1. Einleitung

Das Fach „Kardiologie“, dabei insbesondere die interventionelle Kardiologie, hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Mit der Einführung der invasiven Herzkatheterdiagnostik wurde die Basis für eine stetig wachsende Zahl an kardiologischen Interventionen gelegt, beginnend mit der Einführung der Koronarangioplastie durch Grüntzig [1]. Inzwischen hat sich das Spektrum der interventionellen Kardiologie durch die Einführung der invasiven Elektrophysiologie und Katheterablation [2], die interventionelle Behandlung von Herzklappenfehlern [3] und anderer struktureller Herzerkrankungen (z. B. Vorhof‑/Ventrikelseptumverschlüsse, Verschluss des linken Vorhofohrs als Emboliequelle bei Vorhofflimmern) enorm erweitert. Parallel dazu haben sich auch die „Device“-Therapie, also die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mittels Herzschrittmacher und Defibrillator, sowie die kardiale Resynchronisationstherapie bei Herzinsuffizienz als wichtiges Feld der Kardiologie etabliert.

Bedingt durch die hohe Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen kam es zu einem Anstieg kardialer Prozeduren [4]. Diese Entwicklung hat neben der optimierten medikamentösen Therapie zu einer Verbesserung der Überlebensrate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland beigetragen, aber auch zu steigenden Kosten geführt. Durch die ständigen technischen Verbesserungen sind viele Prozeduren (u. a. die koronare Diagnostik und Intervention) heute wesentlich einfacher und risikoärmer durchführbar.

In Deutschland liegt die Zahl stationärer Behandlungsfälle im Vergleich zu anderen Ländern in Westeuropa oder den USA höher [5], Strukturen für eine Ambulantisierung kardiologischer Leistungen sind bisher nicht ausreichend etabliert. Neben dem medizinisch-technischen Fortschritt, der zu einer Vereinfachung vieler Eingriffe geführt hat, sind der zunehmende Kostendruck im Gesundheitswesen, eine verbesserte Orientierung an den Bedürfnissen der Patienten und auch der Fachkräftemangel (z. B. im Pflegepersonal) häufig vorgebrachte Argumente für eine Verlagerung bisher stationär erbrachter Leistungen in den ambulanten Bereich. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 20 % der stationären Behandlungsfälle sog. „ambulant-sensitive“ Fälle seien [6], nach Schätzungen des Krankenhaus Rating Reports 2019 liegt das ambulante Potenzial bisher stationärer Fälle bei ca. 9 % [7].

Demgegenüber steht die demografische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass Patienten immer älter werden und mehr Komorbiditäten aufweisen. Daher gehen in die Entscheidung, ob ein Eingriff stationär oder ambulant erbracht werden soll, zahlreiche Faktoren ein, die sich in die 3 Gruppen Patientencharakteristika, anatomische Voraussetzungen und prozedurale Aspekte einteilen lassen (Abb. 1). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Strukturvoraussetzungen für die kardiologischen Einrichtungen, die diese Eingriffe erbringen wollen, neu zu definieren, da die Erbringung komplexerer Eingriffe zusätzliche Strukturmerkmale für den Eingriff selbst sowie die nachfolgende Überwachung und die Untersuchung vor Entlassung voraussetzt.

Abb. 1
figure 1

Wann sollte eine stationäre Aufnahme nach kardiologischer Leistung erfolgen?

Parallel dazu wurde mit dem MDK(Medizinischer Dienst der Krankenkassen)-Reformgesetz den Partnern der Selbstverwaltung der gesetzliche Auftrag nach § 115b SGB V Abs. 1A erteilt, ein Gutachten zur Erweiterung des Katalogs ambulantes Operieren im Krankenhaus in Auftrag zu geben. Es wurde darin der Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ambulant durchführbaren Operationen, stationsersetzenden Eingriffen und stationsersetzenden Behandlungen untersucht [8]. Auf der Grundlage dieses Gutachtens soll nun die Selbstverwaltung einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen vereinbaren sowie einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte. Der Auftrag wurde im Dezember 2020 an das IGES-Institut vergeben, das Gutachten wurde am 31.03.2022 der Öffentlichkeit vorgestellt [9], auf dessen Grundlage die Selbstverwaltung den bisherigen AOP-Katalog (ambulanter Operationskatalog) ambulant durchführbarer Operationen überarbeitet. In einem ersten Schritt wurde der bisherige AOP-Katalog ambulant durchführbarer Operationen erweitert [10]. Zu den bisher schon ambulant durchführbaren Eingriffen kamen insgesamt ca. 200 Eingriffe hinzu, in der Kardiologie verschiedene Herzschrittmachereingriffe und im interventionellen Bereich die intrakoronare Druck- bzw. IVUS(intrvaskulärer Ultraschall)-Messung. Diese Erweiterung des AOP-Katalogs ist bereits zum 01.01.2023 in Kraft getreten. Die Finanzierung dieser Leistungen erfolgt nach EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab).

Dieses Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) spricht Empfehlungen für die strukturellen, prozeduralen und personellen Voraussetzungen für eine ambulante Erbringung kardiologischer Leistungen aus fachlicher Sicht aus. Unabhängig davon, ob Eingriffe ambulant oder stationär durchgeführt werden, hält die DGK an ihren bisher formulierten Qualitätskriterien durch Curricula und Zertifizierungen fest.

2. Allgemeine Aspekte und Voraussetzungen der ambulanten Leistungserbringung kardiologischer Eingriffe

Dieses Kapitel widmet sich ausschließlich den medizinischen Aspekten ambulanter Leistungserbringung – eine ökonomische oder abrechnungstechnische Perspektive wird nicht eingenommen, auch wenn klar ist, dass ohne eine den Aufwand adäquat abbildende Vergütung der Weg zu einer ambulanten Leistungserbringung in Zukunft nicht gegangen werden kann. Ziel einer Ambulantisierung kann aus medizinischer Perspektive nur die Harmonisierung medizinischer Prozessqualität, prozeduraler Sicherheit und des patientenorientierten Service (z. B. frühere Entlassung) sein. Bei einer solchen Verlagerung bisher stationär erbrachter kardiologischer Eingriffe müssen folgende Fragen geklärt werden:

  1. 1.

    Welche strukturellen und personellen Mindestanforderungen sind an die ambulante oder stationäre Einrichtung zu stellen, die einen bestimmten Eingriff durchführen will?

  2. 2.

    Welche Voraussetzungen bestehen für die postoperative Überwachung und welche an das Entlassmanagement?

Zur Einschätzung der prinzipiellen Frage, welche Eingriffe überhaupt für eine ambulante Durchführung infrage kommen, hat die DGK bereits Konsensuspapiere gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst erstellt, die für die häufigsten, invasiven Eingriffen in der Kardiologie, nämlich Koronarangiographien und -interventionen [11] bzw. rhythmologische Eingriffe (Implantation von Herzschrittmachern, Defibrillatoren und Ablationsbehandlungen von Herzrhythmusstörungen) [12] die patientenseitigen Voraussetzungen für die stationäre bzw. ambulante Leistungserbringung bzw. stationäre Behandlungsdauer beinhalten. Die Empfehlungen des Gutachtens gehen aber deutlich über diese ursprünglichen Empfehlungen hinaus, was die Anforderungen an die Strukturvoraussetzungen erhöht.

Für die meisten Interventionen in der Kardiologie gilt, dass Komplikationen schnell zu potenziell vital bedrohlichen Situationen führen können. Daher besteht bei der Mehrzahl der invasiven Untersuchungen bzw. Interventionen ein erhöhter Überwachungsbedarf für zumindest 4–6 h, sodass auch bei evtl. eintretenden Komplikationen eine unmittelbare Bereitschaft zur Notfallintervention – auch außerhalb regulärer Dienstzeiten und am Wochenende – vorhanden sein muss. Aus diesem Grund werden operative Maßnahmen oder Interventionen besonders in der Herzmedizin im Ausland häufig in unmittelbarer Anbindung an das Krankenhaus erbracht, z. B. in sog. Ambulatory Surgical Centers (ASC). Im Gutachten des IGES wird eine solche Auslagerung ambulant durchgeführter Eingriffe in getrennte, ambulante Zentren am Krankenhaus als „Model of Best Practice“ genannt. Die Trennung eines solchen ambulanten Bereichs von stationären Fällen erscheint sinnvoll, um z. B. eine Verschiebung geplanter, ambulanter Eingriffe durch akute, stationäre Notfalleingriffe zu vermeiden. Neben den Investitionskosten für die Krankenhäuser zur Etablierung paralleler stationärer und ambulanter Strukturen wirft dies jedoch auch Fragen für die Aus- und Weiterbildung von Ärzten im Krankenhaus auf. Dies Problem wird im Gutachten ebenfalls explizit benannt. Da eine vergleichbare ambulante und stationäre Struktur in deutschen Kliniken bisher nur rudimentär existiert, ist zu fordern, dass interventionelle bzw. operative kardiologische Leistungen an strukturelle und personelle Anforderungen zu knüpfen sind als Voraussetzung dafür, dass sie sicher ambulant erbracht werden können. Die Definition von Strukturmerkmalen als Voraussetzung für die Leistungserbringung ist bereits für komplexe, kardiologische Eingriffe, wie z. B. Durchführung von minimal-invasiven Herzklappeninterventionen, seit einigen Jahren etabliert [13]. Der zusätzliche Aufwand für die notwendige Vorhaltung bestimmter Strukturmerkmale bei der Behandlung von Komplikationen (z. B. Monitoring, Intensivstation) ist angemessen zu vergüten. Der Fokus dieses Positionspapiers liegt auf der Definition dieser strukturellen und personellen Anforderungen für die häufigsten, kardiologischen Eingriffe. Im Folgenden sollen für die verschiedenen Eingriffe entsprechende Anforderungen definiert werden. Die Empfehlungen zu den einzelnen Eingriffen stellen einen aktuellen Expertenkonsensus dar. Sie werden aber in Zukunft auch wieder angepasst werden müssen, denn die Vereinfachung der interventionellen Techniken und die damit verbundene, höhere Sicherheit der Eingriffe dürften in den nächsten Jahren weiter fortschreiten.

3. Koronardiagnostik und -intervention

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung der diagnostischen Herzkatheteruntersuchung wurden bereits in einer Leitlinie der DGK aus dem Jahr 2008 definiert [14]. Daneben sind die allgemeinen organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen in der Leitlinie zum Einrichten und Betreiben von Herzkatheterlaboren und Hybridoperationssälen/Hybridlaboren [15] sowie das Addendum nach Änderung der Strahlenschutzgesetzgebung aus 2019 [16] zu berücksichtigen. Die dort beschriebenen Anforderungen an Organisation sowie räumliche und technische Ausstattung sollen hier nicht noch einmal im Detail aufgeführt werden. Für eine einfache diagnostische Herzkatheteruntersuchung gehört neben der zur Vorbereitung erforderlichen Anlage eines periphervenösen Zugangs eine kontinuierliche EKG- und Hämodynamikregistrierung während der Untersuchung sowie zusätzlich zum Operateur und der medizinischen Assistenzkraft ein unmittelbar abrufbarer, weiterer Arzt in räumlicher Nähe für evtl. erforderliche Notfallmaßnahmen. Bei notwendiger Sedierung sollte eine Überwachung mittels Pulsoxymetrie erfolgen. Daneben werden als Notfallausstattung ein Blutgasanalysegerät, Geräte zur Erfassung der Blutgerinnung (z. B. „activated clotting time“ [ACT]), ein Defibrillator, die Möglichkeit zur internen und ggf. externen Herzschrittmacherstimulation sowie Notfallinstrumente (Notfallwagen mit Intubationsbesteck, Notfallmedikamenten) gefordert. Der Gefäßzugang erfolgt bei elektiver Diagnostik bzw. perkutaner Koronarintervention (PCI) ohne Besonderheiten primär über die A. radialis. Nach einer diagnostischen Untersuchung über die A. radialis ist eine Überwachung von mindestens 4 h erforderlich. Bei Verwendung von Einführungsschleusen > 6 French und komplexeren Interventionsverfahren (z. B. Intervention an Bifurkationsstenosen, Rotablation, Eröffnung chronischer Koronarverschlüsse etc.) wird in der Regel femoral punktiert. Auch bei Patienten mit Herzklappenfehlern, bei Zustand nach Bypassoperation oder stark geschlängelten supraaortalen Gefäßen kann eine primäre Punktion von femoral oder ein Wechsel auf den femoralen Zugang nach initialer Radialispunktion erforderlich sein. In diesen Fällen ist eine längere, postprozedurale Immobilisation erforderlich und das Risiko für Komplikationen (Blutungen, arteriovenöse Fisteln) erhöht. Bei Verwendung einer 5‑F-Schleuse sollte ein Druckverband für mindestens 3–4 h, bei Verwendung einer 6‑F-Schleuse von mindestens 4 h nicht unterschritten werden. Ist der Einsatz größerer Schleusen erforderlich, so ist eine Liegedauer von mindestens 12–24 h einzuhalten. Die Liegedauer kann durch Verwendung eines Verschlusssystems auf 4–6 h verkürzt werden. Allerdings ist die Komplikationsrate hinsichtlich Blutungen und Gefäßverletzungen unter Verwendung gängiger Verschlusssysteme nicht niedriger als bei manueller Kompression. Eine Kontrolle der Punktionsstelle durch einen Arzt ist obligat, bevor der Patient in die häusliche Umgebung entlassen werden kann. Bei komplexen Untersuchungen kann der Einsatz von größeren Mengen Kontrastmittel erforderlich werden. Dies erfordert – insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion – eine prolongierte Überwachung der Nierenfunktion und ggf. die postprozedurale, intravenöse Gabe von Flüssigkeit, die in der Regel bei ambulanter Durchführung nicht möglich ist.

Für die verschiedenen Verfahren im Rahmen der Koronardiagnostik und -intervention ergeben sich individuell unterschiedliche Notwendigkeiten für das prä- und postoperative Management, die in Tab. 1 aufgelistet sind.

Tab. 1 Koronardiagnostik und -intervention
Tab. 2 Elektrophysiologische Diagnostik und Ablationen

Zusätzlich zur diagnostischen Koronarographie sind bei Koronarinterventionen weitere Strukturvoraussetzungen zu fordern. Dazu gehört die Möglichkeit eines EKG-Monitorings für mindestens 12 h nach der PCI. Komplexe Interventionen (s. Tab. 1) sollten aufgrund der erhöhten Komplexität und Dauer des Eingriffs sowie des erhöhten Risikos postinterventioneller Komplikationen generell unter stationären Bedingungen erfolgen. Insgesamt beträgt die Mortalität nach PCI je nach Erfahrung des Operateurs ca. 1,5–1,9 % [17], lebensbedrohliche Komplikationen können allerdings auch bei initial als wenig komplex eingeschätzten Läsionen auftreten. Daher ist ein standardisiertes Komplikationsmanagement erforderlich. Dies betrifft sowohl kardiale Notfälle (z. B. Kammerflimmern, kardiogener Schock, akuter Infarkt) als auch neurologische Komplikationen, für die die Empfehlungen des Konsensuspapiers der DGK, der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG), der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) Anwendung finden [18]. Für die zeitnahe Reaktion auf mögliche Komplikationen nach PCI ist eine 24-h-Interventionsbereitschaft mit einer Besetzung durch Kardiologen vorzuhalten, die über eine ausreichende Erfahrung in der Akut-PCI verfügen. Bei einer ambulanten Durchführung von PCI ist zudem eine Anbindung an eine intensivmedizinische Einheit zu fordern, optimalerweise in räumlicher Nähe, z. B. durch direkte Anbindung an ein Krankenhaus oder mindestens durch eine Kooperationsvereinbarung mit einem Krankenhaus mit einer Hauptabteilung für Kardiologie und 24-h-Interventionsbereitschaft. In diesem Fall sollte eine Transportzeit von 30 min ins Krankenhaus nicht überschritten werden. Die Vorhaltung einer intensivmedizinischen Einheit muss anteilig bei der Vergütung der Leistung berücksichtigt werden (z. B. als komplex-ambulante DRG).

4. Interventionen bei strukturellen Herzerkrankungen

Aufgrund der Komplexität bei der Durchführung struktureller Herzinterventionen und der besonderen Voraussetzungen, die z. B. an die minimal-invasiven Klappeneingriffe gestellt werden, müssen diese Eingriffe nach aktuellem Kenntnisstand immer unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Für Herzklappeninterventionen wird zudem das Vorhandensein einer Hauptabteilung für Herzchirurgie (minimal-invasive Implantation der Aortenklappe) bzw. eine strukturierte Zusammenarbeit mit einer herzchirurgischen Abteilung gefordert (Mitralklappeninterventionen). Aufgrund der strukturellen Anforderungen, die in der G‑BA-Richtlinie [13] gefordert werden, scheidet eine ambulante Leistungserbringung aus. Die strukturellen Voraussetzungen für die Implantation eines Vorhofohrokkluders sind identisch wie z. B. für ein Mitralklappen-Clipping, v. a. aufgrund des Risikos einer Herzbeuteltamponade nach transseptaler Punktion. Die häufig hohe Komorbidität der Patienten, die mit einem Vorhofohrokkluder versorgt werden (z. B. hohes Embolierisiko, hohe Blutungsrate) führt dazu, dass diese Eingriffe regelhaft stationär erbracht werden. Bei Verschlüssen eines offenen Foramen ovale oder eines Vorhofseptumdefekts besteht dagegen v. a. das Risiko embolischer Komplikationen (Thromboembolie, Luftembolie), sodass v. a. eine notwendige Infrastruktur für die Beherrschung neurologischer Komplikationen bestehen muss. Bei allen Eingriffen werden großlumige, venöse Schleusen verwendet, sodass eine verlängerte Überwachung erforderlich ist sowie eine abschließende Untersuchung auf vaskuläre, postoperative Komplikationen. Diese Empfehlungen sind im Einklang mit den Empfehlungen des IGES-Gutachtens.

Tab. 3 Herzschrittmacher, ICD und andere kardiale Devices
Tab. 4 Spezielle Ausschlusskriterien für die ambulante Durchführbarkeit der Vorhofflimmerablation (Expertenkonsensus bzw. basierend auf [27, 29, 31,32,33])

5. Elektrophysiologische Diagnostik und Katheterablation

Die räumlichen, apparativen und strukturellen Voraussetzungen für die Durchführung elektrophysiologischer Untersuchungen (EPU) sind ebenfalls in der Leitlinie zum Betreiben von Herzkatheterlaboren ausführlich dargelegt [15]. Daneben gelten ähnliche personelle Anforderungen wie für die Koronardiagnostik [19], nämlich die Anwesenheit eines in der invasiven Elektrophysiologie ausreichend erfahrenen Arztes, mindestens einer Assistenzkraft und eines weiteren Arztes in unmittelbarer Erreichbarkeit für Notfallinterventionen. Bei komplexen Interventionen sind 2 Ärzte in Anwesenheit erforderlich, ein Arzt am Kathetertisch und ein weiterer für die Analyse der intrakardialen Signale am elektrophysiologischen Messplatz. Spezielle Anforderungen bestehen für die Katheterablation von Vorhofflimmern, wie sie in einem Positionspapier der DGK 2017 festgelegt wurden [20]. Neben der invasiven elektrophysiologischen Diagnostik soll hier noch die elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern/-flattern diskutiert werden.

Generell gilt für die Durchführung diagnostischer EPU und Katheterablationen Folgendes (siehe auch Tab. 2):

  1. 1.

    Diagnostische EPU sind prinzipiell ambulant durchführbar. Allerdings weisen die meisten Patienten, bei denen eine rein diagnostische EPU durchgeführt wird (z. B. bei unklaren Synkopen oder ventrikulären Arrhythmien) Komorbiditäten auf, die eine stationäre Durchführung erforderlich machen, oder es handelt sich um Patienten, die primär notfallmäßig stationär aufgenommen und dann einer diagnostischen EPU zugeführt werden.

  2. 2.

    Die Durchführung von EPU und Ablationen bei Patienten mit komplexen, angeborenen Herzfehlern ist schwierig und sollte Zentren mit ausreichender Erfahrung in der invasiven rhythmologischen Diagnostik sowie zumindest einer existierenden Kooperation mit einem Zentrum für die Behandlung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern [21] vorbehalten bleiben. Die Komplexität in Planung, Durchführung und Nachsorge erfordert eine stationäre Durchführung solcher Untersuchungen. Dies entspricht auch der Empfehlung des IGES-Gutachtens.

  3. 3.

    Zur ambulanten Durchführung von Katheterablationen gab es bis vor wenigen Jahren nur wenige Untersuchungen. Einige kleinere, retrospektive Untersuchungen in hochselektionierten Patientenkollektiven an erfahrenen Zentren legten nahe, dass die Durchführung von Katheterablationen mit Entlassung am gleichen Tag bei bestimmten Arrhythmien sicher möglich ist [22,23,24]. Mit der Zunahme der Katheterablation von Vorhofflimmern (VHF) in den letzten Jahren hat das Interesse an der Durchführung solcher Eingriffe mit Entlassung am gleichen Tag zugenommen, da es gerade in Zentren mit hoher Interventionszahl zu einer Belastung der Krankenhausressourcen kam. Die Ergebnisse dieser Analysen legen nahe, dass eine ambulante Durchführung der VHF-Ablation in selektierten Patientenkollektiven sicher durchführbar war [25,26,27,28,29,30,31]. Allerdings waren sämtliche Analysen retrospektiv, sodass in diesen Studien eine Vorselektion von Patienten mit primär niedrigem Risiko anzunehmen ist. In manchen, aber nicht allen dieser Studien wurden die Kriterien für eine ambulante Durchführbarkeit vorab definiert. Eine Analyse aus Daten der National Readmission Database in den USA zeigte, dass in den Jahren 2016 bis 2018 gerade einmal bei 1,4 % aller Vorhofflimmerablationen die Patienten am gleichen Tag entlassen wurden [32]. Bei diesen Patienten war zwar keine erhöhte Rate an schweren Komplikationen nachweisbar, allerdings lag die Rehospitalisationsrate mit 12,7 % tendenziell höher als 9,7 % in der Gruppe der stationär behandelten Patienten, wenngleich dieser Unterschied nicht signifikant war. Eine ebenfalls retrospektive Analyse aus Schweden an über 5000 Patienten zeigte, dass die meisten Komplikationen nach Vorhofflimmerablation innerhalb der ersten 6 h auftraten, was den Nutzen der postoperativen Überwachung über Nacht infrage stellt [33]. Allerdings sind bisher keine prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich der Durchführung von Vorhofflimmerablationen mit Entlassung am gleichen Tag oder postoperativer Übernachtung im Krankenhaus publiziert, was für eine evidenzbasierte Empfehlung zu fordern ist. Bis dahin sollte die Indikation zur ambulanten Durchführung der VHF-Ablation an strenge Kriterien geknüpft bleiben. Eine Auflistung dieser Kriterien enthält Tab. 4. In jedem Fall muss nach ambulant durchgeführter Ablation die postinterventionelle Nachsorge im häuslichen Umfeld eindeutig und strukturiert geregelt sowie eine unmittelbare Möglichkeit zur erneuten Aufnahme im abladierenden Zentrum sichergestellt sein.

  4. 4.

    Die ambulante Durchführung der Ablation von Kammertachykardien bei struktureller Herzerkrankung ist nicht möglich. Analog zur interventionellen Kardiologie bzw. Interventionen bei struktureller Herzerkrankung sollten Ablationseingriffe, bei denen die Verwendung großlumiger, arterieller Schleusen (≥ 8 French) erforderlich ist, stationär durchgeführt werden.

  5. 5.

    Die elektrische Kardioversion von Vorhofflimmern (mit oder ohne transösophageale Echokardiographie) kann ambulant durchgeführt werden. Auch hier gilt allerdings, dass viele Patienten mit Vorhofflimmern älter sind und erhebliche Komorbiditäten aufweisen, die einer ambulanten Durchführung dieser Maßnahme(n) entgegenstehen können. Da eine Kardioversion nur unter Analgosedierung durchgeführt werden kann, ist eine mindestens 2‑ bis 4‑stündige Nachbeobachtungszeit unter Monitorüberwachung erforderlich. Wegen der Gefahr der durch eine Sedierung induzierten Hypoxie ist die unmittelbare Verfügbarkeit eines Arztes und einer Krankenschwester mit Reanimationserfahrung notwendig.

6. Herzschrittmacher, ICD und andere implantierbare Devices

Schon im bisherigen AOP-Katalog sind mehrere Herzschrittmacher-OPS-Ziffern enthalten, die entweder als „in der Regel ambulant zu erbringen“ (Status 1) bzw. „ambulant oder stationär möglich“ (Status 2) klassifiziert sind [34]. Im aktualisierten AOP-Katalog ist die Zahl der ambulant durchführbaren Eingriffe wesentlich erweitert worden. Nach unserer Auffassung ist dieser Vorschlag grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Aus fachlicher Sicht gelten folgende Einschränkungen für die ambulante Durchführung der Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren (Tab. 3):

  1. 1.

    Eingriffe, die eine Sondenextraktion beinhalten (Sondenextraktion, isolierter Sondenwechsel, kombinierter Sonden- und Aggregatwechsel) sind nach Auffassung der DGK stationär zu erbringen. Dies ist begründet mit einer Mortalität von > 1 % bei Sondenextraktionen von Herzschrittmachern aufgrund von Myokardverletzungen [35]. Nach einem Konsensuspapier der DGK und der Deutschen Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie kann das Risiko einer Sondenextraktion klassifiziert werden; ab einem mittleren Extraktionsrisiko sollte eine Herzchirurgie im Haus vorhanden sein. Lediglich bei relativ kurz einliegenden Elektroden (< 1 Jahr) ohne Endokarditis ist dies nicht erforderlich [36].

  2. 2.

    Aufrüstung von 1‑ auf 2‑Kammer-Systeme (Schrittmacher oder ICD) sind prinzipiell ambulant durchführbar. Nach Auffassung der Autoren sollten Upgrade-Operationen auf 3‑Kammer-Systeme aufgrund der Komplexität des Eingriffs stationär erfolgen.

  3. 3.

    Nach Auffassung der Autoren ambulant durchführbare Eingriffe sind die Ereignisrekorderimplantation (und Explantation), die Implantation von 1‑ und 2‑Kammer-ICDs, die isolierte Sondenimplantation und alle sog. „Downgrade“-Eingriffe, solange keine Sonde dabei extrahiert wird oder ein sondenloser Schrittmacher entfernt wird. Für die Im- und Explantation von Ereignisrekordern setzt dies jedoch voraus, dass eine Möglichkeit der ambulanten Abrechnung geschaffen wird, wie seit Langem von der DGK gefordert [37].

Seit Jahren ist eine umfangreiche Qualitätssicherung im Bereich der Schrittmacher- und ICD-Implantationen etabliert, aktuell am IQTIG als Verfahren „QS HSMDEF“. Ein ähnlich strenges Verfahren der Qualitätssicherung ist im ambulanten Bereich bisher nicht etabliert. Daher ist vor einer Ausweitung der ambulanten Leistungserbringung aus dem 5. Kapitel des OPS zu fordern, dass qualitätssichernde Maßnahmen auch bei ambulanter Durchführung zu dokumentieren und zu überprüfen sind.

7. Anforderungen an eine kardiologische postoperative Überwachungseinheit

Im Anschluss an einen kardiologischen Eingriff ist eine Überwachung des Patienten für die Dauer der Bettruhe sicherzustellen. Diese Überwachung umfasst die Möglichkeit eines EKG-Monitorings, einer nichtinvasiven Blutdruckmessung und eine Bestimmung der Sauerstoffsättigung. Die Überwachungseinheit sollte möglichst in räumlicher Anbindung an die Eingriffsräume lokalisiert sein; je nach lokalen Gegebenheiten kommt aber auch eine Überwachung z. B. in angeschlossenen Krankenhausbetten in Betracht. Entscheidend ist die Anwesenheit bzw. unmittelbare Erreichbarkeit qualifizierten Pflegepersonals, das spezifische, kardiologische Komplikationen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Tamponade) und Gefäßkomplikationen (z. B. Blutung, akuter Gefäßverschluss) erkennen und sofort reagieren kann. Es sollte für Notfälle mindestens ein Facharzt erreichbar sein. Bei fehlender Anbindung an den Eingriffsraum sollten ein Medikamentenwagen mit Notfallmedikamenten und ein Defibrillator im Überwachungsbereich vorhanden sein. Bei therapeutischen Eingriffen (PCI, Ablation, Device-Implantation) ist die räumliche Anbindung an eine intensivmedizinische Einrichtung, mindestens aber eine Kooperationsvereinbarung mit einer Einrichtung zu fordern, die über eine 24/7 besetzte Intensivstation verfügt (s. unter Abschn. 3). Die Tab. 1 listet die für die verschiedenen Untersuchungen erforderliche Nachsorge auf. Diese stellt Minimalanforderungen bei komplikationslosem Verlauf dar. Zusätzliche Untersuchungen können allerdings bei schwierigem intra- oder postoperativem Verlauf erforderlich werden, z. B. eine Duplexsonographie der Leiste bei Entstehung eines Hämatoms zum Ausschluss eines Aneurysma spurium nach femoraler Herzkatheteruntersuchung oder eine Echokardiographie nach komplizierter Sondenplatzierung bei Schrittmacherimplantation zum Ausschluss eines Perikardergusses. Bei Schrittmacher- und ICD-Implantationen sollte vor Entlassung nicht nur eine telemetrische Abfrage des Devices, sondern auch eine auf den individuellen Patienten abgestimmte, optimierte Programmierung des implantierten Geräts und eine Untersuchung der Operationsregion erfolgen. In einem Abschlussgespräch ist der Patient über die Verhaltensmaßnahme nach Device-OP inklusive Fahrtauglichkeit aufzuklären. Eine Fahruntauglichkeit nach Analgosedierung ist bei der Planung eines ambulanten Eingriffs im Vorfeld zu bedenken.

8. Entlassmanagement

Eine ärztliche Visite vor Entlassung in die Häuslichkeit ist zwingend erforderlich, diese muss aber nicht unbedingt durch den Arzt durchgeführt werden, der den Eingriff durchgeführt hat. Die abschließende Visite sollte eine Abfrage eventuell noch bestehender Symptome (Angina pectoris, Dyspnoe), des Bewusstseinszustands nach Analgosedierung als auch eine Inspektion der Operationswunde bzw. Punktionsstelle beinhalten. Sollte die Untersuchung in Analgosedierung durchgeführt worden sein, ist der Patient erst nach vollständiger neurologischer Rekonvaleszenz entlassbar. Er darf nach Analgosedierung nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen und muss für die folgenden 24 h unter Aufsicht sein. Weitere Untersuchungen sind je nach durchgeführtem Eingriff erforderlich; diese sind in Tab. 1 aufgeführt. Die Befunde sind zu dokumentieren, und dem Patienten ist ein mindestens vorläufiger Kurzbericht für den weiterbehandelnden Arzt sowie ein Medikamentenplan auszuhändigen. Mit Entlassung sind dem Patienten Notfallnummern und Ansprechpartner auszuhändigen, die im Notfall zu kontaktieren sind. Der entlassende Arzt muss sicherstellen, dass neu verordnete Medikamente (z. B. Thrombozytenaggregationshemmer nach PCI) zuverlässig eingenommen werden, z. B. durch Mitgabe einer Medikamentenverordnung oder der erforderlichen Medikamente, bis eine Apotheke aufgesucht werden kann. Er muss zudem überprüfen, ob die Weiterversorgung gewährleistet ist oder erforderliche, weitere Hilfestellungen oder Hilfsmittel notwendig sind. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, darüber zu entscheiden, ob dies der Fall ist. Sollten medizinische Gründe vorliegen, die eine stationäre Weiterversorgung erfordern, so sind diese zu dokumentieren. Eine nachträgliche Überprüfung durch externe Ärzte oder Institutionen, die diese Entscheidung nicht verantwortlich treffen können, ist abzulehnen.

9. Bedeutung der „Kontextfaktoren“ und „shared decision making“

Im Gutachten des IGES wird den sog. „Kontextfaktoren“ eine wesentliche Bedeutung beigemessen, die zur Festlegung dienen sollen, unter welchen individuellen Bedingungen Eingriffe, die prinzipiell als ambulant erbringbar klassifiziert werden, weiterhin stationär durchgeführt werden können. Dabei wird im Wesentlichen zwischen individuellen Patientencharakteristika (Alter, Komorbiditäten), dem „leistungsspezifischen Kontext“ und den strukturellen Rahmenbedingungen (s. oben) unterschieden. Nach unserer Auffassung müssen diese Kontextfaktoren, die einer ambulanten Leistungserbringung widersprechen, sowohl für die Leistungserbringer als auch für die Kostenträger nachvollziehbar und verbindlich sein. Das heißt, dass die Ex-ante-Beurteilung des Einzelfalles bzw. die Einschätzung vor Entlassung nicht in einer nachfolgenden Prüfung des Medizinischen Dienstes abgelehnt wird oder es zu generellen Rechnungskürzungen bei nicht ambulanter Erbringung der Leistungen kommt. Mit der Vereinbarung zum neuen AOP-Katalog wurden im Anhang auch Kontextfaktoren vereinbart. Es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die veröffentlichten Kontextfaktoren in der Lage sind, zukünftige Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern zu vermeiden. Insbesondere zu sozialen Kriterien – schon bisher ein wesentlicher Streitpunkt bei den G‑AEP-Kriterien – finden sich keine klaren Aussagen.

Für alle invasiven bzw. operativen Eingriffe gilt zudem, dass es allein in der Verantwortung des Operateurs liegt, am Ende der Prozedur bzw. der anschließenden Überwachungsphase festzulegen, ob ein Patient stationär aufgenommen werden muss, wenn begründende Kriterien dokumentiert sind (z. B. Eintreten einer überwachungspflichtigen Komplikation bei einem Patienten, der primär keine Begleiterkrankungen hatte). Die Entscheidung, ob eine stationäre Überwachung postoperativ erforderlich ist, ist eine ärztliche Entscheidung, die in Abhängigkeit vom Zustand des Patienten und der Art des Eingriffs ex ante entschiedenen werden kann, aber auch vor Ort nach dem Eingriff erneut getroffen werden muss, spätestens bei der Untersuchung vor Entlassung. Die Abb. 2 stellt beispielhaft einen Vorschlag des American College of Cardiology (ACC) [38] zur prä- und postprozeduralen Evaluierung dar, der die genannten Aspekte berücksichtigt und in modifizierter Form auch in Deutschland anwendbar wäre. Auch bei den Empfehlungen des ACC wird eingeräumt, dass aufgrund der erforderlichen Nachbeobachtungsphase (z. B. Druckverband) ambulante Untersuchungen nicht spät am Tag begonnen werden können, damit der Patient noch zu angemessener Zeit entlassen werden kann. Nimmt man eine Untersuchungsdauer von bis zu 1 h und eine erforderliche Nachbeobachtung von 4–6 h an, bedeutet dies, dass ambulante Untersuchungen allenfalls bis ca. 12–14 Uhr begonnen werden können.

Abb. 2
figure 2

Vorschlag des American College of Cardiology (ACC) zur a prä- und b postprozeduralen Evaluierung bei ambulanter Koronardiagnostik/-intervention [38]

Darüber hinaus ist, analog z. B. zu den USA, zu fordern, dass die Entscheidung, ob ein invasiver bzw. operativer Eingriff im ambulanten oder stationären Setting durchgeführt wird, gemeinsam von Arzt und Patient im Sinne eines „shared decision making“ getroffen wird [38]. Es ist zu fordern, dass dem „shared decision making“ oberste Priorität eingeräumt wird und äußere Zwänge und Festlegungen, deren Herleitung in relevantem Umfang ökonomischer Natur waren bzw. sind, keine höhere Priorität gegenüber diesem ethischen Grundrecht haben dürfen. Vor diesem Hintergrund ist die Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vom 22.09.2022 zu begrüßen [39], den Krankenhäusern zu gestatten, gemeinsam mit dem Patienten in eigener Kompetenz und nach medizinischen und pflegerischen Kriterien in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob eine Tagesbehandlung in Betracht kommt.

10. Prüfung und Entscheidung im Einzelfall

Das in Deutschland übliche Vorgehen, dass post hoc eine Institution (d. h. der Medizinische Dienst) ärztliche Entscheidungen im Nachhinein korrigiert, ist im internationalen Vergleich unüblich und abzulehnen. Es sollte in diesem Zusammenhang geändert werden, da auch die Begründung des zusätzlichen ambulanten Potenzials in der Leistungserbringung sich aus denselben Systemvergleichen herleitet – und damit ein Konstrukt, in dem nur der Status einer Leistungserbringung übernommen wird, nicht aber dessen Kontext und Begründung, jedweden Anspruch auf Validität verlieren würde.

Diesbezüglich wird ausdrücklich im IGES-Gutachten festgehalten, dass in den untersuchten Vergleichsländern ein „ähnliches System, bei dem im Wesentlichen Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes auf die ambulante Durchführung entsprechend katalogisierter Leistungen hinwirken, in den Vergleichsländern nicht ausgemacht werden“ konnte. Umso unverständlicher ist, dass später im Gutachten trotzdem eine „fallindividuelle Kontextprüfung“ nur bei stationärer Durchführung einer Leistung gefordert wird, die bei ambulanter Durchführung nach Auffassung des IGES nicht erforderlich sei. Zwar sei laut IGES „eine wesentliche methodische Anforderung an die Entwicklung eines Konzepts zur Kontextprüfung deren Praktikabilität“, und es sollten daher für die Kontextprüfung „möglichst weitgehend etablierte Klassifikations- und Dokumentationssysteme bzw. Routine-Dokumentationen verwendet werden, um zusätzlichen Erhebungs- und Dokumentationsaufwand zu minimieren“. Die im aktuellen AOP-Katalog genannten Kontextfaktoren sind dazu allerdings nicht geeignet, und so bleibt zu befürchten, dass es beim bisher bestehenden Aufwand der Krankenhäuser durch die MD-Prüfungen bleibt, allerdings in größerer Zahl, da eben in Zukunft mehr Leistungen als prinzipiell ambulant erbringbar klassifiziert werden sollen. Auch ein Arztvorbehalt ist bisher nicht ausdrücklich vorgesehen.

11. Abrechnung und Vergütung bei ambulanter und stationärer Leistungserbringung

Die Beurteilung der Frage nach angemessener Vergütung ambulanter bzw. stationärer Leistung ist nicht Fokus dieses Positionspapiers, da die DGK sich als medizinische Fachgesellschaft in erster Linie der Festlegung von Kriterien verpflichtet fühlt, die eine für die Patient*Innen qualitativ hochwertige und sichere Leistungserbringung ermöglicht. Allerdings unterstützt das Vergütungssystem in Deutschland mit der strengen, sektoralen Budgetierung und der oft geringeren Vergütung ambulant erbrachter Leistungen eine Ambulantisierung bisher stationärer Leistungen nicht. Dies steht im Gegensatz zu Ländern wie Norwegen, England oder Frankreich, in denen ambulante Fälle gleich bzw. zeitweilig sogar höher vergütet werden als stationäre. Für eine Verlagerung bisher stationärer Fälle in den ambulanten Bereich ist ein Vergütungsmodell erforderlich, das für komplexere, ambulante Leistungen kostendeckend ist. Sonst droht eine Versorgungslücke, dadurch dass Krankenhäuser solche Leistungen nicht mehr anbieten können, Niedergelassene die Anforderungen, die für die Erbringung dieser Leistungen erforderlich sind, aber nicht ohne eine ausreichende Finanzierung erfüllen können. Dies wäre zu befürchten, wenn diese Leistungen ohne Aufschlag nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erbracht werden sollen. Inzwischen hat der Gesetzgeber dafür zusätzliche Möglichkeiten geschaffen: Dies sind die ebenfalls bereits seit dem 01.01.2023 geltenden, „tagesstationären“ Leistungen (§ 115e), die nach DRG mit einem Abschlag von 0,04 Bewertungsrelationen abgerechnet werden, wenn der Patient mindestens 6 h im Krankenhaus behandelt wird. Daneben wurde zuletzt noch eine Hybrid-DRG in den Gesetzentwurf eingeführt (§ 115f), nach der ebenfalls bisher stationär erbrachte Leistungen ambulant vergütet werden können. Allerdings ist bis jetzt nicht klar, welche Leistungen in Zukunft als Hybrid-DRG abrechenbar sein sollen. Die Abgrenzung von „tagesstationären“ Leistungen zu den Hybrid-DRG ist kompliziert, da zahlreiche Leistungen, die in den AOP-Katalog (§ 115b) aufgenommen sind oder werden, ausgenommen sind. Für die aktuellen Verhandlungen zwischen den Partnern der Selbstverwaltung hat der Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.03.2023 gesetzt. Diese Frist ist kaum einzuhalten. In diesem Fall könnte das BMG Umfang und Finanzierung der Leistungen durch Ersatzvornahme selbst festlegen.

Fazit für die Praxis

Die Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen ist prinzipiell für einen Teil der interventionellen und operativen Eingriffe in der Kardiologie unter folgenden Voraussetzungen sinnvoll:

  1. 1.

    Die notwendigen personellen, strukturellen und prozeduralen Voraussetzungen sind einzuhalten, um eine für den Patienten sichere Durchführung zu gewährleisten. Eingriffe, die aus fachlicher Sicht einer stationären Überwachung bedürfen, sollten nicht ambulant durchgeführt werden.

  2. 2.

    Der behandelnde Arzt sollte die letzte Entscheidung behalten, ob ein Patient nach dem Eingriff nach Hause entlassen werden kann, ohne dass diese Entscheidung von einer nachgeordneten Instanz später in Frage gestellt wird. Daher sollten „Kontext-Faktoren“, die eine stationäre Leistungserbringung weiterhin ermöglichen, möglichst eindeutig und fachspezifisch definiert sein.

  3. 3.

    Der Patient sollte mit der ambulanten Durchführung einverstanden sein („shared decision making“).

  4. 4.

    Aspekte der Qualitätssicherung, die im stationären Bereich bereits etabliert sind, sollten auch im ambulanten Bereich berücksichtigt werden.