte jedoch aus, dass es sich beim 2. Aufenthalt um die Fortsetzung der im Rahmen des 1. Aufenthalts noch nicht abgeschlossenen Behandlung gehandelt habe. Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der Krankenhausträgerin geltend, dass eine typische Beurlaubung vorliege und die Fälle daher zusammenzuführen seien. Nachdem die Klägerin Klage beim Sozialgericht Koblenz eingereicht hatte, zahlte die beklagte Krankenkasse einen Großteil des Rechnungsbetrages. Das SG Koblenz verurteilte die Beklagte zur Zahlung des streitig gebliebenen Restbetrages in Höhe von ca. 2000 € (Urteil vom 23.09.2021, Az. S 1 KR 101/21). Die Berufung der Krankenkasse vor dem LSG Rheinland-Pfalz blieb erfolglos.

Die Entscheidung

Das Gericht führte aus, dass das Krankenhaus die Fallpauschalen DRG G60B für den 1. Krankenhausaufenthalt sowie die DRG G18C für den 2. Aufenthalt korrekt abgerechnet habe. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) hätten nicht vorgelegen und die DRG G60B habe wegen entsprechender Kennzeichnung in Spalte 13 nicht mit der DRG G18C zusammengeführt werden dürfen. Ohne Erfolg mache die Beklagte geltend, dass die Klägerin nur Anspruch auf diejenige Vergütung habe, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten, nämlich bei einem einzigen, lediglich durch eine Beurlaubung des Versicherten unterbrochenen Krankenhausaufenthalt, angefallen wäre (§ 1 Abs. 7 Satz 5 FPV). Denn diese Rechtsprechung sei zur Überzeugung des Senats für den Abrechnungszeitraum ab 01.01.2019 durch die neue Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG überholt. Das Ziel der Neuregelung würde unterlaufen, wenn weiterhin unter Rückgriff auf die Beurlaubungsregelung in § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV mehrere selbstständige Krankenhausaufenthalte auch dann zu einem Abrechnungsfall zusammengefasst werden dürften, wenn dies – wie im vorliegenden Fall – weder vertraglich noch gesetzlich bestimmt sei.

Fazit

Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Revision zum Bundessozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und die Kostenträger haben hiervon erwartungsgemäß Gebrauch gemacht. Es ist also damit zu rechnen, dass sich das Bundessozialgericht (Az. B 1 KR 10/22) in absehbarer Zeit zu der aufgeworfenen Fragestellung positioniert und Klarheit schafft.

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