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Auch Oberärzte entziehen OSK-Geschäftsführer das Vertrauen

Ravensburg / Lesedauer: 7 min

Alle Kreistagsfraktionen mit Ausnahme der Grünen nehmen Stellung zur Klinikkrise
Veröffentlicht:05.09.2022, 19:00

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Ein klärendes Gespräch mit allen Beteiligten – davon erhofft sich der Aufsichtsrat der Oberschwabenklinik (OSK) einen Ausweg aus der verfahrenen Situation: Wie mehrfach berichtet, haben 18 von 22 Chefärzten des kommunalen Klinikverbunds in Trägerschaft von Landkreis und Stadt Ravensburg Geschäftsführer Oliver Adolph das Vertrauen entzogen.

Zudem begehrten acht Pflegekräfte auf und schilderten Zustände von Überarbeitung, Überlastung und einer Vielzahl von Kündigungen.

Weitere Beschäftigte sprechen von einem „fürchterlichen Betriebsklima“, das sie Adolph anlasten. Sie halten das für Dienstag kommender Woche anberaumte Friedensgespräch für zwecklos. So auch 21 Oberärzte aus Wangen, die sich jetzt mit den Chefärzten solidarisiert haben.

„Keine Vertrauensbasis für konstruktive Zusammenarbeit“

Der neueste Brief ist an die Chefärztinnen und Chefärzte gerichtet. 21 von 23 teils Leitenden Oberärzten aus dem Westallgäuklinikum Wangen waren daran beteiligt, zwei Kollegen habe man wegen ihres Sommerurlaubs nicht erreichen können.

Auch wir sehen keine Vertrauensbasis für eine konstruktive Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. med. Adolph und außerdem keine Perspektive darauf,

heißt es in dem Schreiben.

Die Oberärzte kritisieren auch die Pressemitteilung von OSK und Landratsamt im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung am 12. August: „Die ,atmosphärischen Störungen’ haben unseres Erachtens entgegen der veröffentlichten Zusammenfassung der Sitzung nichts mit der Pandemie zu tun.“

Danach folgt noch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass es den Ärzten nicht darum gehe, die Medizinstrategie und die notwendigen Strukturveränderungen zu thematisieren. In Ravensburg soll nach SZ-Informationen von den dortigen Oberärzten eine ähnliche Aktion geplant sein.

Ist das Thema nicht zu wichtig, um es dem Personalausschuss des Aufsichtsrats zu überlassen? Die „Schwäbische Zeitung“ hat bei allen sechs Fraktionsvorsitzenden im Kreistag und dem einzigen Kreisrat der Linken nachgefragt, wie sie die aktuelle Lage und die Rolle von Landrat Harald Sievers (CDU) als Aufsichtsratsvorsitzender beurteilen.

Landrats-Stellvertreter schlägt „Sprachregelung“ vor

Die Behördenleitung versucht, die Kommunikation einzufangen. In Vertretung des erkrankten Landrats Sievers schrieb sein Stellvertreter, Erster Landesbeamter Andreas Honikel-Günther, an die Fraktionsvorsitzenden: „Aus meiner Sicht wäre es ratsam darüber nachzudenken, ob Sie sich auf eine gemeinsame Sprachregelung verständigen möchten.“

Dazu schlägt Honikel-Günther gleich konkrete Formulierungen als Antwort auf die Presseanfrage vor: „Wir sind über die wesentlichen Ergebnisse der letzten Aufsichtsratssitzung informiert. Der Aufsichtsratsvorsitzende und der gesamte Aufsichtsrat nehmen sich entsprechend ihrer Zuständigkeit der unternehmenspolitischen Fragestellungen mit der gebotenen Dringlichkeit, Ernsthaftigkeit und Lösungsorientierung an.

Es wurden konkrete Verfahrensschritte/Gespräche vereinbart. Diese gilt es zunächst abzuwarten. Ob, gegebenenfalls wann und gegebenenfalls in welcher Weise sich der Kreistag mit der Thematik befasst, ist derzeit nicht zu entscheiden.“

Einzig Volker Restle ( CDU ) übernahm die Formulierungshilfe aus dem Landratsamt fast wortgleich. Die Grünen wollen erst noch fraktionsintern beraten und ihre Stellungnahme nachliefern.

Spieß: „Kommunikation ist große Schwachstelle“

Oliver Spieß (Freie Wähler) hielt das Thema hingegen schon vor Wochen für so wichtig, dass er noch in den Sommerferien eine Online-Fraktionssitzung abhielt und danach einen Fragenkatalog an den Aufsichtsrat schickte: „Wir erkennen, dass der gesamte Aufsichtsrat sich der Problematik mit voller Kraft stellt und auch konkrete Verfahrensschritte und Gespräche jetzt sehr kurzfristig vereinbart wurden.“

Das wolle seine Fraktion noch abwarten, bevor eventuell im Kreistag darüber beraten werde. Der Personalmangel (und somit die nicht belegbaren Betten in der OSK) lägen über dem Durchschnitt in Baden-Württemberg. Das habe aber nichts mit der beschlossenen Medizinstrategie zu tun.

Die Freien Wähler wollen an der kommunalen Trägerschaft unbedingt festhalten, „hierfür brauchen wir aber auch eine funktionierende Geschäftsführung, weitere Führungskräfte, die hinter dieser und der Umsetzung der Medizinstrategie stehen und einen konstruktiven Aufsichtsrat“, so Spieß.

Die Kommunikation im Unternehmen sei eine große Schwachstelle. „Hierarchische Strukturen sind sicherlich notwendig, aber man muss den Mitarbeitern das Gefühl und die Sicherheit geben, dass sie mitgenommen und auch wertgeschätzt werden.“

Auch müssten Vorschläge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ernstgenommen und zumindest ausdiskutiert werden. Obschon es zu einfach sei, alle Probleme auf den Personalmangel oder auf einzelne Personen zu schieben, versteht Spieß, dass die Mitarbeiter von der Politik eine Verbesserung der Situation verlangen und erwarten.

„Dafür werden wir uns als Fraktion auch einsetzen, vor allem, dass nicht noch Wochen ohne konkrete Ergebnisse und Verbesserungen ins Land ziehen. Dies würde dem Unternehmen auf Dauer schaden.“

Bindig sieht keinen Bedarf für Kreistagsdebatte

Das Krankenhauswesen im Landkreis sei „in ein schweres Unwetter geraten“, meint SPD-Fraktionschef Rudolf Bindig . „Die Probleme lassen sich nicht auf einige Konflikte zwischen Teilen der Belegschaft und dem Geschäftsführer reduzieren“, glaubt er jedoch.

Hauptschuldige an der Misere sind seiner Ansicht nach „die falsche Krankenhausstrukturpolitik von Minister Manfred Lucha“ und die „falschen Strukturentscheidungen des Kreistages im Sommer“.

Damit meint Bindig die Schließung des Standortes Bad Waldsee und die Umstrukturierung in Wangen. Derzeit sieht er noch keinen Bedarf für eine Debatte im Kreistag: „Erörterungen von möglicherweise vorhandenen persönlichen Führungsmängeln und zwischenmenschlichen Spannungen in der Geschäftsführung der OSK bedürfen einer gewissen Vertraulichkeit“, so Bindig.

Der Landrat bemühe sich „rechtschaffen darum, das in den Sturm geratene Schiff OSK wieder manövrierfähig zu machen. Er hat in dem aufgebrauten Sturm eine äußerst schwierige Aufgabe.“

Gallasch: Plaudernde Aufsichtsräte schaden OSK

Ähnlich sieht es auch FDP-Fraktionsvorsitzender Daniel Gallasch: „Der Aufsichtsrat berät zu Recht nichtöffentlich. Die FDP-Fraktion betrachtet es als sehr schädlich für die OSK, dass offensichtlich Mitglieder des Aufsichtsrats Details aus Sitzungen durchgestoßen haben.

Es ist weder für das Krankenhaus noch für seine Mitarbeiter noch seine Patienten förderlich, wenn Fragen der Personalführung in die Öffentlichkeit getragen werden. Die zu beratenden Fragen sind hochkomplex und bedürfen einer intensiven, unaufgeregten Beratung unter Einbeziehung sämtlicher Informationen.

Die OSK habe sich in erster Linie, wie alle anderen Krankenhäuser auch, mit einem gravierenden Personalmangel auseinanderzusetzen und der sich daraus ergebenden Knappheit an betreuten Betten. Daneben sehe sich die Geschäftsführung mit der Aufgabe konfrontiert, den Beschluss des Kreistags zur Schließung von Bad Waldsee und der Neuordnung von Wangen umzusetzen.

„Es ist nun Aufgabe des Aufsichtsrats und seines Vorsitzenden, den Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen der Chefärzte und des Personals nachzugehen und natürlich auch der Kritik an der Art, wie Prof. Dr. Adolph sein Amt als Geschäftsführer ausübt.“

Scharpf nennt Adolph „skrupellos und empathiefrei“

ÖDP-Fraktionsvorsitzender Siegfried Scharpf beklagt einen politisch gewollten Sparkurs im Gesundheitswesen, der dazu führen solle, dass nur noch „todkranke Menschen“ im Krankenhaus behandelt werden und der Rest ambulant. Das setze Adolph bloß um. „Der macht das linientreu, skrupellos und empathiefrei.

Man kann ihm nur vorwerfen, dass er die OSK lenkt wie einen Großkonzern, wo es nur um das Geld geht.“ Der Aufsichtsrat und der Kreistag könnten nichts tun, wenn einer die politischen Vorgaben umsetze. „Dazwischen steht der Landrat und soll alles erträglich gestalten. Er versucht das heldenhaft, wie die Quadratur des Kreises.“

Linke sehen Lage kritisch

Korbinian Sekul, einziger Kreisrat der Linken, bewegen die Zustände an der OSK nach eigenen Worten zutiefst. Die Lage sei äußerst kritisch. „Nicht nur der, meiner Meinung nach, nachvollziehbar zu kritisierende Führungsstil des Geschäftsführers Prof. Dr. Oliver Adolph verschlechtert die grundsätzliche Qualität, das Image und vor allem das Betriebsklima der OSK, sondern auch die derzeit kaum stemmbare geplante Übernahme von Patienten des Standortes Bad Waldsee an die Elisabethen-Klinik.“

Dieser zu erwartende Engpass an zur Verfügung stehenden Betten lasse sich nicht ohne große Anstrengungen lösen, was es um so wichtiger mache, den Betriebsfrieden innerhalb der OSK wiederherzustellen. „Dies ist meiner Auffassung nach nicht mit einer Weiterbeschäftigung von Herrn Prof. Dr. Adolph möglich.“