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Klinikchefs im Interview

Was die geplante Krankenhausreform für Dresdens Kliniken bedeutet

Mit seiner geplanten Krankenhausreform will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die deutsche Kliniklandschaft umstrukturieren.

Mit seiner geplanten Krankenhausreform will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die deutsche Kliniklandschaft umstrukturieren.

Dresden. Entökonomisierung des Klinikwesens: Das ist das Ziel der Krankenhausreform, wie sie der Bundesgesundheitsminister plant. Konkret will Karl Lauterbach das System der Fallpauschalen abschaffen, in dem die Krankenhäuser nur nach Patientenzahl vergütet werden und beispielsweise nicht fürs Vorhalten von Kapazitäten. Daher soll es künftig auch Vorhaltepauschalen geben. Zudem sollen Krankenhäuser nach festgelegten Kriterien in Versorgungsstufen eingeteilt werden – von der ambulant-stationären Grundversorgung bis zur Universitätsmedizin. Während Lauterbach damit den wirtschaftlichen Druck von den Kliniken nehmen und dem Patienten eine bessere Behandlung bieten will, ist die Skepsis bei Dresdens Klinikchefs noch groß, wie eine Umfrage zeigt.

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Michael Albrecht, Vorstand des Universitätsklinikum Dresden:

Die Krankenhausreform ist ein Versuch der Politik, ein Gesundheitssystem zu verändern, das bereits an die Wand gefahren ist. Vieles davon fordern wir bereits seit zwanzig Jahren, zum Beispiel eine hundertprozentige Finanzierung der laufenden Klinikkosten. Vor allem in Bereichen wie der Kinder- und Jugendmedizin, wo wir wenige Fälle haben, muss die Vorhaltung von Ressourcen vergütet werden. Daher finde ich es gut, wenn eine Vorhaltepauschale kommt. Aber ich frage mich, wie das in der Praxis aussehen soll. Eine pauschale Regelung für alle Kliniken funktioniert nicht.

Detlef Michael Albrecht, Vorstand des Uniklinikums Dresden.

Detlef Michael Albrecht, Vorstand des Uniklinikums Dresden.

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Ähnlich denke ich über die Idee, Krankenhäuser in Versorgungsstufen einzuteilen. Ich bezweifele, dass etwas besser wird, wenn wir die Häuser in Schubladen stecken und jede Schublade mit Regeln versehen. Die Leistung eines Krankenhauses hängt am Ende von seiner Expertise und Kapazitäten ab. Wir müssen langfristig sicherstellen, dass dem Patienten kein Nachteil entsteht, weil er in das eine Krankenhaus eingeliefert wird und nicht in das andere und dass er, falls erforderlich, schnell verlegt wird. Zwischen den Kliniken braucht es dafür noch größere Netzwerke. Dass das funktionieren kann, haben wir schon während Corona gesehen, als wir die Patienten über eine zentrale Koordinationsstelle verteilt haben. Das gute an der Debatte um die Krankenhausreform ist: Alle haben endlich die Bereitschaft, etwas zu ändern am System, das sonst zusammenzubrechen droht.

Sebastian Schellong, Medizinischer Direktor des Städtischen Klinikums:

Die Krankenhausreform ist eine Antwort auf eine Diskussion, die es in Deutschland schon lange gibt. Eine hundertprozentige Finanzierung über Fallpauschalen ist nicht mehr richtig. Denn die hat dazu geführt, dass Kliniken nur noch auf Erlösmengen und Patientenzahlen schauen und dabei unter wirtschaftlichen Druck geraten sind. Zugleich ist überall der Eindruck eines Mangels entstanden, der im internationalen Vergleich aber nicht besteht. Wir brauchen eine spürbare Korrektur dieses dysfunktionalen Systems.

Sebastian Schellong, Medizinischer Direktor des Städtischen Klinikums Dresden.

Sebastian Schellong, Medizinischer Direktor des Städtischen Klinikums Dresden.

Die vorgeschlagene Aufteilung in Fall- und Vorhaltepauschalen ist aber nur dann sinnvoll, wenn sie einhergeht mit einer Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen, denen dann auch konkrete medizinische Angebote zugeordnet werden. Mit der Reform werden insbesondere komplexe Leistungen auf weniger Standorte konzentriert werden. Unser Zukunftskonzept 2035 aus dem Jahr 2021 für das Städtische Klinikum denkt in dieselbe Richtung: Der Standort Friedrichstadt entspräche dann der höchsten Versorgungsstufe 3. Der Standort Neustadt/Trachau wäre umgewandelt in einen Standort mit integrierter ambulanter Versorgung. Ob es dort auch stationäre Plätze geben wird, ist noch unklar und muss letztlich vom Stadtrat in den weiteren Diskussionen zum Zukunftskonzept entschieden werden. Klar ist: Durch die Reform wird sich für die Krankenhäuser vieles verändern und das verlangt von allen Beteiligten viel Flexibilität. Doch wir werden alle unsere Mitarbeiter schützen.

Ralf Schönherr, kaufmännischer Vorstand des Diako Dresden:

Aus gesamtdeutscher Sicht begrüße ich die Krankenhausreform. Wir haben in den Bundesländern erhebliche Unterschiede bei den Klinikgrößen, dahingehend ist eine Anpassung der Strukturen sinnvoll. Der Gesundheitsminister hätte aber die Bundesländer stärker in die Debatte um die Reform miteinbeziehen müssen. Denn am Ende ist die Frage: Wie viel Einheitlichkeit brauchen wir für Deutschland und wie viel Spielraum für die Länder, um regionale Besonderheiten zu berücksichtigen? Vorhaltepauschalen halte ich grundsätzlich für eine gute Idee. Vor allem in der Notfallversorgung könnten wir unsere Kapazitäten damit besser planen. Letztlich ist aber entscheidend, wie hoch die Pauschalen ausfallen. An unserem zweiten Standort, dem Krankenhaus Emmaus Niesky konnten wir schon in Kooperation mit der AOK Plus und dem Sozialministerium eine Art Vorhaltefinanzierung erproben. Das hat sich als gutes Modell erwiesen.

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Ralf Schönherr, kaufmännischer Vorstand des Diakonissenkrankenhaus Dresden.

Ralf Schönherr, kaufmännischer Vorstand des Diakonissenkrankenhaus Dresden.

Was mir noch Sorgen bereitet, ist die geplante starre Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen. Ein Beispiel: In Dresden haben wir am Diako keine sogenannte Stroke-Unit zur Akutbehandlung von Schlaganfallpatienten, da deren Behandlung andere Häuser in der Stadt übernehmen. Nach den aktuellen Ideen der Regierungskommission würden wir ohne so eine Einheit aber nicht einmal mehr als Grundversorger gelten. Gleichzeitig haben wir uns in Dresden auf die Behandlung verschiedener Krebserkrankungen spezialisiert, doch nach der Reformidee dürften wir einige dieser Leistungen nur als Level-3-Krankenhaus erbringen. Möglicherweise müssten wir diese Bereiche dann abgeben, obwohl wir hier über eine große Expertise und zahlreiche Zertifizierungen verfügen.

Viktor Helmers, Geschäftsführer des St. Joseph Stift:

Grundsätzlich begrüße ich die Reform, denn das Fallpauschalensystem, wie wir es gerade haben, sendet Fehlanreize. Konventionelle Behandlungen, die dem Patienten bei bestimmten Diagnosen helfen, erzeugen weniger Erlös als operative Eingriffe. Da ringen dann die Ärzte mit sich, die die Bedürfnisse des Patienten im Fokus haben. Eine Reform des Klinikbetriebs ist sicher eine gute Idee. Aber die Umsetzung ist entscheidend. Die Dinge müssen klar geregelt sein und dürfen nicht zu mehr Bürokratie führen.

Viktor Helmers, Geschäftsführer des St. Joseph Stift Dresden.

Viktor Helmers, Geschäftsführer des St. Joseph Stift Dresden.

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Zum Thema Versorgungsstufen: Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir in Sachsen schon eine recht effiziente Krankenhausstruktur. Da jetzt einen bewussten Kahlschlag zu provozieren, wird den Patienten nicht helfen. Sicher gibt es irgendwo eine Klinik, die sich noch besser spezialisieren sollte. Dresden ist als Metropolregion aber auch unabhängig von der Reform schon gut aufgestellt, denn wir haben bereits mit den anderen Kliniken gut abgesprochene Versorgungsangebote. Jeder hat seine klaren Schwerpunkte, wir zum Beispiel in den Bereichen Schilddrüse, Geburtshilfe und Geriatrie. Doch die Einteilung in Versorgungsstufen ist aktuell noch zu starr gedacht. Sobald sich eine Klinik spezialisiert hat, sollte sie in ihrem Gebiet umfangreiche Leistungen anbieten dürfen, unabhängig von ihrer Größe. Ich befürchte, dass wir durch die Neuregelung etwas abgeben müssten. Doch man kann Operateure und Pflegekräfte nicht einfach an einen anderen Standort mit ganz anderen Gegebenheiten schicken. Sicher ist: Es braucht weiterhin regionale Flexibilität für individuelle Lösungen, ohne dass einem deshalb Finanzmittel vom Bund gestrichen werden.

DNN

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