Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen – Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 17.05.2022

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht beschäftigte sich vorliegend auf Basis der ab 2009 geltenden Rechtslage mit der Frage, ob eine Steuerbefreiung für ärztliche Heilbehandlungs­leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht zur Anwendung kommt, wenn diese Leistungen von einem Krankenhaus (Krankenhausleistung) erbracht werden, welches selbst die Voraus­setzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllt (Urteil vom 17.05.2022, Az. 4 K 119/18). Das Finanzgericht sah die Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als gegeben an und setzte sich damit in Widerspruch zu dem Urteil des Finanzgerichtes Düsseldorf vom 17.02.2017 – 1 K 1994/13 U. Das beklagte Finanzamt hat gegen diese Entscheidung Revision beim BFH unter dem Az. V R 10/22 eingelegt.

Leitsätze (amtlich)

1. Ärztliche Heilbehandlungen sind gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei, wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden und diese Krankenhaus­leistungen ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG begünstigt sind, weil nicht alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind.

2.  Die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG wird -bezogen auf die Heilbehandlung- nicht dadurch verhindert, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dem Grunde nach eröffnet ist (entgegen FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2017, 1 K 1994/13 U, EFG 2017, 1305; entgegen BT-Drucksache 16/10189, Seite 74, 75).

Sachverhalt

Dem o. g. Urteil lag verkürzt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine GmbH, betrieb eine Privatklinik im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie, die die Voraussetzungen der Steuer­befreiungsvorschrift gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllte. Alleiniger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer der GmbH war der approbierte und behandelnde Arzt. Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung zwischen der GmbH und dem Finanzamt wurde verbindlich festgelegt, dass ein bestimmter prozentualer Anteil der Leistungen auf medizinisch indizierte Heilbehandlungsleistungen entfällt, so dass grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für diese Leistungen zur Anwendung kommen kann. Das Finanzamt versagte jedoch die Steuerbefreiung, da aus seiner Sicht diese (Krankenhaus-) Leistungen nur dann umsatzsteuerbefreit sein können, wenn auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Gänze erfüllt sind. Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsnorm des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ist aufgrund der vorliegenden Kranken­hausleistungen -auch hinsichtlich der Heilbehandlungsleistungen- aus Sicht der Finanzverwaltung nicht gegeben.

III. Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Finanzgericht kommt vorliegend für die Heilbehandlungsleistungen der Privatklinik zu dem Ergebnis, dass § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG neben § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zur Anwendung kommt, auch wenn der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dem Grunde nach erfüllt wäre, jedoch hierfür nicht sämtliche Voraussetzungen gegeben sind. Das Finanzgericht beruft sich hierbei maßgeblich auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 18.09.2019, Az. C-700/17 - „Peters“), in welchem er entschieden hat, dass die Analysen eines Facharztes für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik sowohl nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) wie auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) umsatzsteuerfrei sein können, wenn nicht alle Tatbestandsmerkmale nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG vorliegen. Das Finanzgericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass für eine medizinisch indizierte Heilbehandlungsleistung, die die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfüllt, diese Begünstigung nicht mehr dadurch entfallen kann, dass diese Leistung in einem Krankenhaus (als Krankenhaus­leistung) erbracht wird, welches jedoch nicht die Voraussetzungen des § Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllt.

Hauptzweck der nationalen und auch europarechtlichen Befreiungsvorschriften ist die Begünstigung von ärztlichen, medizinisch indizierten Heilbehandlungen mit dem Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Insbesondere aus diesem Grund muss bei richtlinien­konformer Anwendung der nationalen Regelungen § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch bei Eröffnung des Anwendungsbereiches von § 4 Nr.14 Buchst. b UStG anwendbar bleiben.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH im anhängigen Revisionsverfahren entscheiden wird. Kliniken, die derzeit die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllen, sollten hinsichtlich ihrer Heilbehandlungsleistungen im Einzelfall ggf. überlegen, entsprechende Verfahren bzw. umsatzsteuerliche Veranlagungszeiträume offen zu halten.

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