Erfurt. 90 Polizisten sowie IT-Spezialisten durchsuchten an mehreren Orten medizinische Einrichtungen. Der Vorwurf: mutmaßlicher Abrechnungsbetrug.

Gegen 7.30 Uhr klingelten Freitagmorgen rund 90 Einsatzkräfte des Landeskriminalamtes (LKA) in Thüringen an Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) des Thüringer Unternehmens Dr. med. Kielstein. In Einrichtungen in Erfurt, Rudolstadt, Jena, Kahla und Suhl suchten die Ermittler Beweise, die den Vorwurf der des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen belegen sollen. Unterstützung leisteten eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei und zehn IT-Spezialisten aus den Kriminalpolizeiinspektionen. In den Fokus der Durchsuchung sollen auch private Wohnräume und Büroräume geraten sein. Die Maßnahmen dauerten den ganzen Tag an, so LKA und die zuständigen Staatsanwaltschaft in Meiningen übereinstimmend. Details wurden unter Verweis auf laufende Ermittlungen nicht genannt.

„Wir können bestätigen, dass am heutigen Tag Durchsuchungen bei einigen Einrichtungen der Dr. med. Kielstein Ambulante Medizinische Versorgung GmbH durch Ermittlungsbehörden stattgefunden haben“, teilte das betroffene Unternehmen am Freitagnachmittag mit. Danach würden sich die Untersuchungen gegen zwei Mitarbeiter der Verwaltung, nicht aber gegen das Unternehmen richten, erklärte Sprecher Ingolf Gottstein.

Praxisbetrieb wurde nicht beeinflusst

„Wir haben geklärt, um was es in welchem Zeitraum geht. Die Sachen liegen bis zu fünf Jahre zurück und es drohte wohl die Verjährungsfrist. Was ausschließt, dass es sich um Abrechnungsbetrug innerhalb der Corona-Pandemie handelt. Es betrifft namentlich zwei Mitarbeitende aus der Verwaltung unseres Unternehmens, keine Ärzte. Nun müssen wir sehen, was da dran ist. Die polizeilichen Aktionen haben glücklicherweise den Praxisbetrieb nicht beeinflusst. Wichtig für uns: es ging beim konkreten Tatvorwurf nicht gegen das Unternehmen selbst. Wir kennen aber den konkreten Vorwurf nicht.“ so Gottstein.

Sobald man Informationen habe, werde auch wir intern wegen eines möglichen Fehlverhaltens ermitteln. Persönliche Bereicherung? Keine Ahnung. Das Ermittlungsverfahren werde sich womöglich lange hinziehen und dem Image des Unternehmens schaden. Der Praxisbetrieb laufe im vollen Umfang weiter. Auch laut Staatsanwaltschaft sei versucht worden, ärztliche Behandlungen und Sprechstunden so wenig wie möglich durch die polizeilichen Maßnahmen zu behindern.

Alle Bürger können den Ermittlungsbehörden Hinweise geben

Überrascht reagierte die Kassenärztliche Vereinigung (KVT). Die Nachricht habe man aus den Medien erfahren, sagte Sprecher Matthias Streit. Laut einer Vereinbarung zwischen KVT und Kassen kann bei falschen Abrechnungen Strafanzeige gestellt werden. „Die KVT hat dieses Verfahren aber nicht veranlasst. Prinzipiell können alle Bürger den Ermittlungsbehörden Hinweise geben“, sagte Streit. Gleichlautend äußerten sich auch mehrere Krankenkassen sowie die Landesärztekammer. LÄK-Sprecherin Ulrike Schramm-Häder sagte, bei Verstößen greife gegebenenfalls auch die Berufsordnung für Ärzte. „Wurde gegen das Berufsrecht verstoßen, würden wir gegebenenfalls Konsequenzen prüfen“, sagte sie.

Wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs hatte es erst im Oktober eine Razzia in einer Thüringer Arztpraxis gegeben. Davon betroffen war eine Praxis in Gera, die zu einem auf HNO-Chirurgie spezialisierten Medizinischen Versorgungszentrum mit Sitz in Leipzig gehören soll. Die Ermittlungen dazu und zu weiteren Vorwürfen gegen das MVZ – unter anderem wegen fehlerhaft ausgeführter und medizinisch nicht notwendiger Operationen – dauern noch an. Das MVZ betreibt im Osten ein ganzes Netz von Praxen.

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