Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2022

07. September 2022

Die 97 gesetzlichen Krankenkassen haben im ersten Halbjahr 2022 rund 287 Mio. Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen Ende Juni 9,6 Mrd. Euro bzw. rund 0,4 Monatsausgaben und entsprachen damit dem Zweifachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:
„Die gesetzlichen Krankenkassen werden dieses Jahr in den schwarzen Zahlen bleiben. Grund dafür sind größere Rücklagen und ein zusätzlicher Steuerzuschuss von 14 Mrd. Euro. Der entfällt allerdings im kommenden Jahr. Um die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler vor zu hohen Belastungen zu schützen, hat die Bundesregierung den Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes beschlossen. Mit diesem Gesetz werden wir die GKV-Finanzen für 2023 konsolidieren und die Lasten fair auf alle Schultern verteilen.“

Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 143,5 Mrd. Euro standen Ausgaben in Höhe von 143,8 Mrd. Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,1 Prozent einen Zuwachs von 5,4 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz zum Quartalsende lag mit 1,36 Prozent leicht oberhalb des Ende Oktober 2021 für das Jahr 2022 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,3 Prozent.

Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten

Die Knappschaft erzielte einen Überschuss von 37 Mio. Euro, die Innungskrankenkassen und die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse einen Überschuss von jeweils 32 Mio. Euro. Die Ersatzkassen (-235 Mio. Euro), die Allgemeinen Ortskrankenkassen (-98 Mio. Euro) und Betriebskrankenkassen (-56 Mio. Euro) erzielten hingegen Defizite.

Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 17. Januar 2022 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 7,9 Mrd. Euro verfügte, verzeichnete im ersten Halbjahr 2022 ein Defizit von 2,1 Mrd. Euro. Dieses ist saisonüblich und lässt keinen Rückschluss auf die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf zu. So fließen die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im letzten Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie beispielsweise dem Weihnachtsgeld höher ausfallen.

Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,1 Prozent. Vor dem Hintergrund der aktuell erheblichen wirtschaftlichen Risiken bleibt die Gesamtjahresentwicklung abzuwarten.

Zur Bewältigung der Corona-Pandemie trägt der Bund weiterhin einen Großteil der Ausgaben für pandemiebedingte Zahlungsverfahren, die aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert werden. Hierunter fallen unter anderem Aufwendungen für Corona-Testungen und für Impfungen gegen COVID-19 sowie Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser. Insgesamt wurden rund 16,8 Mrd. Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt und vom Bund refinanziert.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Die Krankenkassen verzeichneten im ersten Halbjahr 2022 einen Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 5,4 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 5,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 11,3 Prozent. Zu berücksichtigen ist, dass die Rate bei den Leistungsausgaben auf einer Corona-bedingt niedrigen Basis aufsetzt und daher mit Blick auf die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf mit Vorsicht zu interpretieren ist. Der sehr deutliche Anstieg der Verwaltungskosten ist weiterhin maßgeblich auf die Bildung von hohen Altersrückstellungen einer einzelnen Krankenkasse im ersten Quartal zurückzuführen und dürfte sich im weiteren Jahresverlauf deutlich abflachen.

Überproportional stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen (16,5 Prozent), bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (15,9 Prozent) sowie im Bereich der Heilmittel (12,5 Prozent). Der Anstieg bei den Schutzimpfungen ist vorrangig auf die Gruppe der Herpes-Zoster-Impfstoffe (Impfungen gegen Gürtelrose) zurückzuführen. Die Kosten für Corona-Impfstoffe fallen nicht darunter; diese werden vom Bund und nicht von den Krankenkassen finanziert. Bei den Heilmitteln wirken neben Vergütungsanpassungen zum Beginn dieses Jahres auch weiterhin die hohen unterjährigen Preisabschlüsse des Vorjahres, die vor allem im ersten Halbjahr zur Dynamik der Ausgaben beitragen. Im Bereich der Rehabilitation und Vorsorge liegt die Entwicklung in den starken Corona-bedingten Einbrüchen des Jahres 2020 und des 1. Quartals 2021 begründet.

Die Ausgaben für Arzneimittel wuchsen mit 6,7 Prozent weiterhin überproportional stark und weisen im Vergleich mit den zwei anderen großen Ausgabenbereichen der GKV (Krankenhaus und Ärzte) weiterhin die höchste Dynamik auf.

Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. Halbjahr um 2,3 Prozent gestiegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gesetzliche Korrekturmaßnahmen derzeit ausgabendämpfend wirken, um ungewollte Doppelfinanzierungen für besondere ärztliche Leistungen nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz zu korrigieren.

Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind um 4,0 Prozent gestiegen. Im Jahr 2020 wurden die Pflegepersonalkosten aus den DRG-Pauschalen ausgegliedert. Diese Ausgaben wuchsen im ersten Halbjahr um 10 Prozent, nachdem die Krankenkassen bereits im Jahr 2021 14 Prozent höhere Ausgaben für Pflegepersonalkosten als noch 2020 verbuchten.

Die Krankengeldausgaben stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,4 Prozent und entwickelten sich damit nach einer schwächeren Dynamik im Jahr 2021 wieder auf hohem Niveau fort. Auch die Aufwendungen für Kinderkrankengeld steigen weiterhin (2,2 Prozent).

Bei der Interpretation der Daten des 1. Halbjahres ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen.

Weitere Entwicklung

Für das Jahr 2022 konnte der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV durch die Zahlung eines ergänzenden Bundeszuschusses von 14 Mrd. Euro weitestgehend stabilisiert werden. Dieser Zuschuss entfällt jedoch im Jahr 2023 vollständig. Mit dem am 27. Juli 2022 im Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, um auch im kommenden Jahr eine stabile und verlässliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen. Die Belastungen werden auf verschiedene Schultern verteilt: Neben höheren Bundesmitteln werden Reserven des Gesundheitsfonds und der Krankenkassen herangezogen sowie Effizienzreserven insbesondere im Arzneimittelbereich gehoben, um den Anstieg der Zusatzbeiträge im kommenden Jahr zu begrenzen.

Der GKV-Schätzerkreis, der Mitte Oktober zusammenkommt, hat die Aufgabe, die Ausgaben und Einnahmen der GKV für das laufende und das kommende Jahr auf Basis dann vorliegender aktuellster Erkenntnisse – auch unter Berücksichtigung des Gesetzentwurfs für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – zu prognostizieren. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse gibt das BMG im Anschluss den durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2023 bekannt.  

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