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Krankenhaus-Boss aus der Region wehrt sich gegen Lauterbach-Vorwürfe

Ehingen / Lesedauer: 10 min

ADK GmbH-Geschäftsführer Wolfgang Schneider spricht über Geld, Patienten, Neubaupläne und mehr
Veröffentlicht:31.12.2022, 17:00

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Die Situation der Kliniken in Deutschland ist besorgniserregend. 80 Prozent der Kliniken geht es wirtschaftlich schlecht, 74 Prozent der Klinik-Chefs erwarten rote Zahlen im kommenden Jahr.

Die hiesigen ADK-Kliniken brauchen rund sechs Millionen Euro pro Jahr vom Träger Landkreis, um das Defizit ausgleichen zu können. SZ-Redaktionsleiter Tobias Götz hat sich mit Wolfgang Schneider , Geschäftsführer der ADK GmbH für Gesundheit und Soziales, über Fallpauschalen, Patienten, Personal und den geplanten Neubau in Ehingen unterhalten.

Wolfgang Schneider, Geschäftsführer der ADK GmbH.
Wolfgang Schneider, Geschäftsführer der ADK GmbH. (Foto: AdK/Schwäbische.de)

Herr Schneider, fasst man die Aussagen unseres Bundesministers für Gesundheit, Karl Lauterbach , verkürzt zusammen, wirft er den Kliniken Abzocke vor. Was halten Sie von solchen Vorwürfen?

Es geht in dem Vorwurf vermutlich auch darum, dass die Krankenhäuser zu viele oder die falschen Leistungen erbringen. Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich glaube und hoffe, dass jedes Krankenhaus im Interesse der Patienten eine gute Leistung erbringen möchte.

Im Prinzip gibt es in Krankenhäusern wie in alle anderen Unternehmen unter anderem drei wichtige Parameter: Kosten, Preise und die Menge. Das gilt für ein Automobilunternehmen oder den Bäcker um die Ecke vom Grundprinzip her genauso. Diese Unternehmen können in gewissen Grenzen ihre Preise selbst gestalten, sie können die Menge selbst beeinflussen und bedingt auch ihre Kosten.

Bei uns ist es so, dass ein großer Teil unserer Kosten relativ fix ist. Neben den tariflichen Personalkosten sind dies auch die hohen personellen und strukturellen Vorhaltekosten, die wir als Klinik zwangsläufig haben, um im Notfall jederzeit für die Menschen da zu sein.

Und bei den Preisen können Sie nichts justieren, oder?

Genau. Die Preise werden bei uns über den sogenannten Landesbasisfallwert und die Fallpauschalen festgelegt. Theoretisch flexibel ist bei uns nur die Anzahl der Behandlungen, also die Menge.

Und hier lautet ja auch ein Vorwurf aus der Politik, die Krankenhäuser würden operieren, obwohl das medizinisch nicht immer notwendig ist.

Ja, das wird uns vorgeworfen. Diesen Vorwurf muss ich aber rundherum zurückweisen. Unsere Ärzte nehmen keine Behandlungen vor, die medizinisch nicht notwendig sind. Natürlich versuchen wir wie alle anderen Kliniken, die vorhandene Nachfrage nach Behandlungen zu erfüllen. Dies ist dann möglich, wenn das Behandlungsvolumen mit den Kostenträgern, also den Krankenkassen, verhandelt wurde.

Behandeln wir über diesen vereinbarten Rahmen, wird ein Teil der Erlöse wieder gestrichen. Dieses Instrument nennt sich Fixkostendegressionsabschlag. Wo hier also eine Abzocke stattfindet, müssten Sie den Herrn Minister fragen. Übrigens waren auch die Fallpauschalen nicht die Idee der Kliniken. Diese wurden von der Politik eingeführt.

Ist es aus Ihrer Sicht mit den aktuellen Rahmenbedingungen überhaupt möglich, eine schwarze Null als Klinik zu schreiben?

Nein. Wir erleben gerade in allen Bereichen eine enorme Preissteigerung. Der Landesbasisfallwert, also der Betrag, der bei der Berechnung der DRG-Preise für die Krankenhausbehandlung zugrunde gelegt wird und die Grundlage für die Vergütung der Krankenhausleistungen ist, soll im Jahr 2023 um 4,32 Prozent erhöht werden. Allein unsere Personalkosten werden aufgrund von Tarifsteigerungen um einen deutlich höheren Betrag steigen.

Die Forderungen von Verdi für den Bereich des TVöD liegen bei rund zehn Prozent. Der Marburger Bund für die Ärzte fordert einen kumulierten Inflationsausgleich und weitere 2,5 Prozent - in der Summe rund zwölf bis 13 Prozent. Hinzu kommen die Preissteigerungen für Energie, medizinische Produkte und mehr. Der Landesbasisfallwert ist für alle Häuser gleich, dieser wird dann mit dem Schwierigkeitsfaktor einer Behandlung multipliziert. Vereinfacht gesagt ist der Faktor/Schweregrad einer Herz-OP weitaus höher als bei einem Blinddarm.

Was muss passieren, dass die Krankenhäuser wirtschaftlich sinnvoll bestehen können?

Der Landesbasisfallwert müsste so erhöht werden, dass er die notwendigen Kosten der Kliniken deckt. In manchen Fällen müsste sicher auch die Fallschwere neu bewertet werden. Das Problem ist ja, dass sich die Differenz aus dem Landesbasisfallwert und den tatsächlichen Kosten über die Jahre addiert und uns zum Beispiel die geringen Steigerungen in den Jahren 2015 und 2016 immer noch wirtschaftlich stark belasten.

Was fordern Sie also konkret von der Politik?

Die Politik muss sagen, welche stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung an welchem Ort/Region notwendig ist. Vereinfacht gesagt – wo sollen Krankenhäusern stehen und welche Leistungen werden erwartet. Dann müssen diese Krankenhäuser aber auch so finanziert werden, dass man notwendige medizinische und pflegerische Leistungen wirtschaftlich erbringen kann – und dies auch bei nicht zu beeinflussenden Kostensteigerungen.

Was wir gerade erleben, ist eine kalte Strukturbereinigung in der Krankenhauslandschaft. Über die steigenden Kosten und fast stagnierende Preise wird es den Krankenhäusern immer schwerer gemacht, wirtschaftlich zu bestehen. 60 Prozent unserer Kosten sind Personalkosten, 40 Prozent Sachkosten. Wenn die Erlöse um 4,3 Prozent erhöht werden, gleichzeitig die Kosten aber um mindestens zehn Prozent steigen, kann das nicht funktionieren.

Herr Schneider, viele Patienten würden nach einer OP gerne zumindest eine Nacht zur Sicherheit im Krankenhaus bleiben. Oft werden diese aber ein paar Stunden nach der OP nach Hause geschickt. Das ist doch am Wohle des Patienten vorbeigedacht.

Ja. Es gibt leider bestimmte Behandlungen, bei denen der Gesetzgeber keine stationäre Betreuung vorsieht. Klassische Beispiele dafür sind arthroskopische Operationen wie am Knie. Natürlich gibt es bei solchen Eingriffen immer auch Konstellationen, in denen eine stationäre Aufnahme medizinisch notwendig ist. Fehlt diese medizinische Notwendigkeit aber und wir würden den Patienten trotzdem stationär versorgen, dann bekämen wir dies nicht vergütet.

Es gibt aber auch gute Gründe für ambulante Operationen. Die medizinische Entwicklung ist viel weiter als früher. Die Patienten sind oft schneller fit und wollen auch gleich wieder nach Hause. Da verändert sich was und in der Tat können vielen Behandlungen heute öfter ambulant erbracht werden als früher. Diesen Weg möchte die Politik weiter ausbauen und spricht hier von der so genannten Tagesbehandlung, die Personal und Ressourcen sparen soll.

Es wird diskutiert, die Krankenhäuser in Levels einzuordnen. Level eins wäre ein Grundversorger, Level drei dann die Uniklinik. Wie sehen Sie das?

Man kann das schon diskutieren. Die Frage ist aber, worin sich die einzelnen Level genau unterscheiden und was das im Alltag bedeutet. Da muss noch vieles geklärt werden. Gerade auch in dem Punkt, wie Grundversorgung in dieser Systematik definiert wird.

Herr Schneider, Grenzen gibt es bei Ihnen in Sachen Personal. Ist das in manchen Bereichen nur noch eine reine Mangelverwaltung?

So drastisch ist es nicht. Wir haben aber wie alle Krankenhäuser größere Probleme in der Pflege und bei den Funktionsdiensten, offene Stellen zu besetzen. Bei den Ärzten ist die Lage etwas stabiler, aber auch lange nicht optimal. Insgesamt stellen wir aber fest, dass der Markt für Pflegekräfte fast leergefegt ist.

Heißt das, dass Sie in der Theorie mehr Patienten aufnehmen könnten, wenn mehr Pflegekräfte da wären?

Ja. Eine Pflegekraft im Tagdienst ist für zehn Patienten zuständig. Dadurch ist es ist bei uns, wie auch bei anderen Kliniken, immer wieder der Fall, dass wir phasenweise nicht alle Betten belegen können.

Was muss passieren, dass es hier besser wird. Das Corona-Klatschen von den Balkonen für die Pflegekräfte ist doch auch längst verpufft.

Wir müssen uns alle fragen, was uns die Pflegekräfte wert sind. Wir müssen uns aber auch fragen, wie die Prozesse in den Kliniken sind und wie man die interdisziplinäre Zusammenarbeit optimieren kann. Auch dadurch werden die Pflegeberufe attraktiver gestaltet. Und wir brauchen eine echte gesellschaftliche Wertschätzung für diesen Beruf. Diese fehlt mir aktuell oft.

Das heißt, das Alb-Donau-Klinikum leidet unter dem Fachkräftemangel?

Ja – und das in allen Bereichen. Ich kenne aber kein Krankenhaus, bei dem das nicht so ist. Wir haben noch den Vorteil, dass wir in einer sehr attraktiven Gegend wohnen und auch vom Großraum Ulm/Neu-Ulm profitieren können. Aber fehlendes Pflegepersonal ist oft unser limitierender Faktor. Wir bilden selbst viel aus und starten im April auch mit einem weiteren Frühjahrskurs, um noch mehr Pflegekräfte auszubilden, aber wir können in Ehingen nicht alle Probleme lösen, die bundesweit bestehen.

Wie geht es denn dann den kreiseigenen Pflegeheimen?

Die sind wirtschaftlich gut aufgestellt. Hier passt die Kostenstruktur besser, auch weil wir hier höhere Kosten direkt mit den Kostenträgern verhandeln und sie zum großen Teil refinanzieren können. Wir haben aber auch hier ein großes Fachpersonalproblem.

Wir müssen auf viele Zeitarbeitskräfte zurückgreifen. Dafür zahlen wir deutlich mehr Geld. Das alles ist für unser Stammpersonal auch oft schwierig. Gerne würden wir diese Zeitarbeiter fest anstellen – dies wollen diese aber nicht. Manche Mitarbeiter wechseln sogar aus einer Festanstellung in die Zeitarbeit. Das war früher komplett anders.

Komplett anders soll auch bald das Alb-Donau-Klinikum in Ehingen aussehen. Ein rund 300 Millionen Euro teurer Neubau soll so schnell wie möglich entstehen. Wie ist hier der Stand der Dinge, nachdem aus dem Kreistag kürzlich durchweg nur positive Signale gekommen sind?

Es gibt verschiedene Leistungsphasen in der Planung. Die Vorentwurfsplanung ist nun abgeschlossen, jetzt geht es in die so genannte Entwurfsplanung, die dann schon sehr konkret werden wird. Diese wird ab dem Frühjahr in unseren Gremien weiter beraten. Wir haben natürlich einen Zeitplan, über diesen reden wir aber noch nicht öffentlich. Sorgen macht uns die aktuelle Zinsentwicklung und die stark gestiegenen Baupreise. Das muss alles in den Gremien betrachtet werden.

Können Sie erklären, warum dieser Neubau so notwendig ist?

In der jetzigen Struktur unseres Klinikums in Ehingen können wir nicht mehr das abbilden, was uns als Klinik in Zukunft erwarten wird. Wir planen den Neubau extrem kompakt, wodurch auch kurze Wege entstehen. Ein Beispiel möchte ich Ihnen geben: Im Erdgeschoss die Notfallaufnahme und direkt darüber der OP, Intensivstation und Herzkatheterlabor. Diese Bereiche sind über Aufzüge direkt miteinander verbunden. Die ganzen Betriebsabläufe, auch in der Notfallversorgung, werden dadurch schneller.

Auch sind unsere Flächen für die neuen medizinischen Geräte zu eng, unsere OP-Bereiche stammen mehrheitlich aus den 1980er-Jahren. Wir haben jetzt eine völlig andere medizintechnische Ausstattung, die sich auch noch weiterentwickeln wird. Der Neubau ist ohne Frage wichtig. Wir brauchen andere größere Stationen, um einen sinnvollen Personaleinsatz zu planen. Wir dürfen auch die demografische Entwicklung nicht vergessen. Die Menschen werden deutlich älter.

Und leider im Alter oft auch krank. Dafür brauchen wir gute medizinische und pflegerische ambulante und stationäre Leistungen unter einem Dach mit kurzen Wegen und bestmöglicher Orientierung. Zudem können wir in einem Neubau auch ganz andere Angebote für die Mitarbeiter machen. Auch das wird ein wichtiger Faktor zur Mitarbeitergewinnung und –bindung sein.

Herr Schneider, beschäftigt Sie Corona noch?

Ja. Wir erleben immer noch viele Mitarbeiter, die dadurch ausfallen. Wir haben noch immer eine Test- und Maskenpflicht und auch unser Koordinierungsstab tagt weiter regelmäßig. Corona beschäftigt uns aber nicht mehr in dem Maße, wie es einmal war.

Was wünschen Sie sich beruflich für das Jahr 2023?

Eine klare Aussage der Politik, was sie möchte. Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung und Planungssicherheit, wie es im Klinikbereich in Deutschland weitergehen soll.