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»Der Landsberger Landrat droht mit Rache«

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Klinikum Landsberg - Landrat Thomas Eichinger - Vorstand Marco Woedl
Gute Freunde... Landrat Thomas Eichinger (links) und Vorstand Marco Woedl, 2018 bei der Präsentation der ersten Pläne für den Umbau des Klinikums Landsberg. © Lauff

Landsberg – Am 3. August 2022 beriet der Verwaltungsrat des Klinikums über die Entlassung von Vorstand Marco Woedl. Um sie zu verhindern, setzte Landrat Thomas Eichinger (CSU) die anwesenden Mitglieder kurz vor der Abstimmung unter Druck. Wenn die Entscheidung zum Nachteil von Woedl erfolge, werde er sofort anschließend einige ärztliche und weitere Mitarbeiter des Klinikums entlassen; er deutete an, fertig ausgestellte Kündigungen dabei zu haben. Wie im KREISBOTEN berichtet, endete die Abstimmung daraufhin mit 8:7 Stimmen zugunsten von Woedl.

Dies haben dem KREISBOTEN mehrere Mitglieder des hinter verschlossenen Türen tagenden Gremiums offenbart – unabhängig voneinander und inhaltlich übereinstimmend. „Ich hätte nie gedacht, dass in Deutschland ein solcher Vorgang möglich ist“, erklärte eines der Mitglieder später im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ein Landrat, der ein Gremium einschüchtert, indem er mit Rache an den Mitarbeitern droht – das ist unglaublich“. Ein anderes Mitglied schilderte, es könne seine Gefühle in der Sitzung gar nicht richtig wiedergeben. „Wir sollten offenbar Schicksal spielen. Bei der richtigen Entscheidung bleibt alles, wie es ist, bei der falschen rollen Köpfe. Ich habe auf der Rückfahrt vor Wut gezittert.“ Alle Informanten wollen ungenannt bleiben, weil sie Repressalien befürchten.

Zwei Szenarien

Bei der nachträglichen Bewertung des Vorgangs gilt es, zwischen zwei möglichen Szenarien zu unterscheiden. Das eine: Eichinger wollte wirklich Mitarbeiter des Klinikums entlassen; der Rachefeldzug stand tatsächlich unmittelbar bevor. Das andere Szenario: Eichinger, ein Laienschauspieler (regelmäßig auf der Jakobsbühne Schondorf), hat geblufft und dem Verwaltungsrat die Unwahrheit gesagt.

Das größte Interesse, zu wissen, welche Variante zutrifft, haben die Mitarbeiter des Klinikums. Wollte der Landrat denen, die sich kritisch zu Wort gemeldet oder Eingaben mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, wirklich kündigen? Führt der Landrat eine schwarze Liste mit unliebsamen Ärzten, Pflegern und weiteren Angestellten? Wenn ja, wer steht darauf, wer bleibt verschont? Müssen die Betroffenen weiterhin mit ihrer Kündigung rechnen?

Ob betroffen oder nicht: Alle Mit­arbeiter dürfte dieser Vorgang in Mark und Bein erschüttern. Was ist das für ein Klinikum, in dem man wegen Wortmeldungen in dienstlichen Angelegenheiten entlassen werden kann? Soll man künftig noch wagen, eine Eingabe an den Vorstand, den Landrat oder den Verwaltungsrat zu formulieren oder zu unterstützen? Und darf man an einem solchen Ort noch bleiben oder gilt: Rette sich, wer kann?

Kein Kündigungsgrund

Ein nachträglicher Faktencheck zeigt: Tatsächlich hat Eichinger die Möglichkeit, nach Wegfall der Ebene „Woedl“ als nächster Dienstvorgesetzter Kündigungen auszusprechen. Allerdings müsste es dazu Kündigungsgründe geben. In Frage kommen die betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung. Für betriebsbedingte Kündigungen besteht derzeit kein Anlass; das Klinikum sucht Mitarbeiter und will demnächst sogar expandieren. Verhaltensbedingte Kündigungen setzen voraus, dass die Betroffenen gegen Dienstpflichten verstoßen haben; dafür gibt es aber keinen Hinweis, insbesondere keine vorangegangenen Abmahnungen. Übrig bleibt die personenbedingte Kündigung zum Beispiel wegen einer begangenen Straftat; auch da ist aber nichts Relevantes passiert. Was also steht in den Kündigungsbriefen als Kündi­gungsgrund?

Der Verwaltungsrat hat da offenbar weder nachgefragt noch die Plausibilität der Behauptung Eichingers überprüft. Dass die Betroffenen die Kündigungen erfolgreich anfechten konnten, lag auf der Hand. Aber hier geht es nicht nur um die Rechtswidrigkeit einer beabsichtigten Kündigung. Bereits das verwirklichte Verhalten des Landrats ist kritikwürdig. Zwar darf man Arbeitnehmern mit ihrer Kündigung drohen, etwa um einen Auflösungsvertrag zu erwirken. Das geht aber nicht Dritten gegenüber und nicht, um von diesen Dritten ein Wohlverhal­ten zu erreichen.

Wer Mitarbeiter als Hebel instru­mentalisiert, als Verhandlungsmasse behandelt, sie als Werkzeug einsetzt, der zeigt ihnen gegenüber wenig Empathie und gefährdet die Institution Klinikum als Ganzes. Es scheint, als sei dem Landrat das Schicksal des Kranken­hauses weniger wichtig als die Konservierung des Vorstands Woedl im Klinikum-Chefbüro.

Verhältnis umgedreht

Und wenn es doch nur ein großer Bluff war? Das macht die Sache nicht besser. Es kommt gar nicht darauf an, ob die Briefe schon ausformuliert waren oder nicht. Denn die Kern-Nachricht des Landrats ist in beiden Fällen die gleiche: Wer im Klinikum Landsberg kritisiert, der fliegt. Und in beiden Fällen hat Eichinger die Ausübung operativer Befugnisse als Drohung eingesetzt, um das materielle Entscheidungs- und Kontrollrecht des Verwaltungsrats zu unterlaufen. Damit hat er das Verhältnis des Landrats zum Verwal­tungsrat geradezu umgedreht. Im Fall des Bluffs wäre dann zusätzlich noch eine Lüge im Spiel.

Die causa „Eichinger/Woedl“ hat von Anfang an zu Stirnrunzeln geführt. Dass der Vorstand eines Klinikums eine Nebentätig­keit ausübt, ist nichts Ungewöhnliches. Vorträge halten, in einer Fachzeitschrift publizieren, in einem Aufsichtsrat ein Mandat übernehmen. Dass der Landrat dem frisch gebackenen Vorstand aber gestattete, jahrelang parallel ein Unternehmen zu führen, die „Cupertino Consulting GmbH“ in Reichertshausen, geht weit über das Übliche hinaus.

Bis heute bezeichnet sich Woedl gleichrangig als „Vorstand Klinikum Landsberg am Lech & CEO Cupertino Consulting GmbH“. Besonders pikant ist, dass Eichinger die Genehmigung am eigentlich zuständigen Verwaltungsrat vorbei erteilte (der KREISBOTE berichtete). Schon damals wurde Eichinger und Woedl ein besonders enges Verhältnis nachgesagt; es ist offenbar noch besser geworden, denn nun hat Eichinger Woedl geradezu herausgepaukt.

Der Schaden ist beträchtlich. Der Vorfall schadet dem Klinikum, weil es Talente verliert und neue Mitarbeiter schwerer gewinnen kann. Den Mitarbeitern, die in guter Absicht gehandelt haben, nun aber wie Saboteure behandelt werden. Dem Landkreis, zu dessen Verhandlungs- und Führungswerkzeugen noch bis vor einigen Jahren weder Drohungen noch Bluffs gehörten. Dem Vorstand des Klinikums, der sich offenbar nur mit einem Kraftakt des Landrats im Amt halten ließ. Und dem Landrat selbst, über dessen Verankerung im demokratischen Wertesystem nun mancher ins Nachdenken gerät.

Eines ist offenkundig: Das was am 3. August 2022 im Verwaltungsrat des Klinikums Landsberg geschah, ist ein unwürdiger, blamabler Regelverstoß. Er hätte nicht passieren dürfen.

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