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Der Streit um Leiharbeit in der Pflege beschäftigt die Politik.

© Montage: Tagesspiegel | imago images, mauritius images

Zeit- und Leiharbeit in der Pflege: Berliner Charité will gegen Leasingfirmen vorgehen

Viele Pflegekräfte wechseln zu Leih- und Zeitarbeitsfirmen. Die Kliniken fordern eine Bundesratsinitiative, um das Leasing zu regulieren – oder zu verbieten.

Auf die Bundespolitik kommt nach der Berlin-Wahl im Februar ein Streit aus der Pflege zu. In Krankenhäusern und Seniorenheimen – nicht nur, aber gerade in Berlin – wird erneut über die Leih- und Zeitarbeit in der Pflege debattiert. Abzusehen ist, dass der neue Senat darüber mit den Klinikleitern sprechen wird.

Die Vorstände vieler Kliniken wünschen sich eine Berliner Bundesratsinitiative für einen Leasing-Stopp in der Pflege. So plädiert Charité-Personalchefin Carla Eysel dafür, Leih- und Zeitarbeit in den Kliniken mindestens zu regulieren, wenn nicht gar zu verbieten.

Auch die Geschäftsführung der ebenfalls landeseigenen Vivantes-Krankenhäuser forderte wiederholt ein Verbot: Man gebe jedes Jahr einen hohen einstelligen Millionenbetrag aus, sagte Vivantes-Chef Johannes Danckert, der de facto nur als Vermittlungsgebühr an die Leih- und Zeitarbeitsfirmen fließe. Je nach Klinik und Heim sind bis zu zehn Prozent der Pflegekräfte bei einer Zeit- und Leiharbeitsfirma beschäftigt. Teils waren diese Leasingkräfte zuvor direkt im jeweiligen Haus angestellt. Doch Zeit- und Leiharbeitsfirmen bieten höhere Löhne und oft bessere Schichten. Der Bedarf an Pflegekräften ist so groß, dass Kliniken und Heime sie zu fast allen Konditionen von externen Firmen dazubuchen.

Die Pflegekräfte kommen von sich aus auf unsere Firmen zu.

Andrea Resigkeit vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen

In einer Analyse, die dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt Charité-Vorstandsmitglied Eysel: Krankenhäusern würden „zunehmend Stammkräfte in der Pflege entzogen“, indem Verleihbetriebe übertarifliche Entgelte und Wunsch-Schichten anböten. Weil es sich um einen Mangelberuf handle, steige der Druck auf die Pflege-Stammangestellten, wenn sich frühere Kollegen nur noch von Zeit zu Zeit dazubuchen ließen. Der Alltag auf den Stationen werde durch Leih- und Zeitarbeit also nicht erleichtert, sondern erschwert.

SPD und Grüne gegen Pflege-Leasing

„Die Änderung der Rahmenbedingungen für Leiharbeit ist als Stellhebel besonders geeignet“, schreibt Eysel, „um kurz und mittelfristig die Arbeitsbedingungen so signifikant zu verbessern, dass der Beruf wieder attraktiv wird und Menschen in der Pflege verbleiben.“

Berlins Krankenhausgesellschaft unterstützte 2019 die frühere Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), die das Leasing in der Pflege kurz vor der Coronakrise über eine Bundesratsinitiative stoppen lassen wollte. Zumindest für strenges Regulieren der Leih- und Zeitarbeit plädiert auch Kalaycis Amtsnachfolgerin Ulrike Gote (Grüne).

Die CDU ist gegen ein Leasingverbot, viele Christdemokraten halten das für rechtlich bedenklich. Die Ursache, den fehlenden Nachwuchs an Fachkräften, bekämpfe man mit einem Verbot nicht.

Zuletzt war in der Pandemie über Zeit- und Leiharbeit diskutiert worden. Pflegekräfte aus den Leasingfirmen hatten den Vorwurf von Berliner Klinikleitern zurückgewiesen, Einsätze auf Covid-19-Stationen zu meiden.

„Die Pflegekräfte kommen meist von sich aus auf unsere Firmen zu. Es muss um mehr Wertschätzung der Beschäftigten in der ganzen Branche gehen“, sagte die Vize-Hauptgeschäftsführerin des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen, Andrea Resigkeit. „Zeitarbeit ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom, weil viele Leasingfirmen andere Arbeitsbedingungen als Krankenhäuser und Pflegeheime bieten. Sollten wir nicht dafür sorgen, möglichst viele Menschen in der Pflege insgesamt zu halten – statt sie mit Verboten zu verprellen?“

Nicht nur schlechtere, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen können den Gleichstellungsgrundsatz verletzen.

Charité-Personalchefin Carla Eysel zum Pflege-Leasing

Charité-Personalchefin Eysel geht davon aus, dass Leih- und Zeitarbeit auch ohne Verbot wirksam reguliert werden könne. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz schreibt vor, dass in Verleiherfirmen keine schlechteren Bedingungen als in den Einsatzbetrieben gelten dürfen. Mit Bezug auf diesen Gleichstellungsgrundsatz schreibt Eysel, dass das Gesetz ergänzt werden könnte: Leasingkräften dürften dann auch keine besseren Konditionen angeboten werden, als sie am Einsatzort üblicherweise gelten, weil „nicht nur schlechtere, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen den Gleichstellungsgrundsatz verletzen“.

Hintergrund der Debatte sind neben der Fluktuation auf den Stationen auch die Kosten. Die Mittel für das Klinikpersonal zahlen laut Gesetz die Krankenkassen, wobei die Höhe der Tariflöhne maßgeblich ist. Gehälter, die über diesen Entgelten liegen, erstatten die Kassen nicht.

Pflegekräfte verdienen je nach Erfahrung und Zusatzqualifikationen unterschiedlich. Meist orientieren sich Krankenhäuser am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Als mittleres Vollzeitgehalt gelten dann 3500 Euro brutto, in der Intensivpflege fast 3800 Euro. Mit Zuschlägen für Nacht- und Wochenenddienste liegen Löhne auch in den Stammbelegschaften oft höher.

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