Marktredwitz
01.01.2023 - 12:05 Uhr
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Wie es zum Rekorddefizit im Klinikum Fichtelgebirge kam

2,4 Millionen Euro hatte der Landkreis Wunsiedel für den Verlust des Klinikums Fichtelgebirge im Jahr 2022 eingeplant. Doch diese Summe hat sich verdreifacht. Wie konnte das passieren?

Das Klinikum Fichtelgebirge betreibt an zwei Standorten Krankenhäuser, in Selb (Bild) ein kleines und in Marktredwitz ein größeres.

Von Alexandra Hautmann

Dass der Landkreis Wunsiedel als Träger des Klinikums jedes Jahr ein Defizit von mehr als 2 Millionen Euro ausgleichen muss, das ist die Regel. Doch 2022 sind es 7,421 Millionen Miese. Wie konnte ein so riesiges Loch in der Finanzierung entstehen?

Es gibt viele kleine Gründe, die sich summieren. Doch im Kern ist das Rekorddefizit eine Folge der Pandemie und des Ukrainekriegs beziehungsweise der Inflation. Das geht aus einer Antwort des Landratsamts Wunsiedel hervor.

Warum kalkulierten die Verantwortlichen mit einem optimistischen, „normalen“ Defizit von 2,4 Millionen Euro – mitten in der Pandemie?

„Die Planung wurde unter der Prämisse erstellt, dass die Corona-Pandemie spätestens ab dem zweiten Halbjahr (2022) deutlich abflachen wird und zu einem Normalbetrieb ohne wesentlichen Pandemieeinschränkungen zurückgekehrt werden kann“, nimmt das Landratsamt Wunsiedel Stellung. Doch das war nicht der Fall – im Gegenteil. Die hohen Corona-Fallzahlen 2022 führten zu sehr vielen kranken Mitarbeitern, damit zu vielen Personalausfällen und wesentlich höherem Hygiene- und Betreuungsaufwand wegen mehr als 1100 infizierter Patienten.

Gab es keine Sonderzahlungen für Coronafälle, die die Folgen im Klinikbetrieb kompensierten?

Doch, die gab es: Ausgleichszahlungen für freie Bettenkapazitäten, einen Versorgungsaufschlag für die Behandlung von Covid-19-Patienten, einen Zuschlag für die persönliche Schutzausrüstung. Aber die Gelder wurden im Laufe der Pandemie immer weiter reduziert. „Mitte April war die Pauschale für die Freihaltung von Betten, Ende Juni auch der Versorgungsaufschlag für Covid-19-Patienten entfallen“, informiert das Landratsamt.

Waren auch viele Klinik-Mitarbeiter im Jahr 2022 krank?

Ja, sehr viele. Die Krankheitsquote aller Beschäftigten belief sich auf 6,3 Prozent. Im Vorpandemiejahr 2019 lag die Quote aller Beschäftigten durchschnittlich bei 3,9 Prozent. Dazu kamen noch Ausfälle von Klinikmitarbeitern wegen Quarantänen als Kontaktperson, zum Beispiel bei erkrankten Kindern oder Familienangehörigen.

Warum drückt die Betreuung von Corona-Patienten so auf die Bilanz?

Vereinfacht ausgedrückt binden infizierte Patienten sehr viele Kapazitäten, das beginnt bei Betten, erstreckt sich über den erhöhten Betreuungsaufwand bis zu hohen Materialkosten, wie zum Beispiel Schutzkleidung.

Ist auch der Umsatz des Klinikums 2022 eingebrochen?

Ja. Gerechnet hatte man mit Umsatzerlösen von insgesamt 91,975 Millionen Euro, voraussichtlich werden 88,02 Millionen Euro erzielt. Das lag auch daran, dass weniger Patienten behandelt oder operiert werden konnten. „Die Isolierung von Covid-19-Patienten bedeutet, dass sie allein im Zimmer liegen. Das heißt, dass das zweite Bett, welches bereits verplant war, nicht zur Verfügung steht. Die Sperrung von Betten bedeutet somit finanzielle Ausfälle, was sich wiederum in rückläufigen Umsatzerlösen widerspiegelt“, erläutert das Landratsamt.

Welche Rolle spielen die hohen Energiepreise für das Defizit?

Im Vorjahresvergleich erhöhen sich die Stromkosten des Klinikums Fichtelgebirge um etwa 39 Prozent und die Aufwendungen für Gas um etwa 88 Prozent. 2022 kostete Energie rund 812.000 Euro mehr als im Jahr 2021.

Was ist außer Energie noch teuer geworden?

Erhöht haben sich auch die Kosten für Personal, externe Dienstleistungen und Materialien. Der Anstieg des Personalaufwands resultiert aus Tariferhöhungen. „Dazu kommt eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl vor allem durch die neuen Abteilungen Akutgeriatrie und Kardiologie“, betont der Landkreis. Beim Materialaufwand stehen Kosten von 17,988 Millionen Euro aus dem Jahr 2021 Kosten von 20,259 Millionen im Jahr 2022 gegenüber. Preissteigerungen von 10 bis 15 Prozent seien die Regel.

Landrat Peter Berek betonte in der jüngsten Kreisausschusssitzung: „Wir kämpfen um unser Klinikum.“ Wie sieht dieser Kampf konkret aus?

„Wir kämpfen insofern um das Klinikum, als wir uns jeden Tag mit der Weiterentwicklung beschäftigen und vor allem Verbesserungen an den Stellen finden, die wir selbst beeinflussen können. Darüber hinaus setzen wir uns politisch für eine finanzierbare Klinikversorgung im ländlichen Raum ein“, teilt die Pressestelle des Landkreises mit.

Was bedeutet der öffentlich gefallene Satz des Landrats „Wir stehen zu unserem Klinikum“ praktisch?

„Wie bereits vorher ausgeführt, stehen wir nicht nur symbolisch hinter dem Klinikum, sondern ganz aktiv, im Wissen um die Notwendigkeit der Aufgabenerledigung, aber auch der Notwendigkeit einer tragbaren Finanzierung“, nimmt Peter Berek Stellung.

Kann der Kreis ein Defizit in beliebiger Höhe tragen oder gibt es hierfür Grenzen?

In beliebiger Höhe nicht, aber es gibt keine mit Zahlen definierte Grenze. „Die Grenze ist die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landkreises“, formuliert das Landratsamt die Antwort auf diese Frage. Es gebe aufgrund des Betrauungsaktes des Landkreises eine Verpflichtung gegenüber der Klinikum Fichtelgebirge gGmbH, für den Fehlbetrag aufzukommen, der im beschlossenen Wirtschaftsplan ausgewiesen ist. Was das für die weitere Zukunft des Klinikums mit seinen zwei Standorten bedeutet, bleibt offen.

Hintergrund:

Klinikum Fichtelgebirge

  • Das Klinikum Fichtelgebirge hat zwei Standorte und wurde in dieser Form im Jahr 2004 mit der Fusion der Zweckverbandskrankenhäuser Klinikum Fichtelgebirge Marktredwitz und Krankenhaus Selb geschaffen.
  • Alleiniger Träger ist der Landkreis Wunsiedel.
  • In Marktredwitz verfügt das Klinikum über 263 Betten, in Selb über 115.
  • Aktuell ist das Haus in der Versorgungsstufe II eingruppiert. Das Haus dient nicht nur der Grundversorgung, sondern übernimmt auch überörtliche Schwerpunktaufgaben.
  • Rund 1000 Mitarbeiter sind in beiden Städten beschäftigt. Zum Klinikum Fichtelgebirge gehört noch ein medizinisches Versorgungszentrum.
  • Pro Jahr werden im Klinikum Fichtelgebirge rund 18.000 Patienten stationär und etwa 27.800 Patienten ambulant behandelt.
 
 

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