Sulzbach-Rosenberg
10.01.2023 - 16:41 Uhr
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Kritik an Reformplänen: Sorge um Zukunft des Krankenhauses St. Anna

Kommt eine Insolvenzwelle? Wird das Sulzbach-Rosenberger Krankenhaus betroffen sein? Leidet die Versorgung vor Ort? Die Aufregung über die Reformpläne von Gesundheitsminister Lauterbach ist groß – darum geht es.

Im Sulzbach-Rosenberger Krankenhaus St. Anna herrscht große Besorgnis. Das wurde im Expertengespräch „Zukunft der klinischen Versorgung im ländlichen Raum“ mit dem fachpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe, MdB Stefan Pilsinger, klar. Die Bundestagsabgeordnete Susanne Hierl hatte in den Tagungsraum von St. Anna eingeladen, und neben den Vertretern des Sulzbacher Hauses kamen auch die der Kliniken aus Amberg und Neumarkt sowie eine Reihe von Politikern, um mit Pilsinger die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu erörtern.

„Auf uns rollt eine Krankenhaus-Insolvenzwelle zu“, bilanzierte der Mediziner schon eingangs, schnelles Handeln sei angesagt, aber leider nicht erkennbar. Die Regierungskommission, welche die Reformvorschläge erarbeite, sei viel zu „universitär besetzt“ (14 von 17 Mitgliedern sind Professoren, Anm. d. Red.). Es gelte, praxisorientiert eine flächendeckende Versorgung zu sichern, wohnortnah, eine Basis mit ordentlicher Diagnostik, Notaufnahmen und Spezialisten.

Pleitegefahr angemahnt

Dazu käme noch der Fachkräftemangel. Eine Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen sei gut gemeint, aber nicht die Lösung. Auch Ambergs OB Michael Cerny sah durch den fehlenden Inflationsausgleich große Insolvenzgefahr für viele Häuser: „Der Bund kommt seiner Verpflichtung zur dualen Finanzierung nicht nach, Defizite werden so kommunalisiert.“ Die volle Dramatik der Entwicklung sei noch gar nicht bekannt, die geplante Reformfrist von sieben Jahren viel zu lang – „das muss schneller gehen!“

Pilsinger sah durchaus die Gefahr, dass sich nur mehr wirtschaftlich starke Kommunen ihre Krankenhäuser leisten könnten: „Dann wird es ländliche Regionen ohne gesundheitliche Versorgung geben, was zur politischen Radikalisierung führen kann.“

Es brauche jetzt sofort praktikable Gesetzesvorschläge, wie sie ja bereits seit Vor-Corona-Zeiten in den Schubladen lägen: „Ein weiteres Jahr des Wartens werden viele Krankenhäuser nicht überleben.“ Wichtig sei, darüber waren sich alle mit Landrat Richard Reisinger einig, dass nicht pauschal der GBA (der Gemeinsame Bundesausschuss als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands) über die Reform entscheiden sollte, sondern die Länder – die besser wissen, wie die Situation vor Ort wirklich ist. „Bayern muss seine Entscheidungskompetenz nutzen“, sagte Stefan Pilsinger.

„Wo bleibt der Aufschrei?“

„Die Kostensteigerungen können viele Häuser buchstäblich zerlegen“, warnte Ambergs Klinik-Chef Manfred Wendl. Statt wieder nur wirtschaftlichen Druck zu erzeugen, brauche es nun echte Reformen. „Was passiert, wenn Sie in Berlin ein Haus mit 600 Betten zumachen? Der Patient fährt einfach ein paar Stationen weiter. Nehmen Sie aber beispielsweise eine Klinik wie Neumarkt weg, gibt es zwischen Regensburg und Nürnberg gar nichts mehr.“ Roland Ganzmann, Vorstand des Sulzbach-Rosenberger und des Auerbacher Krankenhauses, sah sogar die Gefahr einer Aushöhlung der Krankenhausstruktur: „Werden diese Pläne eins zu eins umgesetzt, bleiben in Bayern von 400 Häusern nur mehr 100 übrig.“ Er sieht die komplette Krankenhausversorgung im Freistaat zusammenbrechen. „Wo bleibt hier der Aufschrei? Sieben Jahre haben wir nicht mehr.“

Stefan Pilsinger wies auch darauf hin, dass immer mehr Patienten in die Krankenhäuser gingen, weil es für sie keinen Facharzt- oder Hausarzttermin gebe. Sicher müsse nicht jeder alles anbieten, aber über diese Reform dürfe nicht nur aus städtischer Sicht entschieden werden, sonst drohe in der Tat eine Katastrophe im ländlichen Bereich.

Qualität in kleinen Häusern besser

„Dass die Qualität in großen Zentren immer besser ist, nehme ich überhaupt nicht so wahr“, berichtete Landtagsabgeordneter Harald Schwartz aus eigener Erfahrung. Für 90 Prozent der Patienten sei die Qualität in kleinen Krankenhäusern besser. Dazu müsse sich auch die Politik klar bekennen, plädierte er für Entscheidungen auf Landesebene.

Zum Schluss ging es ums Pflegepersonal: „Alleine mit inländischen Kräften können wir die benötigten 200 000 Stellen niemals besetzen“, sprach Pilsinger Klartext – er plädierte für schnellere und effektivere Anerkennung ausländischer Qualifikationen von Pflegepersonal und Medizinern.

Eklatanter Personalmangel

Den eklatanten Mangel an Personal im Reinigungsdienst, in der Küche, beim Röntgen, in der Verwaltung, an allen Ecken, auch wegen der Arbeitsbedingungen, monierte Personalrats-Vorsitzender Stefan Christau von St. Anna. Sein Kollege Reinhard Birner aus St. Marien brachte die „unglücklichst verlaufenen Boni-Zahlungen“ ins Spiel, die massiven Ärger verursacht hätten. „Mit Lohnerhöhungen alleine ist es nicht getan“, appellierten beide. „Pflege darf nicht arm machen“, auch diese Aufgabe nahm Stefan Pilsinger noch mit nach Berlin, wo er die Erkenntnisse aus der Stimmung vor Ort mit einbringen will.

Hintergrund:

Krankenhausreform – Was ist geplant?

  • Pläne: Gesundheitsminister Lauterbach will die Krankenhauslandschaft grundsätzlich reformieren. Bis zum Sommer soll ein konkreter Gesetzentwurf fertig sein. Derzeit ist noch nichts fest beschlossen.
  • Finanzierung: Behandlungen werden derzeit über Fallpauschalen abgerechnet. Die sollen künftig reduziert oder (für kleine Häuser) komplett abgeschafft werden.
  • Spezialisierung: Krankenhäuser sollen in Versorgungsstufen eingeteilt werden. Stufe 1: Kleine Häuser sichern auf lokaler Ebene in enger Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten die Grundversorgung. Stufe 2: Größere Häuser sollen die regionale Standard- und Schwerpunktversorgung übernehmen. Stufe 3: Die größten Häuser, wie Unikliniken, übernehmen die Maximalversorgung.
  • Behandlungen: Nur Kliniken, die ausreichend spezialisiert sind, sollen komplexe Operationen vornehmen dürfen. In kleinen Häusern sind dann besondere Eingriffe nicht mehr möglich.
 
 

Kommentare

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Martin Pfeifer

Zunächst ist das ganze wohl nur das bei der CSU übliche "über die anderen herziehen". Auch wenn es ernst ist, so etwas ist kein guter Stil. Der Bürger erwartet nicht, das die in Bayern regierende Partei einfach mit dem Finger auf die im Bund regierenden Parteien zeigt. Der mündige Bürger erwartet, das sich die Oppositionspartei konstruktiv einbringt. Im übrigen: die ungesunde Struktur der Finanzierung der Krankenhäuser gibt es schon lange. Welche Partei hat den nochmal bis Ende 2021 den Bundesgesundheitsminister gestellt? Richtig, die CDU, der große Partner der CSU!

Auch und gerade weil die aktuellen Probleme im Gesundheitswesen so ernst sind, taugen diese Probleme nicht für Schaumschlägerei und finger-pointing. Mehr hat die CSU hier aber nicht gemacht.

14.01.2023
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