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Petra Cockrell

Tipps von der Karriereberaterin Wenn der neue Kollege einfach wegbleibt

Petra Cockrell
Ein Gastbeitrag von Petra Cockrell
Annette ist Personalerin in einer Klinik und erlebt immer wieder, dass Bewerber am ersten Arbeitstag nicht erscheinen und sich bei Kontaktaufnahme tot stellen. Wie kann sie das »Job-Ghosting« eindämmen?
Foto: Niels Blaesi / DER SPIEGEL

Anette (55 Jahre), Personalleiterin in einem Krankenhaus, fragt: »Wir suchen laufend Pflegekräfte. Besonders schwer tun wir uns bei Stellen mit Schichtdienst und Wochenendarbeit. Es gibt an sich schon wenige Bewerbungen, deswegen freuen wir uns immer, wenn ein passender Bewerber einen Arbeitsvertrag unterschreibt. Doch dann kommt der erste Arbeitstag und der neue Kollege taucht nicht auf. Anrufe, Mails, SMS – alles läuft unbeantwortet ins Leere. Diese Fälle sind leider keine Ausnahme mehr. Wir sind mittlerweile total ratlos: Was können wir tun?«

Zur Autorin

Petra Cockrell  ist selbstständige Jobprofilerin mit den Schwerpunkten Bewerbung, Karriereentwicklung und Mitarbeitergewinnung. Sie arbeitete viele Jahre in Führungspositionen internationaler Unternehmen.

Liebe Anette,

ich stelle mir gerade die Gefühlsachterbahn vor, die Sie da häufiger erleben. Erst freut man sich über die zusätzliche Kraft, die ja vor allem weniger Überstunden für die bestehenden Mitarbeiter bedeutet. Gemeinsames Durchschnaufen! Dann fangen die Planungen für die Einarbeitung und auch zu übernehmenden Arbeiten an. Und zwischendrin kommt immer wieder die Sorge auf »hoffentlich kommt der Neue auch...« Und dann die schlechte Nachricht: Nein, er kommt nicht – er ist ein »no-show«. Große Enttäuschung, hektisches Umplanen und tröstende Worte für die Quasikollegen, die nun auch noch kurzfristig einspringen müssen und für die bis auf Weiteres keine Entlastung in Sicht ist.

Kurz gesagt: ein emotionaler Dämpfer auf ganzer Linie. Zudem müssen Sie sich noch aufraffen und den ganzen Prozess wieder von vorn beginnen. Langsam aber sicher geht hier viel Vertrauen und Zuversicht verloren.

Schnell kommt man zu der Frage, ob das Problem neu ist – und ob es nur Einzelne betrifft. Offenbar nicht: Laut einer Randstad-Studie von 2019  haben in den USA bereits 66 Prozent der Arbeitgeber leidvolle Erfahrungen mit dem Job-Ghosting durch Mitarbeiter gemacht, Tendenz steigend. Dabei ist die Generation Z überproportional vertreten. Neben weniger finanzieller und sonstiger Verpflichtungen der jungen Kandidaten und Kandidatinnen wird die digitale Kommunikation als wichtiger Grund für das Phänomen genannt: Je anonymer es zugeht, desto weniger Schuldgefühle haben sie, wenn sie eine Stelle nicht antreten. Außerdem verhandelt es sich besser mit einem neuen Vertrag in der Tasche, sprich: Manche wollen eigentlich gar nicht wechseln , sondern ihr aktuelles Gehalt verbessern und/oder ihre Karriere voranbringen – und zwar beim jetzigen Arbeitgeber.

Wer nun die Quote der tatsächlich erscheinenden, neuen Mitarbeiter erhöhen möchte, sollte sich den Einstellungsprozess noch einmal näher anschauen. Es ist eben nicht mehr so, dass mit der Vertragsunterschrift alles in trockenen Tüchern ist und man sich mit dem Neuling erst wieder ab dem Eintrittstermin beschäftigen muss.

Mittlerweile gibt es hier einen weiteren, wichtigen Prozessschritt, das sogenannte Pre-boarding: Weitere Aktivitäten und Kommunikation, die eine Brücke bilden im Zeitraum zwischen dem Zustandekommen des Arbeitsvertrags und dem tatsächlichen Stellenantritt. Dieser kann ja je nach Kündigungsfrist mehrere Monate umfassen.

Hier ein paar Anregungen, was Sie in diesem Rahmen tun können:

  • Stellen Sie eine Ansprechperson (»Paten«) aus der Fachabteilung zur Verfügung, die sich persönlich meldet, Kontakt hält und für Fragen da ist.

  • Laden Sie den neuen Mitarbeiter schon zu Firmenveranstaltungen ein (Sommerfest, Betriebsausflug, Jubiläen, sonstige Feiern von besonderen Ereignissen, Versammlungen/Town Hall Meetings).

  • Senden Sie den Einarbeitungsplan zeitnah zu, den der Vorgesetzte oder der Pate persönlich bespricht, zusammen mit der Klärung der benötigten Arbeitsmittel.

  • Machen Sie ein Foto des Teams mit den Namen der einzelnen Mitglieder.

  • Stellen Sie ein kleines Willkommenspaket zusammen, etwa mit einer Trinkflasche oder einem T-Shirt mit Firmenlogo und persönlichem Namenszug oder dem zukünftigen Namensschild – diese Liste können Sie kreativ weiter ergänzen.

  • Nehmen Sie den neuen Mitarbeiter in den internen Newsletter-Verteiler auf.

  • Unterstützen Sie bei der Wohnungssuche; dabei können Relocation-Firmen als externe Dienstleister helfen.

Es geht hier vor allem darum, der beschriebenen Anonymität entgegenzuwirken. Je persönlicher und regelmäßiger der weitere Kontakt stattfindet, desto mehr stellt sich schon vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn eine Bindung und ein Willkommensgefühl bei dem neuen Mitarbeiter ein.

So verdeutlichen Sie auch, dass Sie als Arbeitgeber nicht beliebig austauschbar sind und sich von Anfang an positiv abheben. Das ist ein beträchtlicher Mehraufwand? Ja, und zwar einer, der sich sicher für alle Beteiligten lohnt. Es wird einfacher, wenn sich sowohl die Personal- als auch die Fachabteilung der Aufgabe gemeinsam annehmen. Sitzen ja schließlich alle im selben Boot!