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Operieren mit Eigenblut - die Blut-Wasch-Maschine macht's möglich

Blutkonserven sind knapp und teuer. Das Herzzentrum Dresden hat sich als erste Klinik Sachsens einem Netzwerk angeschlossen, das blutsparend arbeitet. Auch der Patient profitiert.

Von Kornelia Noack
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Professor Jens Faßl bei einem Eingriff im Herzzentrum Dresden. Er betreut den Cell Saver, mit dem das Blut des Patienten während der Operation wieder aufbereitet werden kann.
Professor Jens Faßl bei einem Eingriff im Herzzentrum Dresden. Er betreut den Cell Saver, mit dem das Blut des Patienten während der Operation wieder aufbereitet werden kann. © Thomas Kretschel

Ob der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks, eine Bypass-Operation oder die Entfernung eines Tumores: Bei jedem operativen Eingriff verlieren Patienten Blut. Ersetzt wird es im Regelfall durch eine Blutkonserve. Doch Blut ist knapp. Die Zahl der Spender sinkt in Deutschland seit Jahren kontinuierlich.

Laut Paul-Ehrlich-Institut wurden 2021 6,5 Millionen Blutspenden gesammelt, zehn Jahre zuvor waren es noch 7,6 Millionen. Hauptgrund für diesen Rückgang ist die alternde Bevölkerung. Die Unsicherheit wegen des Coronavirus hat die Situation noch verschärft.

Patient erhält eigenes Blut zurück

Das Herzzentrum Dresden setzt deshalb auf einen Cell Saver – umgangssprachlich eine Blut-Wasch-Maschine. „Damit können wir während der OP verlorenes Blut auffangen, aufbereiten und dem Patienten zeitnah re-transfundieren. Er erhält also sein eigenes Blut zurück“, sagt Professor Jens Faßl. Er ist Chefarzt am Institut für Kardioanästhesiologie am Herzzentrum.

Der Einsatz von Cell Savern und der damit einhergehende sparsame Umgang mit Blut ist Teil des sogenannten Patient Blood Managements (PBM). Das Herzzentrum Dresden gehört als einzige Einrichtung in Sachsen dem deutschlandweiten PBM-Netzwerk an. „Ziel dabei ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen“, sagt Ursula Marschall vom Institut für Gesundheitssystemforschung der Barmer.

Der Cell Saver - eine Art Blut-Wasch-Maschine.
Der Cell Saver - eine Art Blut-Wasch-Maschine. ©  Thomas Kretschel

Das PBM-Konzept setzt bereits vor einer geplanten OP an. „Geschulte Ärzte im Krankenhaus schauen sich den Patienten und seine Krankenunterlagen genügend lange vor einem geplanten Eingriff genau an. Typische Fragen dabei sind dann: Wie sehen seine Blutwerte aus? Besteht eine Blutarmut?“, sagt Marschall.

Eine Untersuchung auf Anämie sei hier Voraussetzung für einen Eingriff. Denn Blutarmut ist ein häufiger Grund für eine Blutübertragung während eines Eingriffs. Geraten wird auch, schon vor einer OP den Hausarzt zu fragen: Wie ist mein Blut beschaffen?

Blut sparen durch spezielle Operationstechniken

Im zweiten Schritt gilt es, während der OP den Blutverlust so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört zum Beispiel, dem Patienten bei der Voruntersuchung mit kleineren Röhrchen möglichst wenig Blut abzunehmen.

Blut sparen können die Ärzte aber auch, indem sie mit speziellen Techniken operieren und eben während des Eingriffs das Blut mithilfe von Cell Savern wiederaufbereiten. Zum Standard gehört nicht zuletzt, die Risiken einer Fremdbluttransfusion abzuwägen und sie nur einzusetzen, wenn sie wirklich nötig ist.

Deutschland ist Weltmeister bei Bluttransfusionen

Nirgendwo auf der Welt ist die Zahl der Bluttransfusionen so hoch wie in Deutschland. Laut Krankenhausreport der Barmer werden hierzulande mehr als 3,2 Millionen Blutkonserven in Krankenhäusern verabreicht. Und Sachsen nimmt dabei – nach Mecklenburg-Vorpommern – den zweiten Platz in der Länderstatistik ein. Zwar sinkt die Rate der Transfusionen inzwischen jedes Jahr um knapp drei Prozent.

Die Barmer und das Herzzentrum Dresden arbeiten beim Thema Patient Blood Management zusammen: Dr. Fabian Magerl, Geschäftsführer der Barmer Sachsen, Prof. Dr. Jens Faßl, Stellvertretender Ärztlicher Direktor des Herzzentrums, und Jörg Scharfenberg, Geschä
Die Barmer und das Herzzentrum Dresden arbeiten beim Thema Patient Blood Management zusammen: Dr. Fabian Magerl, Geschäftsführer der Barmer Sachsen, Prof. Dr. Jens Faßl, Stellvertretender Ärztlicher Direktor des Herzzentrums, und Jörg Scharfenberg, Geschä © Herzzentrum Dresden/Robert Reuther

Doch für Barmer-Landeschef Fabian Magerl steht fest: „Mit PBM könnte man ein Drittel der Blutkonserven einsparen.“ Das wären bundesweit nahezu eine Million Konserven. Die Krankenkasse, die in Sachsen knapp 318.000 Menschen versichert, hat deshalb einen Versorgungsvertrag mit dem Herzzentrum Dresden geschlossen.

Im vergangenen Jahr konnte das Herzzentrum allein durch den Einsatz von Cell Savern etwa 570 Liter Blut zurückgewinnen, das entspricht knapp 1.700 Blutkonserven, die für andere Notfälle zur Verfügung standen. Bei 70 Prozent der Eingriffe sei man ganz ohne Fremdblut ausgekommen, sagt Jens Faßl. Blut sei wertvoll. Eine Konserve enthält etwa 200 bis 300 Milliliter Erythrozytenkonzentrat und kostet im Schnitt 80 Euro.

Blutkonserven erhöhen Sterblichkeitsrisiko

Besonders profitieren die Patienten vom PBM-Konzept. „Studien haben ergeben, dass jede Bluttransfusion ein hohes Gesundheitsrisiko birgt und die Sterblichkeitsrate erhöht“, erklärt der Mediziner. „Das Immunsystem ist bei einem Eingriff ohnehin geschwächt. Wird dann Fremdblut zugeführt, steigt das Risiko für eine Infektion und für Wundheilungsstörungen.“

Das hat auch der Krankenhausreport der Barmer ergeben. So können sich Bluttransfusionen vor allem bei Menschen mit Anämie negativ auf die Behandlungsqualität auswirken. Etwa jeder vierte Deutsche leidet unter der Erkrankung, die von einem Mangel an rotem Blutfarbstoff gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Atemnot und geringe Leistungsfähigkeit. Oft bleibt die Krankheit aber unentdeckt. Häufigste Ursache ist Eisenmangel.

Wird nun bei einem Barmer-Patienten vor der OP am Herzzentrum eine Blutarmut festgestellt, übernimmt die Kasse durch die neue Vereinbarung die Kosten für die häufig teure Behandlung mit Eiseninjektionen oder anderen Präparaten.

Erst 40 Kliniken im PBM-Netzwerk

Sollten künftig alle Patienten vor einer Operation routinemäßig auf eine Blutarmut getestet werden? „Nein“, sagt Professor Faßl. „Bei jüngeren Patienten und Eingriffen mit einem sehr geringen Blutungsrisiko werden zum Teil gar keine Blutkonserven bereitgehalten, demzufolge macht eine Anämie-Diagnostik keinen Sinn.“

Auch andere Kliniken in Sachsen arbeiten mit dem Blut-Management-Konzept, sind aber nicht entsprechend zertifiziert. Bislang haben sich rund 40 von bundesweit fast 2.000 Kliniken dem PBM-Netzwerk angeschlossen. „Wir hoffen auf eine Initialzündung“, sagt Chefarzt Faßl.