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Wirtschaft Insolvenzwelle befürchtet

Verband sieht jede dritte Klinik wegen Lauterbachs Reform vor dem Aus

Reporter Wirtschaft & Innovation
Vor allem ländliche Regionen sind von Klinikschließungen besonders bedroht Vor allem ländliche Regionen sind von Klinikschließungen besonders bedroht
Vor allem ländliche Regionen sind von Klinikschließungen besonders bedroht
Quelle: pa/dpa/Marcus Brandt
Betreiber sehen auf deutsche Krankenhäuser eine Insolvenzwelle zurollen. Dafür machen sie die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verantwortlich. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte könnte es ernst werden. Und zwei Bundesländer sind besonders betroffen.

Die Reform der Krankenhausfinanzierung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie die hohe Inflation werden zur Gefahr für viele deutsche Krankenhäuser. Eine „unveränderte Umsetzung der Empfehlung der Regierungskommission“ werde dazu führen, dass „bis zu ein Drittel der Krankenhäuser, vor allem kleinere Krankenhäuser, geschlossen“ oder für ihr Überleben auf ein höheres Krankenniveau gehoben werden müssten – wobei die Schließung die „wahrscheinlichste Option“ sei, sagt Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK), zu WELT AM SONNTAG. Insgesamt gibt es deutschlandweit knapp 1900 Krankenhäuser.

Im Dezember hatte der Bundesgesundheitsminister seinen Reformvorschlag präsentiert und ihn dann vor wenigen Tagen aktualisiert. Die Ideen seiner Expertenkommission sollen innerhalb von fünf Jahren umgesetzt werden. Doch selbst wenn die Reform die Finanzierung der Krankenhäuser verbessern würde, käme sie laut Kritikern deutlich zu spät.

Folgen hätten die Klinikschließungen laut BDPK vor allem für die Bevölkerung in ländlichen Regionen Deutschlands, wo es an Versorgungsalternativen im ambulanten und stationären Bereich fehle. Verbandschef Bublitz wirft der Regierungskommission eine zentralistische und schematische Herangehensweise mit der „Rasenmähermethode“ vor, die den Versorgungsbedarf in den betroffenen Regionen nicht berücksichtige.

Von den Klinikbetreibern selbst kommen noch deutlich schlimmere Warnungen: „Wenn die Krankenhausreform so umgesetzt wird, wie die von Lauterbach eingesetzte Expertenkommission das vorschlägt, werden bis zu tausend Kliniken in Deutschland durch Insolvenz bedroht“, rechnet Kai Hankeln, Vorstandschef der privaten Klinikkette Asklepios, vor.

Besonders hart dürfte es vor allem zwei Bundesländer treffen: Bayern und Nordrhein-Westfalen. Denn dort befänden sich besonders viele der kleineren Krankenhäuser, die durch das von der Expertenkommission des Gesundheitsministers vorgeschlagene Finanzierungsmodell Probleme bekommen könnten. „Die einzige Rettung für diese Krankenhäuser wäre, dass die Kommunen sie einmal mehr finanziell auffangen“, glaubt Hankeln.

Opposition kritisiert Reform

Kritik an Lauterbachs Reformvorhaben kommt auch aus der Opposition. Ates Gürpinar, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken, bezeichnet die Vorschläge der Regierungskommission als „Booster für Krankenhausschließungen“. Entgegen den Behauptungen von Lauterbach werde der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser weiterhin hoch bleiben. „Ich verstehe die Vorschläge so, dass Bettenabbau und Krankenhausschließungen forciert werden sollen“, sagt Gürpinar weiter.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wiederum fordert von der Ampel-Regierung, „der systematischen Unterfinanzierung der Krankenhäuser ein Ende“ zu setzen. Dies könne jedoch nicht durch eine reine Umverteilung der bisherigen Mittel gelingen, wie es das Konzept der Regierungskommission zur Krankenhausreform vorsehe, sagte er. „Es ist klar, dass der Krankenhausbereich mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden muss.“

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) widerspricht dieser Darstellung. Demnach gebe es „keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Umsetzung des Vorschlags der Regierungskommission Krankenhaus zu einer Verschärfung der Finanzprobleme der Krankenhäuser der Stufe 1i und 1n führen würde“, heißt es aus dem Ministerium. Vielmehr würde es ohne Reformmaßnahmen zu einer „Vielzahl ungesteuerter Insolvenzen und Schließungen“ kommen. Mit der Reform würden diese Kliniken wieder eine Perspektive bekommen.

Allerdings warnt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vor einer Pleitewelle schon in der zweiten Jahreshälfte 2023. „Wir laufen Gefahr, dass zehn bis 20 Prozent der Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen“, heißt es von der DKG. Laut DKG würden Inflation und gesunkene Fallzahlen zu einem strukturellen Defizit von 15 Milliarden Euro bis Jahresende führen.

„Jedes Jahr sterben unnötigerweise 2200 Frauen“

Nach 20 Jahren soll die Krankenhausfinanzierung grundlegend geändert werden. Florian Lanz, Sprecher der gesetzlichen Krankenkassen, sieht bei der Finanzierung die Länder in der Pflicht: So hätte „allein Bayern im letzten Jahr 600 Millionen Euro weniger gezahlt als sie müssten“.

Quelle: WELT | Fanny Fee Werther und Thomas Klug

Wenn die Politik nicht kurzfristig politisch gegensteuere, drohe insbesondere in der zweiten Jahreshälfte eine Insolvenzwelle. Und auch der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser (IVKK) rechnet allein für 2023 mit bis zu hundert Krankenhausinsolvenzen. In den kommenden fünf Jahren erwartet der IVKK eine insgesamt dreistellige Anzahl an Klinikschließungen.

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