S 6 KR 52/22 KH ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KR 52/22 KH ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 800.000,-- Euro festgesetzt.

  

Gründe:

 I.

Die Antragstellerin begehrt im Eilverfahren die Ausstellung von (vorläufigen) Bescheinigungen über die Einhaltung der Strukturmerkmale für die Strukturprüfung des OPS 8-98f.

Die Antragstellerin ist Trägerin des Krankenhauses E.. Am 10.08.2021 beantragte sie die Durchführung von Strukturprüfungen nach § 275d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zum OPS 8-98f (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur]) für die Intensivstationen 1b und 2c des Krankenhauses E.

In Strukturgutachten jeweils vom 21.01.2022 gelangte die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, einzelne Strukturmerkmale würden nicht eingehalten und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.02.2022 für die Station 1b sowie mit weiterem Bescheid vom 01.02.2022 für die Station 2c ab. Zur Begründung führte sie aus, die Prüfung habe ergeben, dass von der Richtlinie des Medizinischen Dienstes Bund nach
§ 283 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V (Regelmäßige Begutachtungen zur Einhaltung von Strukturmerkmalen von OPS-Kodes nach § 275d SGB V [StrOPS-RL]) vorgegebene Strukturmerkmale für das Krankenhaus E. nicht eingehalten würden. So sehe die StrOPS-RL eine 24-stündige Verfügbarkeit am Standort des Krankenhauses u.a. für kontinuierliche und intermittierende Nierenersatzverfahren vor. Diese sei indessen im vorliegenden Fall für intermittierende Nierenersatzverfahren nicht gegeben. Zwar bestehe eine Kooperation des Krankenhauses der Antragstellerin mit dem Nierenzentrum E.. Ausweislich des am 01.07.2012 abgeschlossenen Kooperationsvertrages indessen sei die Kooperation lediglich auf die Einrichtung des kontinuierlichen Nierenersatzverfahrens ausgerichtet. Überdies sei nach der StrOPS-RL Voraussetzung, dass mindestens 6 von den 8 folgenden Fachgebieten innerhalb von maximal 30 Minuten am Standort des Krankenhauses als klinische Konsiliardienste (krankenhauszugehörig oder aus benachbarten Krankenhäusern) verfügbar seien: Kardiologie, Gastroenterologie, Neurologie, Anästhesiologie, Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie. Diese Erreichbarkeit sei nicht gewährleistet, wenn zwei Fachgebiete durch eine Person in Personalunion wahrgenommen würden. Aus den von der Antragstellerin eingereichten Dienstplänen indessen gehe hervor, dass an zahlreichen Tagen in der Zeit von Januar bis März 2021 ein Rufdienst in Personalunion für die Fachgebiete „Gefäßchirurgie“ und „Viszeralchirurgie“ bestanden habe. Darüber hinaus existierten für die Fachgebiete „Neurologie“ und „Neurochirurgie“ 24-stündige telemedizinische Konsultationsmöglichkeiten mit der Klinik für Neurologie bzw. mit der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums B.. Insoweit seien jedoch weder Kooperationsvereinbarungen, noch Dienstpläne oder Qualifikationsnachweise vorgelegt worden. Die Antragsgegnerin habe sich deshalb lediglich davon überzeugen können, dass 4 Fachgebiete innerhalb von maximal 30 Minuten am Standort des Krankenhauses als klinische Konsiliardienste verfügbar seien.

Die Antragstellerin legte Widersprüche gegen beide Bescheide ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde.

Am 08.03.2022 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt und Eilrechtsschutz begehrt.

Die Antragstellerin führt aus, bei negativer Strukturprüfung dürfe sie nach § 8 Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG) Entgelte für die Leistungen des zugrundeliegenden OPS-Codes nicht berechnen. Auch wäre es ihr nicht möglich, die personelle sowie sachliche Infrastruktur zur Leistungserbringung der zugrundeliegenden wesentlichen medizinischen Leistungen aufrechtzuerhalten. Denn es bestehe die Gefahr, die bestehenden Arbeitsverhältnisse im betroffenen Leistungsbereich mangels Vergütung der im zugrundeliegenden OPS-Code benannten Leistungen nicht weiterführen zu können, wenn die Vergütung der Leistungen nicht mindestens vorläufig sichergestellt sei. Überdies bestehe die Gefahr, dass Personal abwandere, weil es in ihrem Krankenhaus seine eigentliche Leistung nicht mehr erbringen kann. Schließlich würden sämtliche von der StrOPS-RL vorgegebenen Strukturmerkmale eingehalten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine vorläufige Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-98f (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur]) für die Station 1b am Standort Krankenhaus Düren gGmbH auszustellen,

sowie,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine vorläufige Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-98f (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur]) für die Station 2c am Standort Krankenhaus E. gGmbH auszustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest und führt ergänzend aus, es fehle bereits an einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für die Eilanträge. Denn auf Grund der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin dürfe diese Leistungen nach dem hier in Rede stehenden OPS 8-98f weiter vereinbaren und abrechnen. Ausgeschlossen sei dies erst nach Rechtskraft der Entscheidung, die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist.

Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die Eilanträge sind zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Denn sie darf ohne positive Bescheinigung im Sinne von § 275d Abs. 2 SGB V Leistungen nach dem OPS 8-98f nach Zustellung der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 01.02.2022 nicht mehr vereinbaren und auch nicht mehr abrechnen.

Bereits der Wortlaut der Vorschrift des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V gebietet diese Auslegung. Denn der „Abschluss einer Strukturprüfung“ liegt mit der positiven oder negativen Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 275d Abs. 2 SGB V vor. Dies ergibt sich aus der Bedeutung des Substantivs „Abschluss“, das „Ende“ bzw. „Beendigung“ meint (siehe allgemein Duden, Onlinewörterbuch der Deutsch Sprache, abrufbar unter https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Abschluss). Eine solche Interpretation steht überdies in Einklang mit der allgemeinen Vorschrift des § 8 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), nach der das Verwaltungsverfahren mit Erlass des Verwaltungsaktes endet.

Dem lassen sich die Gesetzesmaterialien nicht mit Erfolg entgegenhalten. Zwar geht die  Begründung zum Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) davon aus, dass der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V „insofern erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung [gilt], die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist“ (BT-Drs. 19/14871, Seite 107).

Diese Auffassung indessen hat im Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden. Zwar kommt der Entstehungsgeschichte für die Ermittlung des objektiven Willens des Gesetzgebers erhebliches Gewicht zu. Es ist indessen nicht ausreichend, dass sich Voraussetzungen oder Rechtsfolgen allein der Gesetzesbegründung entnehmen lassen. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er sich auch im Gesetzestext niedergeschlagen hat (BVerfG, Urteil vom 16.02.1983 – 2 BvE u.a. = juris, Rdnr. 124; BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 4/10 = juris, Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 28.05.2019 – B 1 KR 32/18 R = juris, Rdnr. 29). Die Gesetzesmaterialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (BFH, Urteil vom 24.10.2017 – II R 44/15 = juris, Rdnr. 31; BFH, Urteil vom 30.09.2015 – II R 13/14 = juris, Rdnr. 15; ähnlich BGH, Urteil vom 12.03.2013 – XI ZR 227/12 = juris, Rdnr. 37).

Erst Recht müssen diese Überlegungen Geltung beanspruchen, als es sich um Vorstellungen der Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit handelt, die nicht unbesehen als Auslegungsregeln zu übernehmen sind (allgemein BSG, Urteil vom 17.08.2000 – B 10 LW 12/99 R = juris, Rdnr. 38).

Überdies zeigt die Begründung des Ausschusses für Gesundheit, dass sie auf einer rechtsfehlerhaften Einschätzung der prozessualen Situation der Krankenhäuser beruht (siehe zum Folgenden Knispel, jurisPR-SozR 9/2022 Anm.3). Denn es trifft nicht zu, dass allein aufgrund der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen ein negatives Prüfergebnis das Krankenhaus entsprechende Leistungen weiter vereinbaren und abrechnen darf (so aber die Auffassung des Ausschusses für Gesundheit in der Begründung zu § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V, siehe BT-Drs. 19/14871, Seite 107; ebenso SG Nürnberg, Beschluss vom 10.02.2022 – S 18 KR 981/21 ER = juris, Rdnr. 33). Wie sich aus § 275d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB V ergibt, besteht die mit der aufschiebenden Wirkung verbundene Vollzugshemmung jedoch erst mit Vorliegen einer positiven Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale (Knispel, a.a.O.; ähnlich Heberlein, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 65. Edition, Stand: 01.06.2022,
§ 275d SGB V, Rdnr. 20).  Auch aus diesem Grund kann der Auffassung des Ausschusses nicht gefolgt werden, der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V gelte erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung (Knispel, a.a.O.).

Die systematische Gesetzesauslegung bestätigt diese Interpretation. Eine nähere Betrachtung des SGB V zeigt, dass das Gesetz den Begriff der „Rechtskraft“ bzw. den Begriff „rechtskräftig“ (richtig mit Blick auf die Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung wäre indessen der Begriff der Bestandskraft [§§ 39 ff. SGB X]) an verschiedenen Stellen kennt (etwa in §§ 4a Abs. 7 Satz 7, 106d Abs. 2 Satz 9, 109 Abs. 6 Satz 2, 110a Abs. 3 Satz 9, 160 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Insofern hätte es nahe gelegen, dass – wenn der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der negativen Entscheidung nach § 275d Abs. 2 SGB V gelten soll – dies auch ausdrücklich im Normtext geregelt wird. Darüber hinaus zeigt auch § 8 Abs. 4 Satz 3 KHEntgG, dass es nicht auf die Rechtskraft (bzw. Bestandskraft) der negativen Entscheidung ankommt, sondern lediglich auf den Abschluss der Prüfung durch den MD. Denn jene Vorschrift, die explizit auf § 275d SGB V Bezug nimmt, spricht „von d[er] Prüfung nach
§ 275d SGB V“. Anhaltspunkte, dass es insoweit auf die Rechts- bzw. Bestandskraft der negativen Entscheidung ankommen soll, ergeben sich nicht.

Schließlich bestätigt eine an Sinn und Zweck von § 275d SGB V orientierte Auslegung die hier vertretene Interpretation. Die Vorschrift soll das Krankenhaus nur davor schützen, eine Leistung allein deshalb nicht mehr abrechnen zu können, weil die Strukturprüfung nicht fristgerecht abgeschlossen werden konnte, aber nicht davor, dass die Prüfung zu einem negativen Ergebnis führt (vgl. wiederum Knispel, a.a.O.). Dass nur eine vom Krankenhaus nicht zu vertretene Verzögerung zur weiterbestehenden Berechtigung einer Vereinbarung und Abrechnung von Leistungen führt, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/14871, Seite 106: „Für diesen Fall wird gewährleistet, dass betroffene Krankenhäuser bis zum Abschluss einer Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen können“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist der Antragstellerin auch nicht deshalb zu versagen, weil eine Bescheinigung nach § 275d Abs. 2 SGB V aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 vorliegt und sie deshalb Leistungen nach dem OPS 8-98f weiter erbringen darf. Denn die Strukturprüfung durch die Antragsgegnerin wurde mit Zustellung der negativen Bescheinigung vom 01.02.2022 abgeschlossen im Sinne von
§ 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V, so dass die Antragstellerin ab jenem Datum keine Leistungen nach dem OPS 8-98f mehr vereinbaren oder abrechnen darf.

Die Eilanträge sind jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen vermocht.

Grundlage für einen Anspruch der Antragstellerin ist § 275d Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SGB V. Die materiellen Strukturmerkmale ergeben sich insbesondere aus der Anlage 4 der StrOPS-RL 2021 (abrufbar unter https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Presse-mitteilungen/2021/2021_05_27/21_05_27_GESAMTSTROPS_RL_mit_Anlagen.pdf). Für den hier streitgegenständlichen OPS 8-98f (aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur]) ist danach u.a. eine 24-stündige Verfügbarkeit folgender Verfahren am Standort des Krankenhauses Voraussetzung:

  Apparative Beatmung

Nicht invasives und invasives Monitoring

Kontinuierliche und intermittierende Nierenersatzverfahren

Endoskopie des Gastrointestinaltraktes und des Tracheobronchialsystems

Intrakranielle Druckmessung oder Hybrid-Operationssaal für kardiovaskuläre Eingriffe

Transösophageale Echokardiographie.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass für intermittierende Nierenersatzverfahren eine 24-stündige Verfügbarkeit gewährleistet ist. Zwar existiert ein schriftlicher Kooperationsvertrag zwischen ihr und dem Nierenzentrum E. vom 01.07.2012, der nach § 7 Abs. 2 jenes Vertrages auch weiterhin gilt, da er bislang nicht gekündigt wurde. Gegenstand jenes Vertrages indessen ist ausschließlich das kontinuierliche Nierenersatzverfahren, nicht hingegen das intermittierende Nierenersatzverfahren. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von Präambel und § 4 jenes Vertrages. Danach beabsichtigen die Antragstellerin und das Nierenzentrum E., das kontinuierliche Nierenersatzverfahren mit dem GENIUS® 90 Therapiesystem zu etablieren, wobei das Nierenzentrum E. während des Einsatzes der GENIUS® 90 Therapie-Systeme auf den Intensivstationen eine 24-stündige Bereitschaft gewährleistet, die bei Problemen angefordert werden kann.

Nach Anlage 4 der StrOPS-RL 2021 ist weiter Voraussetzung, dass mindestens 6 von den 8 folgenden Fachgebieten innerhalb von maximal 30 Minuten am Standort des Krankenhauses als klinische Konsiliardienste (krankenhauszugehörig oder aus benachbarten Krankenhäusern) verfügbar sind: Kardiologie, Gastroenterologie, Neurologie, Anästhesiologie, Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie. Das Gericht teilt insoweit die Auslegung der Antragsgegnerin, dass klinische Konsiliardienste für zwei unterschiedliche Fachgebiete in Personalunion der Anforderung einer Verfügbarkeit innerhalb von maximal 30 Minuten nicht gerecht wird. Denn es ist der Fall denkbar, dass gleichzeitig ein Einsatz bei einem gefäßchirurgischen Patienten und bei einem viszeralchirurgischen Patienten besteht.

Die Prüfung durch die Antragsgegnerin hat jedoch ergeben, dass ausweislich der vorgelegten Rufdienstpläne an zahlreichen Tagen im Zeitraum Januar bis März 2021 ein Rufdienst in Personalunion für die Gebiete Gefäßchirurgie und Viszeralchirurgie bestand. Überdies existieren für die Fachgebiete „Neurologie“ und „Neurochirurgie“ 24-stündige telemedizinische Konsultationsmöglichkeiten mit der Klinik für Neurologie bzw. mit der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums B.. Weder im Verwaltungsverfahren, noch im Eilverfahren sind indessen insoweit Kooperationsvereinbarungen, Dienstpläne, oder Qualifikationsnachweise vorgelegt worden. Eine Erfüllung der Anforderungen ist folglich für die Fachgebiete „Neurologie“ und „Neurochirurgie“ nicht glaubhaft gemacht.

Die o.g. Strukturvoraussetzung wird damit lediglich für die Fachgebiete Kardiologie, Gastroenterologie, Anästhesiologie und Unfallchirurgie, mithin für 4 Fachgebiete, erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs.1, 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Antragstellerin hat hier mit Schriftsatz vom 30.05.2022 nachvollziehbar ausgeführt, dass sich, ausgehend von den Zahlen für das Kalenderjahr 2021, ein Gesamtverlust jedenfalls in Höhe der vorgetragenen 800.000,00 Euro ergibt, wenn Leistungen nach dem streitigen OPS 8-98f in 2022 nicht mehr erbracht werden dürfen. Das Gericht hat von der im Eilverfahren an sich gebotenen Reduzierung des Hauptsachestreitwerts (siehe hierzu etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.01.2012 – L 7 KA 91/11 B = juris, Rdnr. 3; Hessisches LSG, Beschluss vom 26.01.2007 – L 4 KA 73/06 ER = juris, Rdnr. 9) keine Gebrauch gemacht, weil die Antragstellerin eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, den vollen Streitwert auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzusetzen (allgemein etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2012 – L 10 P 5/12 B ER = juris, Rdnr. 28).

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