Digitalisierung des Gesundheitswesens: Was das kommende Registergesetz regelt

Das Bundesgesundheitsministerium bereitet ein Registergesetz für Gesundheitsdaten vor. Ein Überblick über die Herausforderungen.

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(Bild: Tex vector/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Gesundheitsdaten könnten für Behandlung, Vorsorge, Forschung und politische Planungsprozesse helfen. Allerdings stehen diese Daten in Deutschland mangels Infrastruktur und gesetzlichen Regelungen nicht so zur Verfügung, wie es für eine optimale Versorgung der Patienten notwendig wäre, kritisieren Ärzte und Forschende. Sie verlangen effizientere Strukturen für Gesundheitsdaten.

Serie: Registerdatengesetz

In dieser dreiteiligen Artikelserie stellen wir das geplante Registerdatengesetz und Regelungen für den Umgang mit Forschungsdaten vor:

Derzeit werden in Deutschland wie auch in Europa neue Strukturen und Regelungen für den Umgang von Daten für die medizinische Forschung diskutiert. Forschende beklagen bereits seit längerem, dass übergreifende Forschung mit Gesundheitsdaten kaum möglich sei – auch die notwendige technisch-organisatorische Infrastruktur fehle. Die rechtlichen Grundlagen für medizinische Forschungsprojekte seien zu unsicher und müssten in der Regel auf die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zurückgreifen.

Die Ampelkoalition hat daher im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Registergesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz "zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO" auf den Weg zu bringen und "eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur" aufzubauen. Unter der schwarz-roten Vorgängerregierung wurde bereits im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) das Forschungsdatenzentrum eingeführt. Das Registergesetz soll in der künftigen Gesundheitsdaten-Architektur eine wichtige Stellschraube bilden.

Medizinische Register zählen zu den wichtigsten Werkzeugen für die Überprüfung von Behandlungsverfahren und bei der Erforschung von neuen Therapien. Dort können standardisiert Daten von Patienten, Organspendern, von Ereignissen oder Medizinprodukten gespeichert und analysiert werden. Mit ihnen sollen die Versorgung transparent verbessert oder epidemiologische Verläufe beobachtet und bewertet werden. Sie sollen helfen, bestimmte Forschungsfragen zu beantworten und Risiken zu identifizieren – mittels komplexer Datenauswertungen. Bei Samenspender- oder Stammzellregister sind allerdings keine Daten zur medizinischen Forschung enthalten, sie dienen lediglich zur Nachverfolgung der Beteiligten oder Betroffenen.

Die Daten für ein Gesundheitsregister werden über einen langen Zeitraum vorausschauend erhoben. Das bedeutet, dass Daten ab einem bestimmten Zeitpunkt Daten gesammelt werden, um sie für einen bestimmten Zweck wie etwa die Überprüfung einer Forschungshypothese auszuwerten.

In den vorigen Jahren wurde verstärkt diskutiert, wie Patientinnen und Patienten besser beteiligt und integriert werden können. Dabei geht es auch um die Frage, wie sich Patienten über die Ergebnisse der Forschung mit ihren Daten informieren können und inwieweit sie besser über die Entwicklung von Behandlungs- und Nachsorgemethoden informiert werden. Es geht also auch darum, welche Vorteile die Betroffenen davon haben, wenn sie ihre Daten medizinischen Registern zur Verfügung stellen.

Damit verbunden sind weitere datenschutzrechtliche Fragen, etwa Daten mit Einwilligung, informiert und freiwillig eingeholt oder ob sie mittels Opt Out automatisch erhoben werden. Dazu gehört auch die Frage, ob der Zugriff auf die Patientendaten mit Pseudonymisierungs- oder Anonymisierungsverfahren gesichert wird oder ob die Daten den Forschern personenbezogen zur Verfügung stehen. Wie lange werden die Daten gespeichert und wie werden Widerspruchs- und Löschrechte umgesetzt? Diese Fragen werden oftmals sehr unterschiedlich gehandhabt.

Bisher liegt kein Referentenentwurf des Registergesetzes vor, doch die Vorbereitungsarbeiten sind im Gange. Gegenüber heise online erklärte das Bundesgesundheitsministerium, dass die konzeptionellen Arbeiten am Entwurf des Registergesetzes laufen. Eine "wichtige Grundlage" sei das vom Bundesgesundheitsministerium bereits unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn 2019 in Auftrag gegebene "Gutachten zur Weiterentwicklung medizinischer Register zur Verbesserung der Dateneinspeisung und -anschlussfähigkeit", das im Oktober 2021 veröffentlicht wurde. Das Registergesetz ist also ein Vorhaben, das schon länger in der Pipeline des Bundesgesundheitsministeriums ist. Ziel sei es, so das Ministerium, "mit dem Registergesetz einen Beitrag zur Verbesserung des Zugangs zu und der Nutzbarkeit vorhandener medizinischen Registerdaten für Forschung und Versorgung zu leisten".

Das Gutachten enthält erstmals eine Übersicht über die in Deutschland bestehenden medizinischen Register: Dabei handelt es sich um 356 medizinisch-wissenschaftliche Register in Deutschland, darunter 21 gesetzliche Register. Es beschreibt, wie sie für Forschungszwecke genutzt werden können – beispielsweise für die medizinische Qualitätssicherung, zur Überwachung der Patientensicherheit sowie für Wirksamkeitsuntersuchungen in Bezug auf Medizinprodukte, Arzneimittel und Versorgungsmodelle.

Im Zentrum steht auch die Frage, welche Faktoren die Nutzung der Daten fördern, und welche Barrieren es gibt. Aus dem Bewertungskatalog wurde im Rahmen des Gutachtens ein Reifegradmodell entwickelt, um die Eignung eines Registers für eine definierte Nutzungsdimension grafisch darzustellen und Weiterentwicklungspotential aufzuzeigen.

Außerdem haben Experten aus der Wissenschaft, der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und der Politik Handlungsempfehlungen entwickelt. Sie enthalten gesetzliche wie auch organisatorische Maßnahmen für den Aufbau einer Register-Infrastruktur. Unter anderem wird vorgeschlagen, eine Zentralstelle für medizinische Register zu schaffen und dazu einen Katalog an Qualitätskriterien zu entwickeln. Die Industrie soll sich am Aufbau beteiligen und diesen mitfinanzieren. Derzeit prüft das Ministerium, inwieweit die Handlungsempfehlungen umgesetzt werden sollen. Ziel ist es, vor allem die Auswertungspotenziale "bestmöglich auszuschöpfen". Dabei geht es auch darum, der deutschen Forschung mit einem verbesserten Datenzugriff im Wettbewerb mit den USA und China eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Damit könne ein besseres Versorgungsniveau einhergehen, letzteres sei aber nicht der Hauptzweck.

Zweck, Aufbau und Datenverwaltung sind in den Registern unterschiedlich geregelt. Bisher gibt es keine Leitlinien, um die Qualität von Registern zu bewerten. Die Beteiligung und Integration der Patienten spielt in der Diskussion zunehmend eine Rolle, ist jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt. Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland, weshalb sie als gefährlich für die Allgemeinbevölkerung gelten. Es gibt klinische Krebsregister und epidemiologische Krebsregister, wobei deren flächendeckende Registerstrukturen auf Bundes- und Landesrecht beruhen.

Klinische Krebsregister dienen der Qualitätssicherung der Versorgung von krebskranken Menschen und sind seit 2020 flächendeckend in Deutschland etabliert, wobei die Länder größtenteils für die Register zuständig sind. Erfasst werden Diagnose, Behandlung, Erkrankungsverlauf, Rezidivfreiheit und Sterblichkeit. Die Daten der klinischen Krebsregister können für Forschungszwecke auf Antrag genutzt werden. Dabei wird zwischen anonymisierten/aggregierten sowie pseudonymisierten/personenbezogenen Daten unterschieden. Für letztere wird in der Regel eine Einwilligung der betroffenen Personen eingeholt. Das könnte sich künftig ändern: Das Registergutachten weist darauf hin, dass es die DSGVO aus Gründen des öffentlichen Interesses in Bereichen der öffentlichen Gesundheit erlaubt bestimmte Datenkategorien auch ohne Einwilligung der Betroffenen zu verarbeiten.

Mit den klinischen Daten werden die Behandlungsleitlinien für verschiedene Krebsarten überprüft und Qualitätsvergleiche der Patientinnenversorgung angestellt. Dazu wird der gesamte Verlauf der Krebsbehandlungen beobachtet. Die Daten werden außerdem mit den Krebsregistern der Länder abgeglichen, die Daten aus Krebsfrüherkennungsprogrammen enthalten. So kann die Wirksamkeit dieser Screening-Programme bewertet werden.

Epidemiologische Krebsregister wie etwa das Deutsche Kinderkrebsregister befassen sich vorrangig mit der bevölkerungsbezogenen Analyse von Krebserkrankungen. Sie erhalten Zugang zu den bereits pseudonymisierten Daten bei der Registerdatenbank, die bei der klinischen Registerstelle betrieben wird. Sie erfassen Angaben zum Tumor wie Art, Lokalisation und Ausbreitung sowie das Stadium der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose. Seit dem Jahr 2006 ist in allen Bundesländern eine flächendeckende epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland gesetzlich verankert. Seit 2009 führt das Robert-Koch-Institut im Bundeskrebsregister die Daten aus den Landesregistern zusammen.

In der Krebsforschung werden außerdem neue Ansätze der Datenanalyse und des Datenteilens entwickelt. Beispielsweise fördert das Bundesgesundheitsministerium ein Projekt zur Nutzung von synthetischen Daten ("KI-FDZ"). Dabei werden aus echten Gesundheitsdaten künstliche Datensätze erzeugt, die die gleichen statistischen Eigenschaften haben. Diese synthetischen Datensätze stellen eine Alternative zur klassisch anonymisierten Datensätzen dar. Mit einer umfangreicheren Datenbasis könnten aus pseudonymisierten Originaldaten außerdem digitale Zwillinge generiert werden. Ob dafür auch synthetische Daten genutzt werden können, ist im Moment noch offen.

Das Transplantationsregister wird derzeit stufenweise aufgebaut. Das Transplantationsregistergesetz sieht vor, dass die Daten der postmortalen Spender, der Organlebendspender und der Organempfänger von verschiedenen Stellen erhoben und an das Register übermittelt werden, wo sie zusammengeführt werden. Hauptziel ist es, die Versorgung der Patienten zu verbessern und unerwünschte Reaktionen und Zwischenfälle bewerten zu können. Die Forschenden können nach einem Antragsverfahren und auf Basis eines Nutzungsvertrags entweder anonymisierte oder pseudonymisierte Daten nutzen.

Im Implantateregistergesetz (IRegG) von 2019 ist die Bereitstellung der dort gespeicherten Daten für die Forschung vorgesehen. Das Register befindet sich noch im Aufbau, der Regelbetrieb soll 2023 starten. Geplant ist zunächst die Erfassung von Brustimplantaten, ab 2024 auch Endoprothesen von Hüfte und Knie. Erfasst werden alle Implantattypen. Hersteller sind verpflichtet, ihre Produkte in der Produktdatenbank zu registrieren. Zweck ist die Qualitätssicherung sowie die Patientensicherheit.

Medizinische Einrichtungen melden medizinische Daten zu den Implantaten und ihren Empfängern. Dazu ist keine Einwilligung der Patienten erforderlich. Datenschutzexperten kritisieren, dass die grundrechtlichen Garantien nur unzureichend ausgestaltet sind. Betroffene können gegenüber der Registerstelle und der Vertrauensstelle im Robert-Koch-Institut keinen Widerspruch einlegen und die Verarbeitung ihrer Daten auch nicht einschränken lassen.

Bislang gibt es in Deutschland kein zentrales Impfregister. Aktuell überwachen die Kassenärztlichen Vereinigungen, inwieweit Versicherte verschiedene Impfungen in Anspruch nehmen. Sie nutzen hierfür pseudonymisierte Abrechnungsdaten. Die Daten liegen meist erst sechs Monate nach der Impfung vor. Weil diese Erhebung mit einer großen Zeitverzögerung verbunden ist, wurde im Laufe der Covid-19-Pandemie die Forderung erhoben, die Daten täglich zu erheben und zu melden.

Zur Überwachung der Impfquote wurde in Deutschland das "Digitale Impfquotenmonitoring" am Robert-Koch-Institut eingerichtet. An diese Stelle werden sowohl Impfdaten der gesetzlichen Versicherten über das Impf-Doku-Portal der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie der privat Versicherten über ein Portal des Verbandes der Privatärztlichen Verrechnungsstellen übermittelt. Auf einem Impfdashboard wird der aktuelle Impfstatus angezeigt.

Ein Impfregister könnte allerdings helfen, nicht nur Impfquoten darzustellen, sondern auch die Datenbasis dafür schaffen, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe besser überprüft werden kann. Entscheidend für die gesellschaftliche Akzeptanz dürfte sein, dass Dritte wie etwa die Ordnungsverwaltung keine personenbezogenen Zugriffe erhalten kann, dass also auf die Durchsetzung der Impfpflicht mittels des Registers verzichtet wird. Das politische Vorhaben eines "nationalen Impfregisters", das vor allem von der Union vorangebracht wurde, wird allerdings von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nicht unterstützt.

Hinweis: Dies ist der erste aus einer Serie von drei Artikeln.

(mack)