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Millionen-Verluste

Sigmaringer Krankenhaus droht finanzieller Kollaps

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Kliniken häufen Verlust im zweistelligen Millionen–Bereich an. Bundestagsabgeordneter Robin Mesarosch spricht von düsteren Zukunftsaussichten.
Veröffentlicht:24.03.2023, 16:41

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Der SPD–Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch hält die finanzielle Schieflage des Sigmaringer Krankenhauses für existenzgefährdend: „Wenn sich strukturell nichts ändert, wird das Krankenhaus die kommenden Jahre nicht überleben“, sagte der Abgeordnete in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Bundespolitiker bezieht sich auf eine Aussage der Grünen–Landtagsabgeordneten Andrea Bogner–Unden, die in einem Interview mit unserer Zeitung den Fortbestand des Krankenhauses als „sicher“ einstufte und sich auf Gesundheitsminister Lucha berief, der hinter Sigmaringen stehe. „Frau Bogner–Unden schlägt in eine Kerbe, die ich für irreführend halte.“

Wie ist es wirklich um die Finanzen des Krankenhauses bestellt? Die Aufsichtsratsvorsitzende Stefanie Bürkle und der Geschäftsführer Jan–Ove Faust äußern sich.

Wie ist die aktuelle finanzielle Situation des Krankenhauses?

Die Klinik kann die Kosten nicht mehr decken, weshalb Jahr für Jahr ein Minus aufläuft. Der Verlustvortrag in der Bilanz liegt bei 16,9 Millionen Euro und wird sich in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Das Minus für dieses und das vergangene Geschäftsjahr soll in der Größenordnung von 2021 liegen, als 6,8 Millionen Euro Verlust gemacht wurden. Aufsichtsratsvorsitzende Stefanie Bürkle verweist darauf, dass es anderen Krankenhäusern genauso gehe. Drei von vier Kliniken im Land sind laut einer Umfrage der Krankenhausgesellschaft des Landes defizitär.

Ist das Krankenhaus durch die auflaufenden Verluste in seiner Existenz bedroht?

Trotz der angespannten Lage blicke sie für Sigmaringen zuversichtlich in die Zukunft , sagt Bürkle. „Ich bin aber in großer Sorge, dass die Krankenhausreform, die wir zweifelsohne brauchen, für viele Häuser zu spät kommt“, sagt die Landrätin. Für Sigmaringen sehen die Planungen ab 2025 „unter bestimmten Annahmen“ (Bürkle) wieder positive Ergebnisse vor. Bürkle verweist auf den Neubau, der im Sommer in Betrieb geht und weitere Investitionen in Höhe von zwölf Millionen Euro in moderne Medizintechnik. Das Sigmaringer Haus nennt sie für die Versorgung in einem Flächenlandkreis systemrelevant und verglichen mit anderen Häusern gut aufgestellt. Geschäftsführer Jan–Ove Faust ergänzt: „Eine drohende Schließung sehen wir nicht.“

Muss der Landkreis als Gesellschafter der SRH–Kliniken in nächster Zeit Geld zuschießen, um das Krankenhaus am Leben zu erhalten?

Nachdem die Bad Saulgauer Bürgermeisterin Doris Schröter dies im vergangenen Dezember angedeutet hatte, konkretisiert Bürkle dieses Aussage nun: Je nachdem wie das Jahr 2023 verlaufe, müsse sich der Landkreis in der zweiten Jahreshälfte mit einer weiteren Kapitalerhöhung beschäftigen müssen.

Reicht die Lauterbach’sche Krankenhausreform aus, um das Sigmaringer Krankenhaus zukunftssicher zu machen?

Für den Bundestagsabgeordneten Robin Mesarosch kann die Reform eine Therapie zur finanziellen Erholung werden. Beispielsweise für die Geburtshilfe müssten künftig Vorhaltekosten gewährt werden statt sie wie derzeit nach der Anzahl der Fälle zu vergüten. „Wir müssen die Krankenhäuser ein Stück weit wie die Feuerwehr finanzieren. Die Feuerwehr bekommt die Autos — egal wie viele Einsätze sie damit fährt.“

Der Aufsichtsratsvorsitzenden Bürkle gehen die von Lauterbach angekündigten Reformvorschläge allerdings nicht weit genug: Um die akuten Probleme zu lösen, hält Bürkle einen Rettungsschirm für sinnvoll, allerdings habe der jüngste Krankenhausgipfel dafür politisch keine Bereitschaft erkennen lassen.

Worauf sind die finanziellen Schwierigkeiten zurückzuführen?

Zuletzt sind dem Krankenhaus die Mehrkosten durch die Corona–Pandemie nicht mehr 1:1 ersetzt worden. Zwar ist die Corona–Pandemie überwunden, doch durch steigende Energiekosten werden die Krankenhäuser zwischenzeitlich erneut zusätzlich stark belastet. Allein im vergangenen Jahr mussten die SRH–Kliniken im Kreis vier Millionen Euro zusätzlich für Energie bezahlen. Das ist nicht der einzige, aber der wichtigste Kostentreiber.

Abgeordneter Mesarosch nennt es eine „dämliche Entscheidung“, dass das Krankenhaus statt auf langfristige Verträge zu setzen, die Energie an der Börse einkaufe. Was sagt Geschäftsführer Jan–Ove Faust dazu?

Laut Faust konnten die auslaufende Verträge nicht mehr zu den gleichen Konditionen verlängert werden, deshalb habe man sich für einen Vertrag entschieden, der eine hohe Flexibilität und Versorgungssicherheit biete. Das Krankenhaus habe nun die Möglichkeit, flexibel auf dem europäischen Markt einzukaufen, wenn die Preise günstig seien.