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„Katastrophale Zustände”

Gleich sechs Ärzte verlassen Kinderklinik der Uni Rostock

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Die Situation in der Kinderklinik der Unimedizin Rostock spitzt sich zu. Mehrere Ärzte haben gekündigt, die Wissenschaftsministerin gerät unter politischen Druck.
Veröffentlicht:21.09.2022, 06:45

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Gleich sechs Ärzte verlassen nach Informationen der Ostsee-Zeitung die Kindermedizin in Rostock – darunter auch die Klinikchefin Prof. Dr. Astrid Bertsche. Der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte in MV spricht von „katastrophalen Zuständen” in der größten Klinik des Landes. „Die Kindermedizin der Uni Rostock hat allenfalls noch das Niveau eines Kreiskrankenhauses. Das ist nicht mehr hinnehmbar”, sagte Steffen Büchner, Sprecher des Verbandes und Kinderarzt aus Güstrow, der Ostsee-Zeitung.

Vieles erinnert dabei an den August 2021. Im damaligen Landtagswahlkampf prangerten 42 leitende Ärzte in einem Brandbrief an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Wissenschaftsministerin Bettina Martin (beide SPD) die Missstände an den Unikliniken Rostock und Greifswald an und machten sie öffentlich. Millionen von Euros waren offenbar in den Unikliniken über Jahre versickert, die Kinder- und Jugendmedizin in Rostock stand am Rande der Aufrechterhaltung des medizinischen Betriebs.

Geldspritze in Millionenhöhe

Ein Offenbarungseid für die Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat. Mittendrin Bettina Martin und Aufsichtsratschef Mathias Brodkorb. Nur mit Hilfe einer kurzfristigen Geldspritze in mehrfacher Millionenhöhe gelang es der Landesregierung seinerzeit, das Missmanagement an den Unikliniken und die daraus resultierende Beunruhigung in der Bevölkerung sowie bei Patienten und Mitarbeitern im heraufziehenden Landtagswahlkampf einigermaßen unter dem Deckel zu halten. Später opferte Martin ihren Parteifreund Brodkorb und schmiss ihn raus. Mittlerweile beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den Vorfällen an den Kliniken.

Wie notwendig der Untersuchungsausschuss ist, zeigen nun die aktuellen Entwicklungen. Der Weggang der sechs Ärzte ist eine politische Steilvorlage für die Opposition im Schweriner Landtag. „Die für die Unimedizinen zuständige Ministerin Martin muss dringend erklären, warum nach mehr als einem Jahr die Situation an der Kinder- und Jugendklinik in Rostock weiterhin ungelöst und die Versorgungssicherheit der Jüngsten offenkundig dramatisch gefährdet ist”, sagte Katy Hoffmeister, gesundheits- und hochschulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion.

Kritik von CDU und FDP

Die eindrückliche Warnung aus der Ärzteschaft vor einer Nichterfüllung des Versorgungsauftrages müsse nicht nur die Alarmglocken im Ministerium läuten lassen, sondern endlich zu entschiedenem Handeln führen, so die CDU-Politikerin weiter. Bereits vor einem Jahr sei die Zeit der beschwichtigenden Worte vorbei gewesen. Jetzt werde deutlich, dass sich infolge des anhaltenden Desinteresses der Ministerin die Versorgungssituation zusätzlich verschlechtert habe und nunmehr massiv gefährdet sei. Der Obmann der CDU-Fraktion im PUA, Daniel Peters, sprach von einer "Überforderung der Ministerin”.

Ähnlich scharfe politische Geschütze fuhr Barbara Becker-Hornickel von der FDP auf. „Nicht erst seit gestern stehen die Zustände in der Kinderklinik der Rostocker Universitätsmedizin auf Rot. Jetzt ist daraus dunkelrot geworden. Und was macht die zuständige Ministerin Bettina Martin? Sie kümmert sich nicht”, sagte die Liberale.

Stellenbudget nach oben offen

Stimmt nicht, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. „Die Vorwürfe sind haltlos”, teilte ein Sprecher am Dienstagabend auf Nordkurier-Anfrage mit. „Am Zentrum für Kinderheilkunde sind 32 ärztliche Stellen vorhanden, wovon im September 2022 alle besetzt sind. Im Oktober 2021 waren es 24,5 ärztliche Stellen. Das ist im Vergleich zum Herbst 2021 eine deutliche Verbesserung. Ab Mitte Dezember 2022 kehren zudem Ärzte aus Elternzeit beziehungsweise Beschäftigungsverbot schrittweise in den Dienst zurück.” Außerdem sei das Stellenbudget nach oben offen.

Die Landesregierung strebe eine Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin am Standort Rostock an. Man sei inmitten eines breiten und intensiven Diskussions- und Entscheidungsprozesses. Alle Akteure seien aufgefordert, konstruktiv mitzuarbeiten und Lösungen mit zu entwickeln, so der Sprecher von Ministerin Martin.